Konflikte, Gewalt, Gewaltprävention

Vor dem Hintergrund sich häufender tragischer Gewaltsituationen, an denen Jugendliche beteiligt sind, gewinnt schulische Gewaltprävention zunehmend an Bedeutung. Daher setzt sich das Staatsministerium in Zusammenarbeit mit den anderen Ministerien und der Polizei sowohl für den verbesserten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalttaten als auch für eine nachhaltige Prävention ein. Ein wesentlicher Bestandteil des bayerischen Gewaltpräventionskonzepts liegt darin, die Schülerinnen und Schüler durch eine Stärkung der Selbst- und Sozialkompetenzen stark zu machen gegen aktiv angewandte und passiv erlebte Gewalt, gegen Sucht, aber auch gegen sexuellen Missbrauch.

Ausgewählte Präventionsprogramme auf einen Blick

Prävention im Team (PIT)

Begriff und Entstehung

Das Präventionsprogramm PIT ist ursprünglich in Schleswig-Holstein entwickelt worden. Inzwischen ist es nicht nur in Bayern, sondern auch in zahlreichen anderen Ländern – zugeschnitten auf die jeweiligen Bedürfnisse der einzelnen Länder - modifiziert bzw. neu gestaltet worden.

In Bayern führten die Bayerischen Staatsministerien für Unterricht und Kultus und des Innern gemeinsam mit dem Bayerischen Landeskriminalamt und dem Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung das Pilotprojekt PIT über einen Zeitraum von 18 Monaten hinweg (2001/2002) in den Jahrgangsstufen 7 und 8 an 43 bayerischen Volks-, Haupt- und Realschulen erfolgreich durch. Arbeitsgrundlage bildete dabei das schleswig-holsteinische Modell.

Das Gesamtprojekt wurde durch eine Evaluation des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) und des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA) begleitet. Nach diesen Ergebnissen wurde beschlossen, das Präventionsprojekt PIT in der vorliegenden bayerischen Version zu modifizieren und diese flächendeckend und schulartübergreifend für alle bayerischen Schulen ab dem Schuljahr 2003/2004 als Präventionsprogramm anzubieten.

Inzwischen haben sich an dem Programm, das weiterhin eng vom ISB begleitet wird, über 400 PIT-Schulen beteiligt. Ab Herbst 2010 startet PIT in eine neue Phase: Um auf die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und neuen medialen Möglichkeiten von Gewalt zu reagieren, wurde in Zusammenarbeit mit dem ISB, dem Innenministerium und dem BLKA eine komplette Neuauflage erstellt, die sich auch Themen wie „Gewalt und Medien / Cybermobbing“ und „Lebenskompetenztraining“ widmet.
Diese neue Version von „PIT – Prävention im Team“ soll landesweit an allen ca. 3.500 weiterführenden Schulen einen Beitrag zur Gewaltprävention leisten und in der bewährten Kooperation zwischen Polizei und Schulen vor Ort fortgeführt werden.

Grundlegende Zielsetzungen

Eines der grundlegenden Zielsetzungen von PIT ist weniger die kognitive Aneignung von Wissen problematischer Sachverhalte, sondern vielmehr das Bewusstwerden und das Erkennen von Konflikten. Im Zuge dessen geht es um die Entwicklung von Lösungsstrategien und das Verbessern des sozialen Klimas in den Klassen und damit auch in der gesamten Schulgemeinschaft. Dafür ist wesentliche Voraussetzung einerseits, sozial verträgliche Verhaltensweisen möglichst frühzeitig im Unterricht zu entwickeln und andererseits die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler durch den Auf- und Ausbau personaler und sozialer Kompetenzen (Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl, Eigenverantwortlichkeit) zu stärken. Da Eltern immer häufiger aus den unterschiedlichsten Gründen heraus bestimmte Erziehungsaufgaben (siehe Familie oben) nicht mehr zu leisten im Stande sind, werden die Schulen immer öfter im Rahmen des allgemeinen Erziehungsauftrages der Schulen in die Pflicht genommen.

Weitere Zielsetzungen von PIT werden darin gesehen, den Jugendlichen konstruktive und gewaltfreie Problem- und Konfliktlösungsmöglichkeiten an die Hand zu geben. Durch die Stärkung der Werteerziehung soll u. a. die Verantwortung für gefährdete Mitschülerinnen und Mitschüler geweckt und der Mut und die Bereitschaft zur Zivilcourage gestärkt werden. All dies soll sich positiv auf das Klassenklima sowie auf das gemeinschaftliche schulische Zusammenleben auswirken. Langfristig sollen durch dieses Projekt PIT auch verlässliche Strukturen der Verständigung und der Zusammenarbeit zwischen den Schulen selbst, mit der Polizei und anderen mit der Präventionsarbeit befassten Institutionen aufgebaut werden.

Auf diese Weise wird angestrebt, eine Art Netzwerk von engagierten Lehrkräften, Sozialpädagogen und Polizeibeamten sowie anderen mit der Prävention befassten Experten aufzubauen.

Kernpunkte des Programms sind demnach:

  • bei den Schülerinnen und Schülern soziale Kompetenzen weiter zu fördern und die individuelle Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen;
  • in einem Team die Zusammenarbeit von Schule, Polizei und anderen außerschulischen Partnern gemeinsam zu gestalten;
  • auch andere Präventionsprojekte bzw. -programme in PIT zu integrieren und mit anderen Einrichtungen zusammenzuarbeiten.

Grundsätzliches Charakteristikum

Nachhaltige Erfolge sind nur auf der Basis eines ganzheitlichen Ansatzes zu erreichen.

Das Programm PIT enthält überwiegend Unterrichtsbeispiele, die nicht nur auf theoretischer Wissensvermittlung zu den einzelnen Themenbereichen Gewalt, Sucht und Eigentumsdelikte beruhen, sondern in gleichem Maße auch ein Training der allgemeinen Lebenskompetenzen (Life Skills Konzept) beinhalten sowie auf die Stärkung der Persönlichkeit abzielen. Das Basistraining der allgemeinen Lebenskompetenzen ist deshalb Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit mit PIT, weil letztlich über diese angesprochene Erweiterung personaler und sozialer Kompetenzen die Einzelpersönlichkeit des Schülers bzw. der Schülerin gestärkt werden soll.

Adressaten

PIT ist ein Programm, das für alle Schularten gedacht ist und sich an alle Schularten richtet.

In der Praxis bewährt hat sich die Durchführung

  • des Themenbereichs Eigentumsdelikte in der 6. Jahrgangsstufe. Bei diesem Thema spielt die Strafmündigkeit ab 14 Jahre eine besondere Rolle. Die Polizei sollte nicht erst dann in die Schulen gehen, wenn bereits Delikte in diesem Bereich zu verzeichnen sind.
  • des Themenbereichs Gewalt ab der 7. Jahrgangsstufe und
  • des Themenbereichs Sucht ab der 8. Jahrgangsstufe.

Eingebunden in den jeweiligen Fachunterricht, werden mit einem Team aus Lehrkräften, Polizeibeamten und weiteren Experten die kriminalpräventiven Schwerpunktthemen „Gewalt“, „Sucht“ und „Eigentumsdelikte“ behandelt. Die jeweilige Lehrkraft der Klasse wählt zusammen mit den Schülern das Einstiegsthema (Gewalt, Sucht, Eigentumsdelikte) je nach der Altersstufe und/oder der Aktualität aus.

Für den Themenbereich Sucht bietet sich an, schon in der 5. und 6. Jahrgangsstufe eine Art Basisprogramm durchzuführen, um dann in der 8. Jahrgangsstufe im Sinne von Nachhaltigkeit darauf aufbauen zu können. Eine Verknüpfung mit den Themen Fremdenfeindlichkeit oder Aids (z. B. mit dem Programm „LIZA – Liebe in Zeiten von Aids“) wäre zusätzlich in der 9. Jahrgangsstufe denkbar.

Konkrete Umsetzung des Programms

Von den Lehrkräften und Polizeibeamten, die in der Pilotierungsphase beteiligt waren, wurden praxisbezogene Unterrichtskonzepte zur Präventionsarbeit erstellt. Dabei wurden vor allem die Möglichkeiten für eine intensive Kooperation mit dem Elternhaus ausgelotet. Die im vorliegenden Programm vorgestellten Bausteine werden nun verknüpft mit vielfältigen unterschiedlichen Übungen aus dem Bereich des sozialen Lernens. Diese Teamübungen dienen neben dem bereits angesprochenen Aufbau und der Verstärkung sozialer Kompetenzen, der Wertevermittlung, insbesondere jedoch auch dem Abbau von Aggressionen und Gewaltbereitschaft.

Voraussetzungen seitens der Lehrerfortbildung

Lehrerinnen und Lehrer, die PIT an ihrer Schule umsetzen wollen, sollten bereits eine gewisse Erfahrung mit Präventionsprogrammen haben, aber auch mit Ansätzen der modernen Suchtprävention vertraut sein. Ansonsten kann das Sozialkompetenztraining, das PIT wie ein roter Faden durchzieht, nicht überzeugend weitergegeben werden. Weniger erfahrene Lehrkräfte sollten den gedanklichen Austausch mit Partnern suchen, die PIT bereits durchgeführt haben. In jedem Falle empfiehlt es sich, an speziellen Fortbildungsprogrammen im Bereich Teambildung, Konflikttraining sowie sozialem Lernen teilzunehmen. An der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen stehen hierzu eine Reihe von Angeboten zur Verfügung, z. B. zu Lions-Quest „Erwachsen Werden“, Mediatoren-/Streitschlichterausbildung, Kooperatives Lernen nach Norm Green).

Schwerpunktsetzung auf dem Team

Teamgeist und Teamarbeit, die wesentlichen Stützen der Präventionsarbeit, werden nicht allein durch eine enge Zusammenarbeit im Lehrerkollegium an der Schule gefördert, z. B. durch Lehrertandems, die gemeinsam den PIT-Ansatz in die Klassen hineintragen. Ebenso wichtig jedoch ist eine intensive, in gemeinsamer Absprache vor Beginn des PIT- Programms festgelegte Zusammenarbeit zwischen der Schule und ihren Partnern im außerschulischen Bereich, z. B. Polizei, Jugendgericht, Suchtklinik, kommunale Jugendeinrichtungen.

Im Rahmen des Präventionsprogramms besteht das Angebot der Polizei mit einer bestimmten Anzahl von Schulen, PIT besonders intensiv durchzuführen. Interessierte Schulen werden seitens der Regierungen bzw. der zuständigen Ministerialbeauftragten dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus gemeldet. Für die Schule wird ein örtlich zuständiger Ansprechpartner seitens der Polizeibehörden benannt, der die ausgewählten unterrichtlichen Schwerpunkte durch sein persönliches berufliches Erfahrungswissen bereichert. Er (be)wertet das strafrechtliche Verhalten Jugendlicher anhand authentischer Beispiele, erörtert dabei die möglichen Konsequenzen für Opfer und Täter und bietet den Jugendlichen hierdurch einen wirklichkeitsnahen Zugang zur jeweiligen Thematik. Damit soll ein möglichst großer Nachhaltigkeitseffekt erzielt werden, der es den Schulen ermöglicht, auch in den darauf folgenden Jahren effektive Präventionsarbeit zu leisten.

Die Evaluation des Programms hat folgende Ergebnisse gezeigt:

Stärkere Wahrnehmung der Gesamtpersönlichkeit des Schülers durch die Lehrkraft. Stärkere Sensibilisierung der Schüler bezüglich der angesprochenen Themen und ein größeres Problembewusstsein. Ein zum Teil deutlich verbessertes Klassenklima. Eine zum Positiven hin veränderte Haltung von Schülern gegenüber den Lehrkräften, die in weit stärkerem Maße als „Ansprechpartner“ gesehen werden.

Bezugsquelle des Programms

Allen Gymnasien, Realschulen, Wirtschaftsschulen, Haupt- und Förderschulen in Bayern wird im Herbst 2010 ein kostenloses Exemplar des PIT- Sammelordners mit allen zur Umsetzung von PIT II notwendigen Materialien kostenlos zur Verfügung gestellt.
 

Lions-Quest "Erwachsen werden"

Begriff und Entstehung

Lions-Quest ist der Name für eine 1984 vertraglich vereinbarte Kooperation zwischen Lions Clubs International und Quest International, einer amerikanischen gemeinnützigen Stiftung. 1997 als deutsche Bearbeitung des amerikanischen „Skills for Adolescense“ erstmals in Deutschland angewandt, hat sich das Konzept durch das Engagement vieler deutscher Lions Clubs sprunghaft verbreitet. Bis heute wurden mehr als 30.000 Lehrkräfte in 1.200 Seminaren mit dem Programm geschult.

Grundlegende Zielsetzungen

Grundanliegen dieses Programms ist die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen, die Begleitung junger Menschen auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden. Adressaten sind hauptsächlich Jugendliche im Alter von 10 bis 15 Jahren, denen geholfen werden soll, Probleme und Risikosituationen im Laufe dieser Entwicklung hin zum Erwachsenen leichter zu bewältigen. Lions-Quest ist nicht schulartgebunden und wendet sich an alle Jugendliche in der Sekundarstufe I, wobei viele Arbeitsvorschläge auch unter- und oberhalb dieser Altersgruppe durchaus anwendbar sind.

Das Programm geht von den grundlegenden Erkenntnissen aus, dass es einer wachsenden Zahl von Kindern schwer fällt, sich in einer Gruppe zurechtzufinden und mit sich selbst und mit anderen angemessen umzugehen. Letztlich geht es ähnlich wie bei PIT um die beiden grundlegenden Zielsetzungen der Selbstkompetenz und der Sozialkompetenz, auch wenn die Schwerpunkte beider Programme teilweise deutlich anders gesetzt sind.

Voraussetzung für ein erfolgreiches Arbeiten mit den Jugendlichen ist nach Ansicht der Verfasser der Herstellung eines Konsenses von grundlegenden Wertvorstellungen und Orientierungen in allen erziehungsrelevanten Bereichen. Konkret zielt Lions-Quest „Erwachsen Werden“ u.a. auf folgende Werte ab:

  • Eine realistische Selbsteinschätzung und die Fähigkeit zu reflektiertem Handeln
  • Die Entscheidung für ein Leben ohne Sucht und für einen maßvollen, kontrollierten Umgang mit legalen Genussmitteln
  • Toleranz und Achtung vor anderen Menschen
  • Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung
  • Verlässlichkeit und Diskretion
  • Fähigkeit zur sozialen Integration und Bereitschaft zu sozialem Engagement

In konkreten Übungsfeldern werden Konflikt- und Risikosituationen für den jungen Menschen quasi „durchgespielt“, um ihm dabei zu helfen, für Probleme des Alltags positive Lösungen zu finden. Die Übungsfelder knüpfen im Lehrerhandbuch an das reale Umfeld des Heranwachsenden an, wie beispielsweise:

Teil 1: Ich und meine (neue) Gruppe

z.B. Thema 1.5: Wir sind damit fertig, andere fertig zu machen
„Mit „Fertigmachern“ können wir andere demütigen und ihnen klar machen, dass sie für uns unwichtig sind. Mit „Aufbauern“ können wir anderen zeigen, dass wir sie mögen und dass sie uns wichtig sind.“
In Gruppen gestalten die Schülerinnen und Schüler Poster mit aufbauenden Aussagen.

Teil 2: Stärkung des Selbstvertrauens

Die Schülerinnen und Schüler lernen in Thema 2.1 am Symbol eines dreibeinigen Hockers beispielsweise drei Quellen des Selbstvertrauens kennen: Fähigkeiten haben (Was kann ich?), sich anerkannt fühlen (Was mag ich an mir, was mögen andere an mir?) und Verantwortung für eigenes Handeln und Verhalten übernehmen (Wie setze ich meine Fähigkeiten ein?). Auf Postern stellen Schüler Antworten zusammen. Das stärkt den einzelnen Schüler bzw. die einzelne Schülerin – gerade auch die stilleren – und auch die Klassengemeinschaft.

Teil 3: Mit Gefühlen umgehen

Jugendliche lernen mit den Herausforderungen und Veränderungen ihres Lebens besser fertig zu werden, wenn sie verstehen, wie die Gefühle ihr Verhalten beeinflussen.
z.B. Thema 3.7: Bei Problemen einen kühlen Kopf bewahren

Teil 4: Die Beziehung zu meinen Freunden

Schülerinnen und Schüler erkennen, warum es wichtig ist, zu wissen, wie man echte Freunde findet und wie man solche Freundschaften stärken kann. Schülerinnen und Schüler lernen aber auch, mit negativem Gruppendruck angemessen umzugehen.
z.B. Thema 4.6: Mit Gruppendruck richtig umgehen.

Teil 5: Mein Zuhause

Die Familie hat für alle Kinder und Jugendliche zentrale Bedeutung. Unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse in einer Familie, die eigene Erwartung und Wünsche an die Familie, der Umgang mit Konflikten in der Familie werden ebenso angesprochen wie die Frage, was die Jugendlichen selbst zur Verbesserung der Beziehungen tun können.
z.B. Thema 5.8: Streitsachen – Familienbande

Teil 6: Es gibt Versuchungen

Entscheide dich z.B. Thema 6.9: Sag einfach Nein – Gar nicht so einfach
In dieser Reihe wird die Begegnung mit Süchten und Suchtmitteln thematisiert, vor allem aber die Frage, wie der Jugendliche verantwortliche Entscheidungen treffen kann. In einem Schritt zu Thema 6.9 werden z.B. fünf Arten einer selbstsicheren Ablehnung entwickelt: „Sag einfach Nein.“ / „Gib einen Grund an.“/ „Verwende Humor.“/ „Setze voraus, dass der andere es besser weiß.“/ „Suche Verbündete.“ Neben Informationen zu Sucht und Suchtverhalten werden hier auch die Wirkungen legaler und illegaler Suchtmittel, die Rolle der Werbung und Medien angesprochen.

Teil 7: Ich weiß, was ich will

z.B. Thema 7.5: Vier Schritte zu einem guten Ziel
Jugendliche leben von Perspektiven, von Träumen und Hoffnungen. Konkrete kurzfristige und langfristige Ziele, das Auffinden eines eigenen Standpunktes, Suche nach Verbündeten bei der Lebensplanung sowie mögliche Lebensentwürfe stehen im Mittelpunkt dieser Thematik.

Teil 8: Energizer – Aktivierungsspiele

z.B. Kennen lernen – Gemeinschaft fördern
Kennenlernspiele helfen, eine freundliche und vertrauensvolle Atmosphäre herzustellen. Beispielsweise bei „Namen und Bewegung“ stellt jeder Schüler, jede Schülerin sich vor, nennt seinen bzw. ihren Namen und begleitet diesen mit einer einfachen, kleinen Bewegung, z.B. „Philipp“ zappelt mit den Armen. Die Schülerinnen und Schüler kommen durch die Energizer in Bewegung, haben gemeinsam Spaß. Gemeinsames Tun und gemeinsam erlebter Spaß schafft eine Atmosphäre

Grundsätzliche Charakteristika

Lions-Quest „Erwachsen Werden“ zielt auf ein ganzheitliches Konzept hinsichtlich der Entwicklung des Jugendlichen und seines Reifeprozesses ab. Es spricht zwar Themen wie Gewalt an, in erster Linie geht es jedoch um die Herausbildung von Kompetenzen hinsichtlich der Lebensbewältigung. Der Heranwachsende soll Eigenständigkeit gewinnen und über sein Leben selbst entscheiden können. Hilfestellungen liefern dabei eine Fülle von Vorschlägen – meist in Form von Alternativen -, über die der Jugendliche nachdenken kann.

Deutliches Anliegen des Programms ist der Bereich Suchtgefahren. Das Vorgehen orientiert sich ausdrücklich an den Grundlagen der humanistischen Pädagogik, will keinesfalls als therapeutische Maßnahme verstanden werden.

Ein weiteres Charakteristikum des Programms liegt in seiner engen Verzahnung mit der Elternarbeit. Zu allen thematischen Schwerpunkten (siehe oben) werden gezielte Elterninformationen dargeboten. Zusätzlich liefert ein gesondertes Elternheft „Jahre der Überraschungen“ in fünf Kapiteln eine Reihe von Anregungen und konkreten Hilfen für die Eltern.

Lions-Quest „Erwachsen Werden“ ist alles andere als ein „kopflastiges“ theoretisches Programm. Dennoch ist die wissenschaftliche Grundlegung des Programms eine entscheidende Voraussetzung für die stringente Konzeption und die Aussagekraft der Einzelaussagen.

Konkrete Umsetzung des Programms

Die Autoren des Programms betonen ausdrücklich, dass es nicht Ziel des Programmes sein kann, sämtliche angebotenen Themeneinheiten zu bearbeiten. Zwar bauen die sieben Teile von „Erwachsen Werden“ aufeinander auf. Der Lehrkraft bleibt jedoch letztlich die Aufgabe, Schwerpunkte entsprechend der schulischen Situation und der Klasse zu setzen. Die Autoren betonen auch, dass soziales Lernen und der Erwerb von Lebenskompetenzen Zeit und ein regelmäßiges Training brauchen. Sie schlagen deshalb vor, je nach Einschätzung der Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler etwa vier bis acht Themenbereiche auszuwählen. Für die Behandlung jeder thematischen Einheit setzen die Verfasser – je nach Situation der Klasse – ein bis zwei Stunden an.

„Erwachsen Werden“ ist den Grundprinzipien der Life-Skills-Erziehung zuzuordnen. Die Beschäftigung mit dem Programm soll bewusst am Prozess, nicht so sehr an den Ergebnissen orientiert sein (Prozessorientierung). Dennoch soll versucht werden für vorhandene Probleme praktikable Lösungen zumindest aufzuzeigen (Lösungsorientierung). Die Verfasser rechnen auch fest mit der stärkeren Nutzung vorhandener Ressourcen bei Schülerinnen und Schülern (Ressourcenorientierung).

Das Programm setzt eine grundsätzlich veränderte Lehrerrolle bzw. eine deutlich stärkeren Empathie der Lehrkraft und weitere zusätzliche Qualitäten bzw. Kompetenzen voraus, u. a Geschick und Sensibilität im Umgang mit heiklen Situationen, ein hohes Maß an Zurückhaltung bis zur Kunst des Schweigens, vor allem aber die Bereitschaft, sich als Person einzubringen, der sich der Schüler anvertrauen und mit der sich der Schüler auch persönlich auseinandersetzen kann.

Bezugsquelle für das Programm

Das Materialpaket „Erwachsen werden“ ist nicht im Buchhandel erhältlich und setzt die Teilnahme an einem Einführungsseminar voraus. Die Autoren begründen diese Entscheidung damit, dass eine Theorie, die an Praxis und sinnliche Wahrnehmung gebunden wird, für künftiges Handeln leichter verfügbar ist. Damit soll die Lehrkraft auch die Möglichkeit haben, die gelernten Techniken selbst in kleinen Gruppen zu üben.

Der bisherige Zwischenstand der Ergebnisse der Evaluation zeigt folgende Tendenzen:

  • Der Tendenz, dass Jugendliche sich immer früher Suchtgefahren (z.B. Alkohol, Rauchen, Drogen) zuwenden, konnte nicht entscheidend entgegen gewirkt werden, wohl aber konnte ein früherer „Ausstieg“ bzw. die Aufgabe des Konsums positiv beeinflusst werden.
  • Das Klassenklima wurde durch das Programm spürbar verbessert.
  • Für eine stärkere Ausbildung von Selbstkompetenz geben die bisherigen Forschungsergebnisse keine deutlich verifizierbaren Anhaltspunkte.

Bezugsquelle des Programms und Ansprechpartner:
Ansprechpartner sind grundsätzlich alle deutschen Lions-Clubs.

Streitschlichterprogramm

Begriff und Entstehung

Die Konzeption des Streitschlichterprogramms ist ursprünglich abgeleitet vom Begriff der Mediation, d.h. der Vermittlung zwischen Konfliktparteien durch eine oder mehrere unparteiische Personen. Von Streitschlichtern spricht man generell, wenn Kinder und Jugendliche ihren gleichaltrigen oder jüngeren Mitschülern helfen, Konflikte friedlich beizulegen. Der Begriff kommt aus dem Angloamerikanischen, man spricht auch von Peer Mediation. Auch wenn Schülerinnen und Schüler auf diese Aufgabe vorbereitet werden, ist es eine Art Laienhilfe.

Die Streitschlichtermodelle haben in Deutschland seit Beginn der 90er Jahre hauptsächlich von den Haupt- und Grundschulen ihren Ausgang genommen, wurden wenig später jedoch auch erfolgreich an den Realschulen und Gymnasien praktiziert.

Grundlegende Zielsetzung

Der zugrunde liegende Gedanke geht von einer Mitbeteiligung und Mitverantwortung von Schülerinnen und Schülern innerhalb der Kommunikations- und Konfliktkultur der Schule aus. Es handelt sich auch um eine Art Delegationsprinzip, nämlich Probleme an der jeweils niedrigsten Ebene zu lösen, sofern sie dort lösbar sind. Lehrer können dabei von ihren Alltagskonflikten zumindest zum Teil entlastet werden. Hierbei kann allerdings die Kompetenz und Verantwortung der Lehrkraft nicht voll ersetzt werden und es gibt auch Grenzen für die Streitschlichtung von Schülern. Beipielsweise sollte die Einbeziehung von Schülern Expertenmeinung zufolge bei Mobbingprozessen ausdrücklich nicht stattfinden, weil mit dieser Aufgabe Schüler überfordert wären.

Kern der Streitschlichtung von Schülern ist, dass die Streitschlichter, die meist im Zweierteam arbeiten, den Standpunkt der Konfliktparteien darstellen und begründen lassen. Die Aufgabe der Streitschlichter besteht nun darin, diese Positionen zusammenzufassen und nach einer Lösung zu suchen, die den unterschiedlichen Kontrahenten bestmöglich gerecht wird.

Konkrete Umsetzung des Programms

Natürlich muss am Beginn eines solchen Modells eine Bedarfsanalyse stehen, eine bewusste Entscheidung der Schule für die Einführung oder nicht. Falls die Entscheidung positiv ausfällt, werden die Streitschlichter in einer Art Training auf ihre Aufgabe vorbereitet. Zunächst werden den künftigen Streitschlichtern in einem ersten Schritt nur die wichtigsten grundlegenden Kompetenzen der Konfliktregelung vermittelt wie Einleiten des Gesprächs, aktives Zuhören, Zusammenfassen der konträren Ansätze, Positionen und dahinter stehende Gefühle erkennen und Schlichtungsmöglichkeiten durch Fragen und Anreize auf den Weg bringen. Später können durch weitere Übungen weitere Kompetenzen erworben werden wie die das Agieren in interkulturellen Beziehungen (z.B. Sprachbarrieren, unterschiedliche Wertvorstellungen etc.).
Das Training und die Vorbereitung der Streitschlichter finden u. a. in praxisbezogenen Rollenspielen statt, bei der Weiterbildung von älteren Schülern wird auch einschlägige Literatur zugänglich gemacht.
In einem Zeitraum von vier bis acht Wochen werden die Streitschlichter intensiv zwischen 9 und 15 Stunden auf ihre Aufgabe vorbereitet. Die Vorbereitung wird dabei in der Regel von zwei Trainern durchgeführt, wobei auch eine schulexterne Person (z.B. Sozialpädagoge, Sozialarbeiter) einbezogen werden kann. Am Anfang werden selbständig durchgeführte Streitschlichtungen durch Supervision begleitet werden müssen, bis die Streitschlichter die notwendige Erfahrung und Sicherheit erwerben.

Der Ablauf der Streitschlichtung stellt sich in folgenden Phasen dar:

  • Einleitung des Gesprächs, Ziel der Schlichtung, Zusicherung der Vertraulichkeit, Erläuterung des Verfahrens
  • Vortragen der unterschiedlichen Standpunkte und Sichtweisen
  • Konfliktparteien formulieren ihre Standpunkte, Streitschlichter fassen zusammen
  • Konflikt auf den Punkt bringen, zugrunde liegende Gefühle klären
  • Problemlösung und Konsens anvisieren ->unterschiedliche Lösungsansätze vorschlagen, besprechen und bewerten
  • Vereinbarung treffen
  • vereinbarten Lösungsweg genau definieren, schriftlich festhalten, möglicherweise Folgetreffen vereinbaren

Häufig warten Streitschlichter/innen zu bestimmten Zeiten – z.B. in der großen Pause - darauf, von den Streitparteien oder auch von Lehrkräften auf schwelende Konfliktfälle angesprochen zu werden. In manchen Schulen gehen die Streitschlichter aktiv auf ihre Mitschüler/innen zu und bieten ihre Vermittlungsmöglichkeiten an.

Auswirkungen für das schulische Klima und die Streitschlichter selbst

Nach Einsatz der Streitschlichter an den Schulen gingen die Interventionen der Lehrkräfte um ca. 80 %, die der Schulleitungen bis zu 95 % zurück. Nicht nur für die Konfliktbeilegung wirkten sich die Streitschlichterprogramme günstig aus, sondern auch die Streitschlichter selbst profitierten davon. Durch das Erlernen grundsätzlicher sozialer und kommunikativer Fähigkeiten profitierten die Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihrer Sozialkompetenz und letztlich auch hinsichtlich ihrer Selbstkompetenz. Sie wurden reifer und selbstbewusster.

In einem Interview mit einer Tageszeitung äußerten Streitschlichter die Folgen ihre Aufgabe für sie selbst:

Franziska: „Ich habe zum Beispiel gelernt, aus ´Du-Sätzen` möglichst Ích-Sätze` zu machen, also bei Auseinandersetzungen Aussagen zu vermeiden, mit denen man immer mit dem Finger auf andere zeigt. Wie zum Beispiel ´Du hast das und das gemacht`.

King: „ Ich war in der fünften und sechsten Klasse eher so ein Draufgängertyp, ein bisschen wilder halt. Aber die Lehrer haben zu mir immer gesagt, ich hätte etwas Gutes in mir. Das hat mich dann dazu gebracht, dass ich doch zu den Streitschlichtern gegangen bin. Seitdem hat man nichts Schlechtes mehr von mir gehört.“

„ Meinen Freunden außerhalb der Schule ist natürlich aufgefallen, dass ich nicht mehr jeden Mist mitmache. (…) Als Schlichter habe ich auch nach der Schule meine Pflichten.“

( „Ich mache jetzt nicht mehr jeden Mist mit“, SZ Nr. 242,18.Okt. 2004,2)


Grenzen der Streitschlichtung durch Schüler und Unterstützung durch andere schulische Gremien

Wenn die Maßnahmen der ausgebildeten Streitschlichter keinen Erfolg haben, wird in der Regel eine Schlichtung durch eine in dieser Hinsicht ausgebildete Lehrkraft angestrebt, die einen Schiedsspruch fällt. In der letzten Instanz wird man nicht um die Schulleiterebene herumkommen.
Da die Schiedssprüche nicht von den Konfliktparteien selbst erarbeitete Lösungen darstellen, ist der Anreiz natürlich groß, einen Konflikt mit den Streitschlichtern anzustreben.

Befähigung der Lehrer zur Lösung von Konflikten



Evaluation

Die Ergebnisse der Evaluation, die an den Schulen natürlich sehr unterschiedlich ausfallen können, sollten in der Schule dargestellt werden. Hier bieten sich Pädagogische Konferenzen, Lehrerkonferenzen, Elternabende sowie Tage der offenen Tür an. Wichtig ist auch, dass den Streitschlichtern für ihr Engagement und ihren Einsatz in der Schulöffentlichkeit Anerkennung zuteil wird. (Vgl. Duden 2003, 62 f., 2004, 16 f., Streitschlichtung Schulmediation, 2005, 4)

Klasse 2000

Definition und Träger
Klasse2000 ist das bundesweit größte Unterrichtsprogramm zur Gesundheitsförderung, Sucht- und Gewaltvorbeugung bei Grundschulkindern. Träger ist der gemeinnützige Verein Programm Klasse 2000 e.V., der vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) als förderungswürdig anerkannt wird und seit 2005 das DZI Spenden-Siegel trägt. Klasse2000 entstand 1991 am Klinikum Nürnberg, wird laufend evaluiert und weiterentwickelt und hat in 20 Jahren über 825.000 Kinder erreicht.

Grundlegende Zielsetzungen
„Klasse2000“ begleitet Grundschulkinder von Klasse 1 bis 4. Das Programm vermittelt den Kindern eine positive Einstellung zur Gesundheit und stärkt ihre Gesundheits- und Lebenskompetenzen – denn starke Kinder brauchen weder Sucht noch Gewalt, um die Herausforderungen des Lebens bestehen zu können.

Klasse2000 hat folgende Ziele:

  • Kinder kennen ihren Körper und entwickeln eine positive Einstellung zur Gesundheit
  • Kinder kennen die Bedeutung von gesunder Ernährung und Bewegung und haben Freude an einem aktiven Leben
  • Kinder entwickeln persönliche und soziale Kompetenzen
  • Kinder lernen den kritischen Umgang mit Tabak, Alkohol und den Versprechen der Werbung
  • Das Umfeld der Kinder – Eltern, Schule, Gemeinde – unterstützt sie beim gesunden Aufwachsen

Themen und Arbeitsweise von Klasse2000
Klasse2000 wirkt frühzeitig und kontinuierlich. Pro Jahrgangsstufe umfasst es ca. 15 Unterrichtseinheiten mit folgenden Hauptthemen:

  • Bewegung und Entspannung
  • Gesund essen und trinken
  • Probleme und Konflikte gewaltfrei lösen
  • Sich selbst mögen und Freunde haben
  • Kritisch denken und Nein-Sagen, z. B. zu Alkohol und Tabak

Eine Besonderheit von Klasse2000 ist der Einsatz externer Gesundheitsförderer. Sie haben eine medizinische oder pädagogische Berufsausbildung - z. B. Ärzte, Sozialpädagogen, Ökotrophologen - und werden regelmäßig für ihre Klasse2000-Einsatz geschult. In Klasse 1 kommen sie zweimal, in Klasse 2-4 je drei mal und führen in besonderen Impulsstunden neue Themen ein. Dabei begeistern sie die Kinder mit Spielen, Aktionen und interessantem Material, z. B. Atemtrainer, Schwungtuch, Stethoskopen oder Gefühlebuch. Aufbauend auf den Stunden der Gesundheitsförderer vertiefen die Lehrkräfte diese Themen anhand praxiserprobter Unterrichtsvorschläge, die mit dem Lehrplan vereinbar sind. Das Klasse2000-Paket enthält außerdem alle benötigten Materialien, für jedes Kind ein Schülerheft pro Jahrgangsstufe, Elterninformationen mit praktischen Tipps sowie eine „Anleitung“ zur gesunden Schulentwicklung.

Klasse2000 setzt auf einen altersgerechten Unterricht, der Spaß macht und das Thema „Gesundheit“ mit positiven Erfahrungen verbindet. Dafür steht auch die Identifikationsfigur „KLARO“, mit der die Kinder erleben, was sie selbst tun können, damit es Ihnen gut geht. Die Eltern werden durch Informationsabende und regelmäßige Briefe eingebunden.

Gewaltprävention bei Klasse2000
In jeder Jahrgangsstufe verankert Klasse2000 Elemente der Gewaltprävention, entsprechend der Entwicklungsstufe des Kindes:
In Klasse 1 werden Regeln für „richtiges“ Zuhören und Sprechen sowie Kreisgespräche eingeführt. Die Kinder erfahren z. B. , dass sie sich dann in der Klasse wohlfühlen, wenn sie ausreden können und wenn keiner den anderen auslacht. In Klasse 2 und 3 lernen die Kinder mit „KLAROs Zauberformel“ ein einfaches Schema zur Lösung von Problemen und Konflikten kennen, sie üben das Erkennen und Benennen von Gefühlen (bei sich selbst und bei anderen) und erarbeiten Strategien zum Umgang mit unangenehmen Gefühlen, wie z. B. Angst und Wut. In Klasse 4 wird mit den Themen Alkohol und Zigaretten auch die Bedeutung von Freunden und Gruppen angesprochen, z. B. üben die Kinder in Rollenspielen, wie sich auch bei Gruppendruck zu ihrer Meinung stehen können und sich nicht ungünstig beeinflussen lassen.

Verbreitung des Programms
Über 385.000 Schulkinder aus 16.600 Klassen in allen Bundesländern haben allein im Schuljahr 2010/11 an dem Programm teilgenommen, das entspricht bundesweit 12 % aller Grundschulklassen. Das Programm Klasse2000 entspricht der Erkenntnis der Frühpädagogik, möglichst frühzeitig innerhalb der Entwicklung eines Kindes soziale Kompetenzen und damit das eigene Selbstwertgefühl zu fördern.

Evaluation
Klasse2000 gehört zu den wenigen evaluierten Präventionsprogrammen. Eine Längsschnittstudie (2005-09, durchgeführt vom IFT-Nord) zeigt die positive Wirkung des Programms auf den beginnenden Alkohol- und Nikotinkonsum der Kinder zu Beginn der 6. Klasse sowie auf ihr Gesundheitswissen und -bewusstsein.
• Frühere Klasse2000-Kinder sehen mehr Möglichkeiten, selbst etwas für ihre Gesundheit zu tun, als Kinder, die nicht an dem Programm teilgenommen haben.
• Sie nennen häufiger Ernährung als eine Möglichkeit, gesund zu bleiben.
• 3,3 % der ehemaligen Klasse2000-Kinder haben in der 6. Klasse schon mindestens einmal in ihrem Leben geraucht, bei der Kontrollgruppe sind es 10,1 %. Alkohol getrunken haben 12,3 % der Klasse2000-Kinder, aber 20,7 % der Kontrollgruppe.

Bezugsquelle des Programms und Ansprechpartner

Verein Programm Klasse2000 e.V., Feldgasse 37, 90489 Nürnberg
Tel. 0911/ 891210, Fax 89 121 30
E-Mail: info@klasse2000.de

Faustlos

Begriff und Entstehung

„Faustlos“ ist ein für die Grundschule und für den Kindergarten entwickeltes Curriculum, das impulsives und aggressives – und damit auch gewaltbereites - Verhalten von Kindern und Jugendlichen vermindern und ihre soziale Kompetenz erhöhen soll. Es ist die deutsche Version des amerikanischen Programms „Second step“ (Beland 1988), das vom Committee for Children in Seattle entwickelt wurde. Die Orginalmaterialien wurden in einem mehrstufigen Prozess übersetzt, im ständigen Feedbackverfahren mit Lehrkräften weiterentwickelt, evaluiert und für den deutschsprachigen Kulturraum angepasst. Inzwischen wird Faustlos in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingesetzt. Ein Curriculum wurde speziell für die Grundschule, eines speziell für den Kindergarten entwickelt. Nur das Heidelberger Präventionszentrum ist vom Comittee for Children autorisiert, Fortbildungen für „Faustlos“ durchzuführen.

Das Programm ist für Kinder im Vorschulalter und in der Grundschule für die Klassenstufen 1 bis 3 konzipiert. Das Grundschul-Curriculum besteht aus 51, das Kindergarten-Curriculum aus 28 Lektionen.

Grundlegende Zielsetzungen

„Faustlos“ ist ein organisch aufgebautes Konzept, das stufenweise Fähigkeiten in den folgenden Bereichen vermitteln will:

  • Empathie
  • Impulskontrolle und
  • Umgang mit Ärger und Wut

Empathie ist eine maßgebliche Voraussetzung für den Erwerb prosozialer Fähigkeiten und eine ebenso wichtige Voraussetzung für die Prävention von Aggressionsbereitschaft. Durch erworbene alters- und entwicklungsadäquate Einsichten und Kenntnisse soll ein vorhandener Mangel an sozialen Kompetenzen ausgeglichen werden, der eine konstruktive Form der Problem- und Konfliktbewältigung nicht zulässt. Hierdurch soll gewaltbereitem Handeln vorgebeugt werden.

Das Programm ist für Gruppen entwickelt und wendet sich an alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse. Die hinsichtlich Gewaltbereitschaft und Aggression besonders gefährdeten Kinder verbleiben ebenfalls im Klassenverband und werden nicht ausgegrenzt.

Die Fähigkeiten im Bereich der Empathie (Einheit I), der Impulskontrolle und des Umgangs mit Ärger und Wut werden an Hand eines sehr sorgfältig ausgewählten fotografischen Materials regelrecht trainiert. Es handelt sich um Szenen aus dem entsprechenden Umfeld und aus der entsprechenden Altersgruppe.

So sollen die Kinder beispielsweise beim Empathietraining Gefühle ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler, Ähnlichkeiten und Unterschiede von Verhaltensweisen von Mitschülerinnen und Mitschülern in der gleichen Situation erkennen, das Verändern von Gefühlen beurteilen lernen sowie lernen, Gefühle mitzuteilen. Schülerinnen und Schüler sollen Freude, Trauer etc. erkennen, um dementsprechend einfühlsam bzw. angemessen handeln zu können. Zentral ist dabei immer wieder eine „Erziehung der Gefühle“, denn die Kompetenzen, die Kinder benötigen, um mit ihren aggressiven Impulsen konstruktiv umzugehen und um gute Beziehungen zu anderen aufzunehmen wie aufrechtzuerhalten, werden meist nur am Rande des erzieherischen Alltags thematisiert und eingeübt.

In allen Lektionen werden die Übungen mit dem fotografischen Material durch weitere Rollenspiele und Übungen, die die Einsichten des Kindes vertiefen sollen, unterstützt.

Die Kontrolle impulsiven Verhaltens ist der zweite Baustein der Faustlos-Curricula. Häufig sind es gerade impulsive Handlungen von Kindern, die – oftmals so gar nicht beabsichtigt – Konflikte heraufbeschwören. In der Einheit Impulskontrolle (Einheit II) werden schwierige oder konflikthafte Situationen angesprochen, bei denen zwei erfolgreiche Strategien miteinander verbunden werden, nämlich ein Problemlöseverfahren und die Übung einzelner sozial kompetenter Verhaltensweisen. In einem Fall geht es zum Beispiel darum, zum richtigen Zeitpunkt bei einem Spiel oder einer Tätigkeit mitzumachen (Klasse 2, Lektion 11). Auch bei der Impulskontrolle werden Übungen in den jeweils höheren Klassenstufen - auf einem jeweils höherem Level und auf andere Situationen übertragen – wiederholt. Wesentliches Ziel des spielerischen Einübens neuer Verhaltensweisen ist auch hier, Kinder darin zu fördern, sich in sozialen Situationen angemessen und erfolgreich zu verhalten.

Ähnlich wird in Einheit III: „Umgang mit Ärger und Wut“ verfahren. Ziel dieser in allen drei Klassenstufen durchgeführten Lerneinheit ist, Techniken zur Stressreduktion zu vermitteln, um Ärger und Wut abzubauen zu lernen. Es geht dabei nicht darum, vordergründig Wut und Ärger zu unterdrücken, sondern um das daraus sich möglicherweise ergebende destruktive Verhalten zu korrigieren. Kinder sollen zur Lösung sozialer Probleme ermutigt werden. Auch zu diesem Komplex werden viele weitere Themen und Situationen ergänzend angesprochen.

Grundsätzliches Charakteristikum

Das Programm „Faustlos“ setzt auf die Erkenntnis der Frühpädagogik, dass effektive Gewaltpräventionsansätze möglichst früh in der Entwicklung von Kindern ansetzen sollten. Mit Hilfe der durchgeführten Lektionen werden bewährte Strategien zur Problemlösung eingeübt und so das Verhaltensrepertoire von Grundschul- und Kindergartenkindern erweitert. Verstärkungstechniken sollen dem Schüler bzw. der Schülerin das eigene Verhalten immer wieder bewusst machen, Sprachmuster können helfen sich und anderen die eigene Gefühlslage klar zu machen. In Zusammenhang mit dem Erwerb dieser sozialen Fähigkeiten wird die Vermeidung von Regelverletzungen und von Gewaltbereitschaft auch direkt angesprochen, z.B.:

  • Lektion 17 (Klasse 2): Druck von Gleichaltrigen - „Kinder müssen lernen, dass es in Ordnung ist 'nein' zu sagen, und dass sie nicht verletzt oder böse sein müssen, wenn ihnen gegenüber jemand 'nein' sagt.“
  • Lektion 18 (Klasse 3): Der Versuchung zu stehlen widerstehen - „Die Konsequenzen von kleineren Regelverletzungen unterscheiden sich nur wenig von denen größerer, der Schaden für die Beziehung ist jedoch der gleiche.“
  • Lektion 11 (Klasse 2) : Absichten - „Deshalb ist es wichtig, den Kindern die Gelegenheit zu geben, zwischen unbeabsichtigten und beabsichtigten Handlungen zu unterscheiden, um anderen gegenüber sensibel zu reagieren. Diese Fähigkeit ist besonders für aggressive Kinder bedeutsam, da sie jedes Schubsen als einen beabsichtigten feindseligen Akt interpretieren.“
  • Lektion 10 (Klasse 2): Ursache und Wirkung - „Die Unfähigkeit, Ursache und Wirkung miteinander zu verknüpfen, ist für viele jugendliche und junge Gewalttäter charakteristisch.“

Konkrete Umsetzung des Programms

Der Einführung des Programms geht ein ein- oder zweitägiges Training der Lehrkräfte voraus. Die Vermittlung des fotografischen Materials erfolgt über anspruchsvolle farbige Fotofolien. Die einzelnen Lektionen werden durch ein gesondertes Anweisungsheft vermittelt. Für die Hintergrundinformationen steht das Lehrerhandbuch zur Verfügung.

Evaluation

Bei einer Evaluationsstudie an Ostallgäuer Grundschulen gaben Lehrkräfte als das zentrale Problem bei der Durchführung des Programms den Zeitmangel und den teilweise gleichförmigen Stundenverlauf an. Im Allgemeinen erscheint die Zuordnung von einzelnen „Faustlos“-Lektionen zu Inhalten des bayerischen Grundschullehrplans möglich, das Curriculum als Ganzes lässt sich allerdings nur unzureichend mit den Inhalten des bayerischen Lehrplans für die Grundschule verknüpfen.

Bereits nach durchschnittlich 20 durchgeführten Lektionen stellten die Lehrkräfte kleine aber deutliche Veränderungen bei den Kindern fest. 66 Prozent der Lehrkräfte gaben an, dass die Kinder durch „Faustlos“ häufiger versuchen würden, faire Lösungen zu finden. Für alle drei Bereiche Empathie, Impulskontrolle und Aggressives Verhalten zeigten sich positive Veränderungstendenzen.

Das Programm „Faustlos“ wird durch die Stiftung „Bündnis für Kinder – gegen Gewalt“ unterstützt und seitens des Bayerischen Sozialministeriums positiv hervorgehoben.

Bezugsquelle des Programms

Die Unterrichtsmaterialien sind beim Hogrefe-Verlag erhältlich (498 Euro).

Für Fragen zur Einführung des Trainings, der Supervision und Evaluation:
Prof. Dr. med Manfred Cierpka
Abteilung für Psychosomatische Kooperationsforschung und
Familientherapie der Universität Heidelberg
Bergheimer Str. 54, 69115 Heidelberg
Tel. 06221/564701
Fax: 06221/564702
Email: manfred_cierpka@med.uni-heidelberg.de

Zammgrauft

Begriff und Entstehung

Der Titel des Programms „zammgrauft“ ist ein bewusster Appell an den bayerischen Sprachraum, in dem dieses Programm entstanden ist. Auch die Titel der Nachfolgeprogramme „aufgschaut“ und „sauber bleim“ sind in der bayerischen Mundart gehalten.

Das Programm ist als Polizeikurs für Jugendliche und Erwachsene in Zusammenarbeit mit dem Präventionskommissariat und den Jugendbeamten des Polizeipräsidiums München entstanden. Die Themen reichen von Antigewalt bis Zivilcourage. Die Verfasser weisen ausdrücklich darauf hin, dass sich die Projekte auf das Stadtgebiet und den Landkreis München beschränken. Inzwischen findet das Programm auch Anwendung durch den Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Als Basis diente ursprünglich das Material eines Anti-Gewalt-Projekts des Polizeipräsidiums Dortmund. Unersetzlich sind die vielen Erfahrungen aus der täglichen Arbeit von Polizeibeamten/innen an Schulen, auf der Straße, in Freizeittreffs sowie aus der polizeilichen Opferberatung, die in das Projekt eingeflossen sind.

Grundlegende Zielsetzungen

Die Gestalter des Programms gehen davon aus, dass die meisten Menschen bereits als Kinder und Jugendliche Gewalterfahrungen in unterschiedlicher Form machen. Deshalb sind in entsprechend großen Gruppen wie Schulklassen und Freizeittreffs ihrer Ansicht nach sowohl Täter als auch Opfer vorhanden.

Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren. Das Programm wendet sich an Multiplikatoren. Es sollen Lehrkräfte, Erzieher, Sozialpädagogen sowie Leiter von Wohngruppen ausgebildet werden. Die Fortbildung wird in der Regel durch die Jugendbeamten des Polizeipräsidiums München übernommen.

In erster Linie soll die Sensibilisierung für Gewalt und für die Opfer erreicht und die Zivilcourage gestärkt werden. Im Einzelnen werden folgende Ziele formuliert:

Förderung von Anti-Gewalt-Strategien durch:

  • Förderung von Anti-Gewalt-Strategien durch:
    • Sensibilisierung für verschiedene Formen von Gewalt
    • Sensibilisierung für Opfer
    • Sensibilisierung für die Verletzlichkeit des Körpers
    • Erkennen von Faktoren der Eskalation in einer Auseinandersetzung
    • Aufzeigen von Handlungsalternativen
  • Förderung der Zivilcourage durch:
    • Erlernen eines optimalen Opfer- und Helferverhaltens
    • Vermittlung eines adäquaten Zeugenverhaltens
    • Sensibilisierung für Notsituationen
    • Vermittlung der Bedeutung zivilcouragierten Handelns
  • Förderung der Gemeinschaft durch:
    • Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit
    • Erarbeitung eines akzeptierten Regelkatalogs
    • Integration und Toleranz
    • Empathiefähigkeit
  • Förderung des Vertrauens durch:
    • Gemeinsame emotionale Erfahrungen
    • Erfahrungen in körperlichen und psychischen Grenzsituationen
    • Übernahme von Verantwortung
    • Kurzzeitiger Verlust der Selbstkontrolle

    Im spielerischen Rahmen werden die oben genannten Ziele eingeübt. Außerdem wird Gewalt im allgemeinen thematisiert sowie deren verschiedene Formen wie körperliche Gewalt, Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit oder Mobbing veranschaulicht. Ergänzend dazu werden Strategien entwickelt, die geeignet sind, Gewalt zu verhindern oder deren Eskalation einzudämmen.

    Grundsätzliche Charakteristika

    Auf den ersten Blick erscheinen die Ziele ähnlich wie bei anderen Programmen dieser Art. Besonderheiten stellen jedoch die in das Programm eingehende Erfahrungspraxis der Polizeiarbeit (s.o.) und die enge Zusammenarbeit zwischen dem Polizeipräsidium München (Präventionskommissariat) und dem Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialpsychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München dar, die eine stetige Weiterentwicklung ermöglichen.
    Das „zammgrauft“-Training basiert ferner ausschließlich auf praktischen Verhaltensübungen und Rollenspielen, in denen die Schülerinnen und Schüler sich selbst in ihren Verhaltensweisen und Reaktionen erfahren können. Die Lernziele werden durch sie selbst anschließend in einer Gruppendiskussion herausgearbeitet.

    Das Projekt stellt weder speziell die Opfer von Gewalt in den Mittelpunkt noch im Unterricht störanfällige oder besonders gewaltbereite Schülerinnen und Schüler. Vielmehr steht die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler im Blickpunkt des Interesses, die gestärkt werden soll, um bei Problem - oder Konfliktsituationen adäquat reagieren zu können. Im kleinen – und somit vertrauten - Rahmen soll gewaltfreies, sozial kompetentes Handeln eingeübt werden, um damit die Zahl der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen, die Mut zur Zivilcourage besitzen.

    Konkrete Umsetzung des Programms

    Die Durchführung des praktisch orientierten Teiles findet im Rahmen eines zweitägigen Kurses statt. Die konkrete Umsetzung des Projekts in den Schulklassen und Jugendgruppen leisten Multiplikatoren, die in einem dreitägigen Training durch das Präventionskommissariat des Polizeipräsidiums München ausgebildet werden. Es handelt sich dabei um Polizeibeamte, Lehrkräfte sowie Sozialpädagogen und Erzieher. Von Seiten des Polizeipräsidiums wird empfohlen, das Training mit zwei Moderatoren im Team durchzuführen. Da zwischenzeitlich sämtliche 46 Jugendbeamte sowie viele Sozialpädagogen der Jugendtreffs in München ausgebildet sind, bietet sich auch eine Teambildung mit anderen Einrichtungen im Rahmen der Vernetzung an.

    Bei der Durchführung des Programms gibt es sowohl eine Vorbereitung sowie eine Nachbereitung.

    Evaluation

    Seit dem ersten Training für Multiplikatoren wurden bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwa 1300 Personen ausgebildet und tausende Schülerinnen und Schüler erreicht.

    Als ein nicht unerheblicher Nebeneffekt des Programms scheint sich bei den Teilnehmern das bestehende Bild von der Polizei stark verändert zu haben, indem es gelungen ist, existierende Klischees abzubauen.

    Der Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialpsychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München hat die Evaluation des Programms durchgeführt. Die Ergebnisse der Evaluation zeigen, dass sich nicht nur das Wissen, was man in Notsituationen tun sollte, erhöht hat, sondern auch die wahrgenommene Verantwortlichkeit, in solchen Situationen einzuschreiten. Ebenso steigen die subjektive Sicherheit tatsächlich einzuschreiten sowie die Beurteilung der eigenen Kompetenzen im Umgang mit kritischen Situationen. Vgl. hierzu die folgenden beiden Abbildungen:



    Bezugsquelle des Programms und Ansprechpartner

    Polizeipräsidium München
    Kommissariat 314
    Ettstraße 2
    80333 München
    Ansprechpartner: Kriminalkommissar Ralph Kappelmeier
    Telefon: 089/ 2910 - 0
    Telefax: 089/ 2910 – 4400
    E-Mail: pp-mue.muenchen.k314@polizei.bayern.de

Mit mir nicht

Das "Mit mir nicht!"-Programm zur Persönlichkeitsentwicklung und -stärkung hilft bei der Prävention von Missbrauch, Gewalt und Süchten. Alle bayerischen Grund- und Förderschulen sind mit den entsprechenden Materialien ausgestattet worden.

Das Kultusministerium und der Landesverband Bayern der Betriebskrankenkassen (BKK) haben im Jahr 2006 alle Grundschulen in Bayern mit Materialien ausgestattet, die die Lehrerinnen und Lehrer dabei unterstützen, Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl der Kinder zu stärken und ihnen Lebenskompetenz zu vermitteln.
Zahlreiche Studien zeigen, dass junge Menschen teilweise nur unzulänglich mit entsprechenden Lebenskompetenzen ausgestattet sind. Das heißt, dass sie häufig weder zu einem angemessenen Umgang mit ihren Mitmenschen noch mit Problemen und Stress-Situationen im täglichen Leben in der Lage sind. Allgemeine Veränderungen in der Gesellschaft – wie z. B. in den Familienstrukturen – bringen es mit sich, dass der Sozialisierungsprozess nicht immer auf wünschenswerte Weise positiv gestaltet werden kann. Um diesem Trend entgegenzuwirken und weil die Förderung der Lebenskompetenz eine wirksame präventive Maßnahme gegen Gewalt, Sucht und Drogenmissbrauch ist, haben Staatsminister Siegfried Schneider und Gerhard Schulte, Vorstandsvorsitzender des BKK Landesverbandes Bayern vereinbart, mit dem „Mit mir nicht!“- Programm landesweit alle in diese Richtung gehenden pädagogischen Möglichkeiten zu mobilisieren.



Die Lehrkräfte der Grund- und Förderschulen erhalten mit dem „Mit mir nicht!“- Programm eine breite Auswahl von Materialien und Anleitungen, die es ihnen ermöglichen, die ihnen anvertrauten jungen Menschen in einer klar strukturierten „Lebenskompetenz-Erziehung“ zu fördern und sie auf eine eigenverantwortliche Auseinandersetzung mit Konflikt- und Risikosituationen vorzubereiten. Ziel ist es, die Kinder und Jugendlichen in die Lage zu versetzen, ihr Selbstwertgefühl zu entwickeln, ihren Lebensmut zu fördern, sie zu aktiver und kreativer Lebensgestaltung zu motivieren und sie konfliktfähig für die Bewältigung schwieriger Lebensphasen zu machen.

Die Lehrkräfte wurden seit Mai 2006 in einem landesweit ablaufenden Programm in Workshops auf „Mit mir nicht!“ eingestimmt und vorbereitet. Dabei erhielten Vertreter aller Grund- und Förderschulen jeweils eine „Mit mir nicht!“-Kinderschutz-Box, deren Materialien und pädagogische Anregungen Lehrerinnen und Lehrer – als Erweiterung ihres methodischen Repertoires – in die Lage versetzen, den Kindern

  • negative Gefühle, Gewalt, Aggression, Resignation, Perspektivlosigkeit und Apathie (insbesondere über die realen Einflussmöglichkeiten in der eigenen Lebenswelt bzw. im eigenen Alltag) bewusst zu machen und zu reflektieren,
  • Wege zu positiven Lösungen und zur Überführung in Motivation zu zeigen („Ich kann etwas bewirken und etwas verändern“) und
  • Mut zum Handeln und zur Entwicklung sozialer Phantasie und Kreativität zu machen.

Dies soll erreicht werden, indem die Lehrerinnen und Lehrer

  • thematische Sachbezüge – bezogen auf die sozialen und gesellschaftlichen Probleme der Kinder – herstellen,
  • emotionale Bezüge ermöglichen und Bedürfnissen und Gefühlen (wie Lust und Spaß) Raum und Zeit geben,
  • sinnliche Erkenntnis wie Wahrnehmen, Sehen, Hören, Anfassen, Erfassen, Begreifen fördern, also für „ganzheitliches Lernen“ sorgen, und
  • rationale Erkenntnis (Sprechen, Denken, Erkennen, Verstehen der eigenen Lebenswelt) und Handlungsorientierung vermitteln.



Die „Mit mir nicht!“-Kinderschutz-Box enthält über 20 verschiedene Hilfsmittel und ein Handbuch mit detaillierten Anleitungen für rund 70 Spiele, zum Gebrauch der verschiedenen Materialien bzw. mit Anregungen zur Unterrichtsgestaltung sowie mit inhaltlichen Einführungen zum Thema „Vermittlung psychosozialer Kompetenz“. Die Lehrmaterialien sind von erfahrenen Lehrkräften einer intensiven kritischen Erprobung und Prüfung unterzogen worden. Sie berücksichtigen die didaktischen und methodischen Erfordernisse in den Grundschulen und entsprechen nicht nur der Bildungs- und Erziehungsaufgabe „Gesundheitserziehung“, sondern auch den zur Entwicklung der Persönlichkeit formulierten allgemeinen Grundlagen und Leitlinien der Grundschulen. Sie bedienen sich jener Formen, Mittel und Methoden, die eine kindgerechte Art des Lernens und Verstehens ermöglichen, und sind so gestaltet, dass die Lehrkräfte mit den Kindern u. a. spielen, malen, erzählen, vorlesen, lesen, diskutieren, Bilder interpretieren bzw. mithilfe von Stationen offen unterrichten können.

Gemeinsam Klasse sein

Konzept und Zielsetzung

In Kooperation mit der Techniker Krankenkasse bietet das Staatsministerium für Unterricht und Kultus nunmehr mit „Gemeinsam Klasse sein“ die Weiterentwicklung des erfolgreich eingesetzten „Anti-Mobbing-Koffers“ allen weiterführenden Schulen in Bayern an. „Gemeinsam Klasse sein" bietet u.a. Schulungsfilme, Übungen oder Rollenspiele, die präventiv gegen Mobbing und Cybermobbing arbeiten.

Die Schülerinnen und Schüler erforschen in Übungen, Rollenspielen und Gesprächen, wie sie positiv und konstruktiv miteinander umgehen können. Verschiedene Filme und Erklärvideos machen deutlich, welche Folgen Mobbing für die Betroffenen hat und was die Schülerinnen und Schüler selbst tun können, um Mobbing gar nicht erst entstehen zu lassen. Das Ziel: Die Klasse entwickelt eine solide Basis dafür, dass sie eine tragfähige Gemeinschaft für die Zukunft wird.

 

Schulung und Kontakt

Vor allem Lehrkräfte der Jahrgangsstufen 5-7 und staatliche Schulsozialpädagoginnen bzw. Schulsozialpädagogen können sich für die vorbereitende Schulung durch erfahrene Anti-Mobbing-Koordinatoren bzw. -Multiplikatoren der Staatlichen Schulberatungsstellen anmelden, bei der sie einen Zugangscode für die Online-Plattform des Projekts erhalten. Diese Plattform bietet alle Materialien wie Leitfäden, Filme, Arbeitsblätter und Übungen zum Download an. Auch liefert sie weiterführende Hinweise für Schulen, zum Beispiel zu den Themen Mobbing-Intervention, Einbeziehung der Elternschaft sowie Tipps zur Weiterarbeit und Sicherung der Nachhaltigkeit.

Interessierte Schulen nehmen zunächst Kontakt zu den regionalen Koordinatorinnen und Koordinatoren an den Staatlichen Schulberatungsstellen auf, um die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Durchführung des Projektes zu erörtern (https://www.gemeinsam-klasse-sein.de/anti-mobbing/projektinformationen/projektteilnehmer-2039966).

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Gewalt

Was sind die typischen Erscheinungsformen von Gewalt in der Schule?

Sachbeschädigung
Ein Beispiel: Schriftliche Abiturprüfung an einem Gymnasium. Um die Prüflinge vom Außenlärm abzuschirmen, wird der Zugang zu einem schulischen Trakt versperrt. Schüler, die aus der Pause kommen, finden den normalen Zugangsweg nicht mehr vor und müssen einen Umweg gehen. Wenig später ist die versperrte Tür mit Gewalt eingetreten. Nachforschungen mit Hilfe des Hausmeisters führen zu keinem Erfolg. Ein Gespräch seitens der Schulleitung löst in einer bestimmten Klasse zumindest betretene Mienen aus. Welche weiteren Gegenmaßnahmen gibt es, um dieser Form von Gewalt zu begegnen?

Graffitis
Graffitis an Schulwänden verursachen alljährlich Schäden in Millionenhöhe.
Das Polizeipräsidium München beispielsweise hat zur Ermittlung und zur Prävention dieser Sachschäden eigens eine Koordinierungsgruppe eingerichtet, die mit den Schulen eng zusammenarbeitet.
Dabei geht es nicht nur um die Verhütung der finanziellen Schäden, sondern auch darum, den Täter bzw. die Täterin rechtzeitig daran zu hindern, in dieser Art fortzufahren und damit sich und seine Familie möglicherweise auf Jahre hinaus finanziell zu ruinieren.

Diebstahl
Ein Beispiel: Zwischen dem Stundenwechsel muss sich die Sportlehrkraft, die aus dem Fachunterricht im benachbarten Lehrgebäude kommt, beeilen. Bei Beginn des Sportunterrichts bleiben ausnahmsweise die Türen der Umkleideräume unverschlossen. Langfinger – ob aus der Schule oder außerhalb – benutzen die Gelegenheit: Am Ende der Sportstunde stellen Schüler beim Umkleiden fest, dass größere Beträge an Bargeld und teilweise wertvolle Uhren fehlen. Welche Maßnahmen gibt es? Außer dem Appell an die Sportlehrkräfte, die Umkleideräume stets verschlossen zu halten, und an die Eltern, Schülerinnen und Schülern keine größeren Barbeträge und wertvolle Gegenstände mit in die Schule zu geben?

Hänseleien und Mobbing
Ein Beispiel: Sophie ist mit ihren Eltern aus einem anderen Bundesland nach Bayern zugezogen. Zunächst fällt ihr die Eingewöhnung in die neue Schule nicht leicht. Die Lehrkräfte sind nett zu ihr, aber die Klasse, in die sie gesetzt wird, ist zunächst neugierig auf die Neue, reagiert dann aber mit Zurückhaltung. Besonders Vanessa scheint sie nicht zu mögen. Als sie wenig später eine 1 in Englisch erhält und von den Lehrkräften der Klasse gelobt wird, beginnen kleine Sticheleien. Auf einmal ist ihr Schulranzen, der vor dem Musikzimmer lag, weg. Man findet ihn zwar später an einem Außenfenster, aber Sophie ist erst einmal betroffen. Ihre Verunsicherung wächst, als sie merkt, dass die übrigen Mädchen der Klasse sie in den Pausen von der Gruppe ausschließen und man über sie zu tuscheln beginnt. Auch der Gang ihrer Mutter zur Klassenlehrerin ändert nicht viel an ihrer Situation. Sie fühlt sich in der Schule zunehmend unwohl und hat bisweilen Angst am nächsten Tag in die Schule zu gehen. Immer häufiger bekommt sie schließlich Kopfschmerzen, Erkältungen.

Prügeleien
Ein Beispiel: Nach mehreren vorausgehenden Reibereien beschimpft Thomas seinen Mitschüler Markus mit den Worten, seine Mutter sei eine Schlampe. Nach dem Unterricht im Pausenhof geht es dann zur Sache. Die Lehrkräfte der Klasse erfahren von den Streitigkeiten erst, als die Eltern von Markus in der Sprechstunde des Direktors sich über die mangelnde Aufsicht der Lehrkräfte bzw. die zu große Nachsicht bei Raufereien beschweren. Aus Erfahrung weiß man, dass Wegsehen von Lehrkräften bei Gewalthandlungen für die weitere Entwicklung des Konfliktpotenzials an der Schule insgesamt verhängnisvolle Folgen haben kann. Der Jugendbericht 2005 des Bayerischen Landeskriminalamtes verzeichnet schon bei den 14-17-jährigen Schülerinnen und Schülern bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung von 1997 bis 2005 eine Zunahme von 56 Prozent.

Sexuelle Übergriffe
Auch wenn die Opferzahlen beim sexuellen Missbrauch nur geringen Schwankungen unterliegen und nicht kontinuierlich zunehmen, so kommt der Prävention gegen sexuellen Missbrauch angesichts der aktuellen Fälle von Gewalt und Missbrauch eine besondere Bedeutung zu. Gerade die Schule – ein Ort, der für die Schülerinnen und Schüler ein Lebens- und Schutzraum sein sollte – muss sich dieser Herausforderung stellen. Auch bei vermeintlich harmlosen Körperkontakten ist angesichts der Abhängigkeit des Schülers vom Lehrer eine besondere Verantwortlichkeit geboten.

Nimmt die Gewalt an den Schulen zu oder ab?

Entgegen allen aktuellen Zeitungsmeldungen gibt es einige Hinweise dafür, dass die Zahl der gewalttätigen Auseinandersetzungen an deutschen Schulen seit 1993 deutlich zurückgegangen ist. Nach Angaben des Bundesverbandes der Unfallkassen werden zwar bei Raufereien an deutschen Schulen jeden Tag durchschnittlich 250 Schülerinnen und Schüler so stark verletzt, dass ein Arzt hinzugezogen werden muss. Aber die Zahl dieser Unfälle je 1.000 Schüler betrug 2003 damit nur noch 11,3, während sie im Jahr 1993 noch bei 15,5 gelegen hatte. Bundesweit gesehen verzeichnete der Verband 2003 insgesamt 9.395 Raufunfälle.

Besonders deutlich zeichnet sich ein Rückgang der Unfallrate an den Hauptschulen ab. Dort sank die Unfallrate von 48,6 im Jahr 1993 auf 32,8 im Jahr 2003. Dennoch stehen die Hauptschulen mit den Verletzungen an der Spitze aller Schularten, während die Gymnasien mit 5,7 die geringste Rate aufweisen. (Pädagogik 10/05, 58)

Als einen weiteren Hinweis gegen die wachsende Brutalität von Jugendlichen im Allgemeinen spricht der laut Polizeistatistik (PKS) bundesweit gesehen schon seit 1991 einsetzende Rückgang der Tötungsdelikte. Auch bei den Raubdelikten zeichnet sich laut PKS seit 1997 eine ähnlich positive Tendenz ab. Trotz steigender Aufklärungsquote ist bei den Raubdelikten insgesamt die Zahl der Tatverdächtigen pro 100 000 Jugendlichen immerhin um ein Fünftel zurückgegangen.

Die ersten Befunde einer Schülerbefragung im Rahmen einer Dunkelfeldanalyse des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) 2005 in München, Stuttgart und Schwäbisch Gmünd zeigen ebenfalls einen Rückgang der Gewaltbereitschaft. In den drei genannten Städten wurde bei einem repräsentativen Querschnitt von mehr als 6000 Schülern festgestellt, dass 2004 in allen drei Städten im Vergleich zu 1997 sowohl das Opferrisiko als auch die Häufigkeit eigener Gewalttaten fünf bis zehn Prozent gesunken ist.
(Pfeiffer 2005, 2)

Auch das Bayerische Landeskriminalamt kommt im Jugendbericht 2005 im Vergleich zum Vorjahr 2004 zu einem Rückgang der Straftaten bei der „Tatörtlichkeit Schule“. Allerdings ist ein Ab- oder Aufschwung der Entwicklung stets vor dem Hintergrund der relativ geringen absoluten Zahlen zu bewerten. ( Steffen Pressebericht 2006)

Im Jugendbericht 2005 wurden an der „Tatörtlichkeit Schule“ insgesamt 9.580 Straftaten registriert, 8 Prozent (oder 827 Fälle absolut gesehen) weniger als 2004. Von den insgesamt registrierten Straftaten waren

  • 42,9 Prozent (4.106 Fälle) Diebstähle, 6,3 Prozent weniger als 2004 (4.382 Diebstähle, 42,1 Prozent aller Straftaten),
  • 17,8 Prozent (1.704 Fälle) Körperverletzungen, 8,9 Prozent weniger als 2004 (1.866 Körperverletzungen, 17,9 Prozent aller Straftaten),
  • 13,4 Prozent (1.279 Fälle) Sachbeschädigungen, 2,7 Prozent weniger als 2004 (1.314 Sachbeschädigungen, 12,6 Prozent aller Straftaten),
  • 4,1 Prozent (394 Fälle) Rauschgiftdelikte, 19,4 Prozent weniger als 2004 (489 Rauschgiftdelikte, 4,7 Prozent aller Straftaten) und
  • 25,2 Prozent (149 Fälle) weniger Delikte der Gewaltkriminalität, wobei
  • es sich hierbei in der Regel um gefährliche (und schwere) Körperverletzungen handelte, die überwiegend gemeinschaftlich begangen worden sind.

Die Rückgänge in den Registrierungshäufigkeiten zeigen sich bei allen in den Vergleich einbezogenen Straftaten, auch bei den Körperverletzungen und den Rauschgiftdelikten, deren Anzahl 2004 gegenüber 2003 noch um 36,8 Prozent bzw. 6,8 Prozent zugenommen hatte.

Im längerfristigen Vergleich 1997 bis 2005 ist die Tatörtlichkeit Schule durch deutliche Zunahmen der insgesamt registrierten Straftaten von 1999 bis 2002 gekennzeichnet, einem Rückgang 2003, einem erneuten Anstieg im Jahr 2004 und 2005 wieder durch einen Rückgang.

Im längerfristigen Vergleich sind die Straftaten mit „Tatörtlichkeit Schule“ unzweifelhaft angestiegen. Der Anstieg der gesamten Straftaten (absolut gesehen 2.048 Fälle) belief sich auf 27,2 Prozent.

  • Körperverletzungen stiegen um 56 Prozent (612 Fälle),
  • Rauschgiftdelikte um 51,5 Prozent (134 Fälle)
  • Sachbeschädigungen um 33,2 Prozent (319 Fälle) und
  • Diebstahlsdelikte um 8,3 Prozent (314 Fälle) an.



Dabei muss man wissen, dass sämtliche Delikte, die im Bereich der Schule – im Schulgebäude selbst oder auf dem Schulgelände – verübt und angezeigt worden sind, unter der „Tatörtlichkeit Schule“ ausgewiesen werden. „Tatörtlichkeit Schule“ heißt deshalb nicht zwangsläufig, dass es sich in jedem Fall bei den Tatverdächtigen und Opfern um Schüler/innen, Lehrer/innen oder sonstige Schulangehörige handelt. Nicht erfasst werden die Straftaten, die etwa auf dem Schulweg, in den Wartebereichen der öffentlichen Verkehrsbetriebe oder in Schulbussen begangen werden.

Delikte der Gewaltkriminalität an der „Tatörtlichkeit Schule“ stehen im besonderen Blickpunkt des Interesses.



Der Kurvenverlauf bei der Gewaltkriminalität zeigt im Jahr 2000 einen deutlichen Anstieg, ein weiterer Höhepunkt wird 2004 erreicht, dem im Jahr 2005 ein deutlicher Abschwung folgt. Insgesamt gesehen ist das Niveau der Gewaltkriminalität im Jahr 2005 aber immer noch höher als im Jahr 1997. Trotz der rückläufigen Tendenzen ist alarmierend, dass im langfristigen Vergleich Körperverletzungen gegenüber 1997 um 56 %, Delikte der Gewaltkriminalität um 27 Prozent zugenommen haben.

Die Gesamtbewertung der Zahlen ergibt kein einheitliches Bild. Die Tendenzen des Rückgangs der Delikte sind positiv zu beurteilen, das erreichte Niveau der Straftaten und Gewaltdelikte ist immer noch zu hoch. Zudem muss gesehen werden, dass nur ein sehr kleiner Teil der von der Polizeistatistik insgesamt registrierten Taten und ermittelten Tatverdächtigen unter die Rubrik „Tatörtlichkeit Schule“ fällt. Bei Kindern scheint allerdings diese Tatörtlichkeit eine zu sein, bei der sie noch am ehesten wegen einer Gewalttat zur Anzeige gebracht werden. Allerdings sind auch für diese Altersgruppe die entsprechenden Anteile 2005 im Vergleich zu 2004 rückläufig. Vor dem Hintergrund der großen Aufmerksamkeit, die dem Gewaltgeschehen an den Schulen durch die Berichterstattung der Medien zunehmend zukommt, ist die günstige Gesamtentwicklung für das Berichtsjahr 2005 des Jugendberichts des LKA in jedem Fall erfreulich zu bewerten. (Steffen Pressebericht 2006)

Was ist der Unterschied zwischen Konflikt und Gewalt?

Konflikte sind in der menschlichen Gesellschaft nicht zu vermeiden. Sie sind in pluralistischen Gesellschaften Ausdruck unterschiedlicher Meinungen, Anschauungen und Positionen und von daher auch positiv zu bewerten. Sie sind für offene, demokratische Gesellschaften gleichsam konstitutiv, die sowohl auf den Konflikt wie auf den Konsens ausgerichtet sind.

Das Offenlegen von Konflikten kann auch dazu beitragen, dass anhaltende Spannungen im menschlichen Miteinander beschrieben werden und eine Lösung für die Problemsituation gesucht werden kann.
Es kann also nicht darum gehen, Konflikte grundsätzlich zu vermeiden, sondern darum Konflikte zivilisiert, d.h. gewaltfrei, auszutragen.

Prävention muss dort ansetzen, wo Konflikte bereits mit Gewalt – in welcher Form auch immer – ausgetragen werden. (Krapp 2003)

Differenzierung des Gewaltbegriffs
Ist nun jede tägliche Rauferei auf dem Schulhof, in der Klasse, auf der Schülertoilette oder auf den Nachhauseweg unter dem Begriff der “Gewalt” einzuordnen? Die Antwort lautet Nein. Hier muss deutlich unterschieden werden:

Eine “negative Handlung” liegt dann vor, wenn jemand absichtlich einem Mitschüler oder einer Mitschülerin Verletzungen oder Unannehmlichkeiten zufügt. Das kann in Worten zum Beispiel durch Drohen, Spotten, Hänseln oder Beschimpfen geschehen oder durch körperliche Übergriffe. Im Falle einer körperlichen Aggression - der Mitschüler wird festgehalten, gekniffen, gestoßen, getreten oder geschlagen - findet die Verletzung oder Unannehmlichkeit durch Körperkontakt statt.

Eine dritte Möglichkeit der Verletzung bzw. Herabsetzung des anderen - ohne den Gebrauch von Worten oder körperlichen Handlungen - kann auch durch Gestik oder Mimik vollzogen werden, z.B. durch schmutzige Gesten oder Fratzenschneiden etc.

Schließt eine Gruppe konsequent einen Mitschüler / eine Mitschülerin aus oder weigert sich die Gruppe den Wünschen der anderen entgegenzukommen, so spricht man von Mobbing (siehe Exkurs Mobbing). Auch diese negative Handlung setzt voraus, dass sie wiederholt und über eine längere Zeit ausgeführt wird.

Gewalt kann sich auch auf Sachen, auf Eigentumsdelikte wie Diebstahl oder Sachbeschädigungen beziehen, die an der Schule ein breites Spektrum einnehmen können, von der Schmiererei auf der Schulbank oder an der Wand, über die eingetretene Glastüre bis hin zu Graffitis am Schulgebäude, die einen immensen Sachschaden bedeuten können.

Gewalt kann von Einzelnen oder einer Gruppe ausgeübt werden.Opfer der Gewalt kann ebenfalls ein einzelner Schüler/ eine Schülerin oder eine Gruppe von Schülern sein. In Fällen des Mobbings ist das Opfer in der Regel den Zielangriffen von mehreren Schülern ausgesetzt. Bei jeder Art von Gewalthandlung liegt ein Ungleichgewicht der Kräfte vor.

Unterschiedliches Geschlechterverhalten
Heranwachsende nehmen - und dies ist geschlechterunspezifisch - bei der Konfrontation mit der Gewalt in den Medien weit stärker als Erwachsene die Opferperspektive an. Jungen und Mädchen reagieren sowohl bei der Ausübung wie auch bei der Rezeption von Gewalt höchst unterschiedlich.
Geschlechterunspezifisch (siehe Familie) ist bei Jugendlichen auch die Bewertung von Gewalthandlungen in Abhängigkeit von den Erfahrungen, die sie in ihrem unmittelbarem Umfeld gemacht haben.
Da die Sozialisation von Jungen bestimmt wird von Faktoren wie Starksein, Durchsetzungsvermögen, Sich-zur-Wehr-zu-Setzen haben Jungen primär die körperliche Gewalt im Blick. Ihre Perspektive geht vielfach vom Täter aus. Wenn in den Medien die Folgen der Gewalt für das Opfer nicht existenziell und die Handlungen des Täters legitimiert sind, dann ist in ihren Augen Gewalt gerechtfertigt. Täter in den Medien werden für Jungen nicht selten zu Sympathieträgern. Wenn Jungen allerdings in der realen Welt Gewalt erleben, reagieren auch sie ablehnend. (Schorb 2003 I, Kleiter 2002)

Da die weibliche Sozialisation eher auf verantwortliches, fürsorgliches Handeln hinzielt, lehnen Mädchen die Anwendung von Gewalt weitgehend ab. Mädchen richten den Blick stärker auf die Leiden der Opfer. Sie sind auch in der Lage, schwache, hilflose und körperlich unterlegene Wesen, Menschen und Tiere zu benennen. Sie zeigen insgesamt eine höhere Sensibilität und soziale Verantwortung bei Konfliktsituationen.
Mädchen haben insgesamt gesehen eine deutlich niedrigere Hemmschwelle bei der Einstufung von Gewalt. Sie definieren als Gewalt bereits körperliche Auseinandersetzungen, bei denen sich die Gegner keinen schwerwiegenden Schaden zufügen.
Auch wenn Mädchen eigene Erfahrungen von Gewalt als Opfer gemacht haben, führen diese nicht zur Akzeptanz von Gewalt, vielmehr einerseits zur verstärkten Ablehnung oder andererseits zu der resignierenden Erkenntnis, dass es Gewalt gibt.
Im Gegensatz zu Jungen identifizieren sie sich bei Medienserien nicht mit dem Kampfesmut der Sieger, sondern mit deren Aussehen und Sozialverhalten. (Schorb 2003 I, Kleiter 2002)
 

Wie wird die Selbst- und Sozialkompetenz von Jugendlichen gestärkt?

Die Stärkung des Selbstvertrauens, die Stärkung der Selbstkompetenz eines Heranwachsenden bildet eine Schlüsselqualifikation zur Abwehr von Gefährdungen irgendwelcher Art, sei es die Bereitschaft zu Gewalt oder radikalen Denkansätzen, sei es die Schwächung der Persönlichkeit durch gesundheitliche Probleme wie Drogen oder auch Bulimieerkrankungen.

„Ein stabiler junger Mensch, der einigermaßen mit sich und seinen Problemen zurecht kommt, der eine Wertebasis fest internalisiert hat, so dass er aus ihr heraus Entscheidungen treffen kann, - ein solcher Jugendlicher ist gegenüber einfachen Denkmodellen, gegenüber der Tendenz zur Gewalt, gegenüber Extremismus weitgehend immun. Dieser Wertekodex kann in der Familie, in Freundschaften und in Gruppen wachsen, er soll aber auch, so der bayerische Kultusminister Siegfried Schneider, in der Schule gestärkt werden.“ (Schneider, 2005).

„Wer einem Anerkennungszerfall ausgesetzt ist, erkennt auch andere Personen und soziale Normen nicht mehr an“, stellt der Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer fest. Die Gewaltschwelle sinke; mit der Gewalttat ist der Prozess vollendet, der viel früher begonnen hat. (Heitmeyer 2001).

Dabei sind bei der Entwicklung des Kindes bzw. Heranwachsenden die Ebenen bzw. Einflussfaktoren besonders prägend, die relativ früh in das Leben des Kindes eingreifen, also Familie, familiäre Bezugspersonen, Freundeskreis (peer-group). Schon deshalb plädieren Frühpädagogen – und auch die Politik legt zunehmend ein Augenmerk darauf – für eine möglichst früh einsetzende Werteerziehung.

Denn Kinder aktivieren sehr frühzeitig Potenziale bzw. Strategien, um sich in ihrem eigenen Umfeld durchsetzen zu können:

„Wo immer Kinder im Kindergartenalter zu zweit (oder mehreren) zusammen spielen, kann man Prozesse beobachten, die auffällig sind, weil sie einem Grundmechanismus zu folgen scheinen, nach dem zwei Kinder ein Drittes in mehr oder weniger aggressive Spiele verwickeln. Es sind charakteristische Spiele, bei denen Dritten eine spezifische Rolle zugeteilt wird, die des Feindes. Damit können sie von den Verbündeten gejagt, gefangen und schlecht behandelt werden, so schlecht oft, dass Erwachsene sich zum Eingreifen genötigt sehen, um die Grenzen des Erlaubten zu markieren. Auch bei Schulkindern sind vergleichbare Prozesse häufig zu beobachten, vor allem in der Pubertät, oft zwar nach außen verdeckter, aber doch wesentlich bösartiger, gemeiner und härter. Meine Schlussfolgerung aus analytischer Beobachtung solcher Szenen ist, dass Kinder normalerweise in einigen kritischen Phasen ihrer Entwicklung eine zu radikalen und oft genug gewaltsamen Lösungen neigende Disposition entwickeln (…). Als Disposition zur Radikalität bezeichne ich jene spannungsgeladene innere Befindlichkeit, die das Kind in aggressive Kumpanei mit einem anderen Kind gegen ein drittes bringt, weil es nur so spezielle Konflikte, Konkurrenzkonflikte zu lösen weiß. Die Disposition zeigt sich besonders in den Entwicklungsphasen der frühen Kindheit und Pubertät, in denen das Kind seine innere Sicherheit bereits erschüttert erlebt hat durch Kollisionen seiner Wunschwelt mit der Realität innerhalb der Familie und mit der Macht Erwachsener(…)“.(Benz 1996, 204 f.)

Eine Schlüsselrolle für das Erreichen einer stabilen sozialen Persönlichkeit spielt nach wie vor die Familie (siehe unten „Pyramide der Werteerziehung und der sozialen Kontrolle“). Auch wenn wir immer mehr davon ausgehen müssen, dass die klassische Familienkonstellation Vater, Mutter, Kind immer weniger häufig vorliegt, ist die Funktion der familiären Bindung für die Entwicklung und Reifung des Kindes unumstritten. Untersuchungen belegen, dass Kinder, die unter erheblich erschwerten sozialen Bedingungen aufgewachsen sind, auch dann eine positive Entwicklung nehmen, wenn sie zumindest eine feste Bezugsperson (z.B. Großmutter) haben. Dies kann auch in Ausnahmefällen ein Nicht-Verwandter (beispielsweise Nachbar) sein.

Je später hinsichtlich des Alters die Einflussfaktoren an den jungen Menschen heranreichen, umso geringer ist die tatsächliche Wirksamkeit (Kempfer 2004).

Pyramide der Werteerziehung und der sozialen Kontrolle



Die Stärkung des Selbstwertgefühls darf nicht erst im Schulalter beginnen. Genereller Ansatz der internationalen Forschung der Frühpädagogik ist deshalb die Erkenntnis, möglichst frühzeitig innerhalb der Entwicklung und Bildung des Kindes die Grundlage für die Stärkung des Selbstwertgefühls zu legen. Das heißt, das Kind bzw. der Heranwachsende muss mit sich, seinen Begabungen und Schwächen sowie seinen Vorstellungen lernen, sein Leben zu bewältigen. Zugleich sind in diesen frühkindlichen Bildungsprozessen auch Werte zu vermitteln, die den Heranwachsenden befähigen, verantwortungsvoll im sozialen Kontext zu handeln und sich in die Gemeinschaft zu integrieren. (Fthenakis 2004)

Nicht alle Heranwachsenden haben jedoch gleich günstige Voraussetzungen bzw. Startchancen für ihre Entwicklung. Je fragiler die Lebensgemeinschaft Familie wird und je mehr Beanspruchungen sie letztlich standhalten muss, umso mehr ist das weitere Umfeld des Heranwachsenden gefordert.

Ausgaben der öffentlichen Hand für die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland



Die Haushaltsausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden für die Kinder- und Jugendhilfe belegen eindrücklich, dass für eine gedeihliche Entwicklung möglichst vieler Heranwachsender unterstützende Maßnahmen notwendig sind.

Es ist zwar einigermaßen unrealistisch zu glauben, dass grundsätzliche Verhaltensweisen eines / einer Jugendlichen im Bezug auf sein soziales Umfeld (Freundeskreis, Klasse, Schulgemeinschaft) in und durch die Schule in starkem Maße beeinflussbar sind. Dennoch kann gegenüber Schule und Jugendarbeit keine grundsätzliche Entlastung ausgesprochen werden. Denn auch im Schulalter ist der Heranwachsende noch förderbar und formbar. Vorhandene positive Fähigkeiten wie Empathie, Rücksichtnahme oder die Bereitschaft, sich für andere einzusetzen, können verstärkt werden. Ebenso kann man Schwächen wie beispielsweise mangelnde Selbstbeherrschung, mangelnde Fähigkeiten zur Kontaktaufnahme, Bereitschaft zu Aggression bzw. zu Gewalt durch verschiedene Strategien und pädagogische Maßnahmen entgegenzuwirken versuchen. In diese Richtung zielen bewährte Programme wie beispielsweise Prävention im Team (PIT) oder LIONS–QUEST (siehe unten).

Es ist jedoch ebenfalls durch eine Reihe von Vorergebnissen der Evaluation erwiesen, dass gerade die Leitziele der Stärkung der Selbstkompetenz und der Sozialkompetenz am schwierigsten zu erreichen sein dürften. (Kohnen 2006)

Welchen Einfluss hat die Familie?

Der Einfluss, den die Partnerschaftszufriedenheit der Eltern auf die Entwicklung des Kindes nimmt, hat in den vergangenen Jahren wachsende Aufmerksamkeit erfahren. Es kann als gesichert gelten, dass die Qualität der elterlichen Partnerschaft auf die soziale Entwicklung des Kindes abstrahlt. Insbesondere in den ersten Lebensjahren ist die Familie der wichtigste Einflussfaktor auf die Entwicklung eines Kindes.
„Starke Eltern – Starke Kinder“ (W. Fthenakis 2002, 265) ist beispielsweise ein Programm des Deutschen Kinderschutzbundes und wurde bereits 1985 konzipiert.

Wenn also die Qualität der Beziehung zwischen Eltern und Kindern für die gedeihliche Entwicklung des Kindes ausschlaggebend ist, ist es wichtig herauszufinden, inwieweit die persönlichen Bedürfnisse eines jeden Kindes in der Gemeinschaft der Familie Beachtung finden. Das Kind muss das Gefühl haben,

  • dazuzugehören und geliebt zu werden,
  • wichtig zu sein für sein Umfeld und Bedeutung für seine Mitmenschen zu haben,
  • Sicherheit zu erlangen und Einfluss auf das Miteinander nehmen zu können,
  • im Umkreis der Familie geborgen zu sein, selbst wenn es Fehler gemacht hat.

Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels haben Heranwachsende ein deutliches Mehr an Chancen der Selbstverwirklichung als in traditionellen Gesellschaften. Gleichzeitig kommen in der modernen Industriegesellschaft vielfältige Belastungen auf die Familie zu (z.B. durch Arbeitstätigkeit beider Eltern, Mobilität, Scheidungsrate etc.), die dazu führen können, dass die Eltern nicht nur stark gefordert, sondern zum Teil auch überfordert sind. Auch Kinder bekommen die Folgen gesellschaftlicher Umstände und ihre Belastungen für das Familienleben mit (z.B. Wochenendehe, Zeitmangel der Eltern, Arbeitslosigkeit, Armut etc.) und fühlen sich dadurch häufig in ihren Grundbedürfnissen eingeschränkt.

Die Familie ist in den vergangenen Jahrzehnten im Wandel begriffen. Die klassische Familiensituation Vater, Mutter, Kinder wird zunehmend von anderen familiären Formen abgelöst. Die Zahl der allein erziehenden Mütter bzw. Väter steigt. Insgesamt gesehen ist die Familienstruktur fragiler geworden. Dabei hat die Forschung festgestellt, dass auch bei Elternpaaren, die sich in „gutem Einvernehmen“ getrennt haben, die Kinder leiden.

Familienhaushalte in Deutschland (in Prozent)

Diagramm: Familienhaushalte in Deutschland (in Prozent)

Gerade vor diesem Hintergrund ist es eine besondere Herausforderung für Eltern, mit ihren Kindern achtsam, respektvoll und fair umzugehen und ihnen dennoch die notwendigen Grenzen zu setzen. Dieser Balanceakt fällt nicht immer leicht. (Horst 2005,10).

Angesichts der zunehmenden Auflösung familiärer Strukturen sind deshalb Programme und Strategien zur Stärkung der Familie und der Erziehungsfunktion der Eltern wichtig und notwendig. In Holland wird beispielsweise bei starken und anhaltenden innerfamiliären Konflikten und Erziehungsproblemen seit Jahren auf freiwilliger Basis erfolgreich ein Video-Home-Training angewandt, bei dem Eltern - bezogen auf konkrete familiäre Situationen - durch Fachleute beraten, gleichsam „gecoacht“, werden.

Entwicklungsförderndes und entwicklungshemmendes Erziehungsverhalten

Darstellung: Entwicklungsförderndes und entwicklungshemmendes Erziehungsverhalten

Man weiß inzwischen, dass die Beziehung zwischen Eltern und Kind nicht mit einer Einbahnstraßenregelung vergleichbar ist. Persönlichkeit, Partnerbeziehung und Erziehungsverhalten der Eltern wirken sich auf die Entwicklung ihres Kindes aus, umgekehrt sind auch Eigenschaften des Kindes nachweislich verantwortlich dafür, wie Eltern sich dem Kind gegenüber verhalten. Aggressives Verhalten des Heranwachsenden sind nicht nur die häufig zu beobachtende Reaktion auf körperliche Bestrafung durch die Eltern, Schläge erscheinen überforderten Eltern auch als letzter Ausweg, um ein aggressives Kind in die Schranken zu weisen - wie falsch das letztlich auch sein mag.

Zentrale Forderung ist deshalb die Stärkung der Erziehungsverantwortung der Eltern durch besondere Programme der Elternbildung sowie funktionierende Netzwerke, die Hilfestellungen, Informationen und damit auch Entlastung bieten. (Tschöpe-Scheffler 2005, 8)

Kinder haben das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Seit November 2000 wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht mehr in das Belieben der Eltern gestellt, wie sie ihre Kinder erziehen:

„Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“
(§ 1631 Abs. 2 BGB)

Häusliche Gewalt ist meist kein einmaliges Ereignis, sondern häufig eine ständige Bedrohung. Kinder und Jugendliche sind in einer solchen familiären Situation gefährdet. Schon durch das Miterleben von Aggressionen und Gewalt werden das Empfinden und die Lebenswelt junger Menschen beeinträchtigt, erst recht, wenn sie selbst zu Opfern von Misshandlungen und Missbrauch geworden sind.

Gegenwärtig wird im Sozialministerium ein Netzwerk vorbereitet, um durch eine enge Verzahnung öffentlicher und privater Einrichtungen häuslicher Gewalt möglichst frühzeitig zu begegnen.

Wie werden Fähigkeiten und Potentiale von Schülern erkannt und gefördert?

Kinder und Jugendliche haben große Schwierigkeiten, tragfähige soziale Zusammenhänge zu finden und ihre Umwelt selbsttätig zu erfahren und gut zu gestalten. Wir haben es heute mit einer Verhäuslichung, Verinselung und Vermarktung der Erziehungs- und Sozialisationsräume zu tun, durch die schon viele Kinder zu einsamen abhängigen Konsumenten gemacht wurden. Die Ersatzwege führen zu Fanatismus, Zerstörung, Drogenkonsum und Gewalt.

Wir können von Kindern viel lernen. Lernen und Lehren geschieht immer in einem dialogischen Prozess. Wer dies als Lehrer außer Acht lässt, macht die Schüler zu Objekten der Beschulung. Darauf reagieren Kinder und Jugendliche empfindlich entweder mit Gleichgültigkeit oder auch Störung des Unterrichts. Kinder werden zu oft nur als defizitäre Wesen gesehen, die der belehrenden Erziehung bedürfen. Ihre Fähigkeiten und Potenziale, die das Fundament ihrer eigenen Bildung sind, werden häufig nicht immer in ausreichendem Maße erkannt. (Beck 2005, 51 f.)

Die Forderungen an den Unterricht sind deshalb:

  • stärkere Beachtung von Fragen der Werteerziehung
  • Verstärkung der individuellen Förderung
  • stärkere Berücksichtigung des Erziehungsziels der sozialen Kompetenz der Schüler
  • fach- sowie jahrgangsübergreifender Unterricht
  • forschendes Lernen, Projektarbeit
  • Bildung nicht nur als Vermittlung verwertbarer Qualifikationen für den Arbeitsmarkt.

Aber auch Schüler können und müssen in die Lage versetzt werden, einen eigenen Beitrag zum Schulklima, zur Schulkultur zu leisten. Sie sind nicht nur Empfänger bzw. Adressaten, sondern maßgeblich mit am Prozess eines konstruktiven Miteinander beteiligt und hierfür auch mit verantwortlich. Der Beitrag der Schüler zu einem gedeihlichen Schulklima kann u.a. darin bestehen:

  • Übernahme von Verantwortlichkeit - nicht nur durch die Schülermitverantwortung
  • Einhalten gemeinsam festgelegter Regeln und Normen (z.B. Pünktlichkeit)
  • Aktive Schülermitverantwortung (SMV)
  • Erlernen und Praktizieren von Verfahren zur Konfliktlösung
  • Ordentliches und rücksichtsvolles Benehmen
  • Engagement der leistungsstärkeren Schüler für die leistungsschwächeren
  • Engagement älterer Schüler für jüngere
  • Beachtung und Wertschätzung von Schule als gemeinsamen „Lebensraum“ (u.a. auch durch Ordnung und Sauberkeit)
  • Identifikation mit der Schule u.a. durch gemeinsame Aktivitäten, außerunterrichtliches Engagement

In der Schule ist für die Stärkung des Selbstbewusstseins und Selbstvertrauens des Jugendlichen grundlegend, dass das schulische Klima von der gegenseitigen Achtung aller bestimmt wird. Auch der zwischenmenschliche Kontakt zwischen Buben und Mädchen sollte von gegenseitiger Achtung getragen sein. Prävention bedeutet in diesem Fall u. a., Mädchen und Jungen zu lehren, sich gegenseitig mit Achtung und Respekt zu begegnen und einander in seinem Selbstwertgefühl zu stärken.

Eine bestimmte Arbeitshaltung, ein Klima in einer Klasse, die ja der innerste Kern bzw. die innerste Zone einer schulischen Gemeinschaft bildet, kann stimmig sein oder nicht. Wenn das „Klima“ stimmig ist, ist dies ein gewollter, langwieriger Prozess, der auf eine mühsame Kleinarbeit zurückzuführen ist. Eine Art Leitbild, eine gemeinsame Vorstellung von Leben und Lernen in der Schule und den gegenseitigem Umgang muss dem vorausgehen. Angst und Druck scheinen die größten Feinde eines solchen stimmigen Klimas zu sein. Lässt sich ein solches Klima gegenüber dem zunehmenden rauer gewordenen Klima der Außenwelt verteidigen? Schulen können hier im besten Sinne Leitbildfunktion haben, wenn Schülerinnen und Schüler die Formen dieses stimmigen Klimas internalisieren und auf andere Lebenszonen übertragen lernen.


Eigenkraft und Ressourcen einer Gruppe fördern

Eines der Handlungsrezepte für das Schaffen eines gedeihlichen Miteinander ist, auf die Eigenkraft und die Ressourcen beispielsweise einer Klassengemeinschaft zu vertrauen: „Die Kraft der Klasse fördern“ (Hanke 2005, 11). Neben dem Erlernen einer Streitkultur und dem Aufarbeiten von Konflikten in der Klasse sind erprobte Regeln und Rituale, beispielsweise einer kurzen „Ärgerrunde“ zur Aufarbeitung von Konflikten in der vorangegangenen Pause – ohne den Konflikt im Ganzen bis zur einvernehmlichen Lösung zu besprechen –, bewährte Methoden des Schaffens des gedeihlichen Miteinander.

Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass gewaltbereites bzw. abweichendes Verhalten direkt mit schlechteren Schulleistungen in Zusammenhang stünde. Zwar sind schlechtere Schulleistungen eine typische Bedingung für Frustrationen, die wiederum Gewaltbereitschaft wahrscheinlicher machen. Zum anderen wäre nachvollziehbar, dass die Bereitschaft, im Unterricht zur stören, aufgrund einer ablehnenden Haltung oder zumindest einer gewissen Voreingenommenheit der Lehrkraft zu negativen Leistungsbewertungen führt. Der Zusammenhang zwischen schlechten Schulleistungen und Gewaltbereitschaft ist jedoch in der Forschung nicht nachweisbar. Ebenso wenig lässt sich die hartnäckig vertretene Meinung untermauern, Gewalt und Gewaltbereitschaft stehe mit der Schulgröße und mit großen Klassen in direktem Zusammenhang. (Wilsmann 2006,115)

Empathie der Lehrkraft bzw. positive Lehrer-Schüler-Beziehungen sind ein außerordentlich wichtiger Faktor in der Entwicklung von Schülern. Es geht insgesamt um mehr pädagogische Professionalität: Beziehungen und ein Lernklima aufbauen und erhalten, ermutigen, fördern, beraten, Konflikte erkennen und geeignete Maßnahmen einleiten. Lehrkräfte müssen sich genauso als Pädagoge wie als Fachleute für ihr Unterrichtsfach verstehen. Dabei zeigen Studien seit langem, dass sich die Beziehungsqualität als der bedeutsamere Faktor für den Entwicklungsprozess herausgestellt hat (Väth-Szusdziara 1980, 124).

Emotionale Unsicherheiten können sich auch bei Lehrkräften einstellen, die sich durch offene, auch aggressive Emotionen, zum Teil Gewalt, von Schülern bedroht fühlen. Lehrer können dabei durchaus Ängste entwickeln, ihre eigenen Aggressionen nicht immer unter Kontrolle zu haben. Derartige emotionale Unsicherheiten bei Lehrkräften lassen sich u. a. durch gezielte Fortbildung und Möglichkeiten der Selbstevaluation, gegenseitigen Erfahrungsaustausch und ein Mehr an Kooperation, auch durch Teamteaching, offenen Unterricht in Projekten oder Supervision begegnen.

Wie werden Konflikte fair ausgetragen?

In der Debatte um einen gedeihlichen Umgang miteinander und um das Erlernen von Formen dieses gedeihlichen Umgangs gewinnen Begriffe wieder an Wert, die die man mit den siebziger und achtziger Jahren längst hinter sich gelassen zu haben glaubte, nämlich Höflichkeit und Respekt. Und dennoch ist in diesen Erziehungszielen ein zentraler Punkt verankert, der die Gewaltanwendung gegenüber anderen gleichsam verbietet, nämlich indem man die Würde des anderen achtet.

Gegenseitige Achtung und Wertschätzung

Grundlage allen Handelns muss die gegenseitige Achtung und Wertschätzung sein, um ein Klima des Vertrauens zu entwickeln.“
(Von der Groeben 2004, 13).

Respekt wird damit in Verbindung mit Artikel 1 des Grundgesetzes gebracht, der die Würde des Menschen als oberstes Leitziel allen staatlichen Handelns definiert. „Respekt“ ist übrigens auch für die islamische Kultur ein Schlüsselbegriff, so dass sich hier ein gemeinsames Leitziel für ein gedeihliches Zusammenwirken anbietet, das auch in Schulen mit einem hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund auf Verständnis stößt.

Respektvolles Verhalten in Schritten entwickeln

Abgeleitet vom Programm einer kleinen kanadischen Schule „Together We Light The Way“ (TWLTW) hat die Leiterin einer englischen öffentlichen Schule Zielsetzungen des gegenseitigen Umgangs mit Respekt definiert. Das kann im Kleinen bei den Jüngeren mit einfachen Regeln beginnen wie „sprich höflich, spiele fair, verhalte dich in den Gängen ruhig, respektiere die Umwelt, sei pünktlich, verhalte dich im Bus vernünftig“ (Larson-Knight 2004, 37). Es wurde eine einfache Tabelle entwickelt, woran man respektvolles Verhalten erkennt: Was kann man sehen, wenn jemand respektvoll ist? Wie hört sich respektvolles Verhalten an, wie fühlt es sich an? Gemeinsam wurden Zielsetzungen eines respektvollen Verhaltens entwickelt und die Fortschritte im Verhalten auch täglich beobachtet. Wichtig ist in diesem Fall auch, dass der Umgang mit Respekt auch in die Sprache einfließt: „Du hast dich mir gegenüber nicht respektvoll verhalten.“

Dies ist ein Prozess, der auch das Kollegium erfassen sollte und in enger Zusammenarbeit mit den Eltern und den Partnern in der Gemeinde stattfinden muss. Der Erfolg dieser Entwicklung einer respektvolleren Schulkultur fasste ein Elternteil schließlich mit den Worten zusammen: „Das TWLTW-Programm zeigt den Kindern, wie wichtig es ist, vernünftig miteinander zu reden und höflich zu anderen Leuten zu sein. Sie sprechen über das Hänseln und Einschüchtern anderer Kinder und haben Ansätze dagegen“ (Larson-Knight 2004, 39).

Kinder und Jugendliche orientieren sich gern an einem Regelwerk

Mit welchem Begriff auch immer der respektvolle Umgang miteinander definiert wird, ob mit dem Begriff „Respekt“ oder dem Begriff „Höflichkeit“, es ist von der positiven Grundannahme auszugehen, dass sich Schülerinnen und Schüler „regelgerecht“ verhalten wollen,

  • „wenn sie genau wissen, was von ihnen erwartet wird und wie das erwartete Verhalten konkret ausschaut,
  • wenn das Regelwerk in einen wohlwollenden, von Anerkennung getragenen Kontext eingebettet ist,
  • wenn das Regelwerk angemessen und für die Schüler einsehbar ist,
  • wenn Schüler und Eltern beim Aufstellen der Regeln einbezogen werden,
  • wenn Schülern durch Feedback geholfen wird, sich an die Regeln zu halten,
  • wenn ein Kollegium das Regelwerk gemeinsam diskutiert, gestaltet und verantwortet“. (Weidner 2004, 31)

Verzicht auf jegliche Art von Gewalt

Mit einem Wertekanon und klarem Strafkatalog hat sich eine Hauptschule in München um ein friedliches Klima bemüht, nachdem Störungen jeglicher Art einen erheblichen Pegel erreicht hatten. Die Schulleitung entschied sich auf zwei Schienen für ein friedliches Miteinander zu sorgen: „Einerseits indem man die Schüler ernst nimmt – auch wenn es Probleme gibt“. Andererseits indem ein verbindlicher Kanon aufgestellt wurde, in dem jeweils Rechte und Pflichten aller Schulangehörigen festgehalten wurden wie „Ich habe das Recht auf einen sicheren Aufenthalt in der Schule – ich habe die Pflicht, die Sicherheitsbestimmungen zu beachten“ und des weiteren „Wir verzichten auf alle Arten von Gewalt, egal ob körperlicher, seelischer oder verbaler Art“. Beim Besuch der Schule zeigte sich ein entspannter Umgangston der Schülerinnen und Schüler, darunter 60 Prozent Migrantenkinder. (Burkel 2006,47)

Ein umfangreicher Katalog an sozialen Fähigkeiten, differenziert nach Unter-, Mittel- und Oberstufe könnte wie in der folgenden Grafik (siehe unten) aussehen. Die geforderten sozialen Fähigkeiten sollten jedoch in konkret wahrnehmbare Verhaltensweisen transferiert werden. Bei dem Erlernen dieser Fähigkeiten sollten die Schüler wissen, aus welchem Grunde sie diese erlernen sollen. Sie müssen auch erfahren, wie eine besondere Sozialkompetenz eingeübt werden kann, wie gut diese bereits gehandhabt wird und welche Zielvorstellung am Ende steht.

Soziale Kompetenz


Grafik "Soziale Kompetenz" vergrößern

Verantwortung zutrauen

Respektvoller Umgang miteinander gründet auch auf der Prämisse, Schülerinnen und Schülern Verantwortung zu geben, auf die Stärken der Schülerinnen und Schüler zu setzen. In einer Schule hatte sich die SMV entschieden, nicht nur von der Klassenvertreterversammlung, sondern von der gesamten Schülerschaft gewählt zu werden. In einer anderen Schule gründeten die Schülerinnen und Schüler ein eigenes Unternehmen, eine Filmproduktion. Die Entwicklung einer Homepage für die eigene Schule ist häufig schon fest in den Händen der Schülerinnen und Schüler. Sie empfinden diese Aktivitäten als eine andere Erlebniswelt, in der ihnen ganz andere Fähigkeiten als im Unterricht abverlangt werden.
Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) fördert eine derartige „stärkeorientierte Pädagogik“.

Gewaltfreier Widerstand gegen destruktive Verhaltensweisen

Was tun, wenn systematische Störungen des Unterrichts, Beleidigungen, Drohungen, Verweigerung, Schwänzen bis hin zu handgreiflichen Formen der Gewalt zum schulischen Alltag gehören? Wenn Belehrungen, Ermahnungen, Schimpfen, zur Rede stellen keine Wirkung mehr zeigen, eher die Situation noch verschlimmern?

Grundsätzlich gilt, dass Wegsehen bei allen Formen der Gewaltbereitschaft nachteilige Folgen hat. Wo Regeln und Vorgaben klar und deutlich vertreten werden, verlaufen mögliche Konflikte in geordneteren Bahnen. Deeskalation gehört ohnedies zu jeder Grundsatzregel der Konfliktbewältigung.

Haim Omer hat noch eine andere Variante der Begegnung gegen Gewaltbereitschaft entwickelt, die an Mahatma Gandhi orientiert ist. Häufig ist gezieltes Schweigen gegenüber dem besonders störanfälligen Schüler bzw. Schülerin die alternativ wirksamere Form gegenüber der Entgegnung verbaler Attacken. In diesem Fall müssen Lehrkräfte auch trainiert werden, diese Formen gewaltfreien Widerstandes zu praktizieren, beispielsweise selbst auf jede Provokation zu verzichten. Was nicht Nachgeben und vollständiges Ignorieren bedeutet. Wenn die Lehrkraft aus der Auseinandersetzung um Gewinnen und Verlieren aussteigt, wird die Eskalation gebremst. (Lemme/ Eberding 2006)

“Jeder Schritt, der die Jugendlichen verteufelt und ihnen eine bösen Charakter unterstellt, verhärtet das Muster.“
(Omer 2005, 44)

Zu dieser besonderen Form der Gewaltprävention gehört u.a.:

  • Präsenz des Lehrers im ursprünglichen Sinn als körperliche Anwesenheit gemeint
  • Vermeidung sämtlicher Schritte, die zu einer Eskalation führen können
  • Bereitschaft, Geheimhaltung und Isolation aufzubrechen: Gewalt wird nicht länger verschwiegen, Unterstützungsnetze werden aufgebaut
  • Wirksame Formen des Widerstandes wie die Kraft des Schweigens
  • Versöhnungsmaßnahmen, die nicht an Wohlverhalten gebunden sind: die Jugendlichen erleben, dass sich der Widerstand nicht gegen sie, sondern die Gewalt richtet. (Omer 2005, 43 ff.)

Wie kann die Schule ein gutes Schulklima schaffen?

Die zentrale Frage für den Abbau von Spannungen, den Abbau aggressiv-destruktiven Verhaltens von Schülerinnen und Schülern liegt nicht - allein - in der Auswahl und der Anwendung geeigneter präventiver Maßnahmen wie Streitschlichtergrogrammen und vielem mehr, sondern darin, wie sich Schule hinsichtlich ihrer Binnenkultur darstellt. Die Schlüsselfrage lautet: Wie ist es um die schulische Kultur bestellt? Wie gehen Lehrkräfte mit Schülern und Schüler mit Lehrkräften um? Ist das Miteinander im Kollegium von gegenseitigen Respekt und dem Willen zur Kooperation getragen oder herrschen Grabenkämpfe, die sich bis in den Unterricht fortsetzen? Ist es dem Schulleiter/der Schulleiterin Ernst mit dem Grundsatz, soweit möglich Verantwortung auf andere verlässliche Schultern zu geben bis hin zur Schülermitverantwortung? Sehen sich Eltern als wesentliche Stütze und Ansprechpartner für ihre Schule oder fühlen sie sich nicht ernst genug genommen oder gar in die Rolle eines Kontrollorganes gedrängt?

Was heißt nun konkret die im Grundgesetz verankerte Achtung der Menschenwürde für den Umgang der Lehrkraft mit dem Schüler / der Schülerin?

  • Unterstützen - Fördern - Anerkennen heißt
    • Schüler annehmen
    • ermutigen
    • zu verstehen versuchen
    • tolerieren
    • gerecht behandeln
    • fördern, integrieren

  • sicherlich aber nicht, sie
    • bloßstellen
    • als faul bezeichnen
    • bevormunden
    • ungerecht behandeln
    • entmutigen
    • instrumentalisieren

Welche Konsequenzen ergeben sich für die Lehrkräfte?

  • Veränderte Schwerpunktsetzung bezüglich der pädagogischen Professionalität in Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung
  • Ein Mehr an Kooperation und Meinungsaustausch sowohl innerhalb des Kollegiums wie mit den Eltern
  • Gleiche Erziehungsgrundsätze und Konsens bei grundlegenden Entscheidungen
  • Teamteaching, Supervision
  • Aufbau eines Netzwerks von Coaching-Gruppen
  • Maßnahmen zur Selbstevaluation
  • Beratung und Unterstützung der Lehrkräfte (z.B. Angebote und Nutzung von Unterstützungssystemen)
  • Besondere Präventivmaßnahmen hinsichtlich der gesundheitlichen Vorsorge
  • Stärkung der Lehrkraft und Anerkennung ihrer Leistung durch Vorgesetzte und in der Öffentlichkeit
  • Stärkere Würdigung von Qualifikationen bei Lehrkräften wie Empathie und Ambiguitätstoleranz bei Beurteilungen

„Wer heute Lehrer sein will, muss ein hohes Maß an Bereitschaft zu Beziehung, Begegnung, Nähe und Empathie aufbringen. Mut zu Erziehung bedeutet auch Mut zu Beziehung.“
(Schmidt 1997, 64).

Besonders junge Menschen brauchen stabile, personale Bindungen. Vielfach verbringen sie mit einer Klassenlehrkraft ja täglich mehr Zeit als mit ihren Eltern. Diese Beziehungen sind Voraussetzungen für die Ausbildung von Werthaltungen. Denn Jugendliche suchen geeignete Vorbilder.

Die Bereitschaft von Lehrkräften, sich der Suche nach Nähe nicht zu entziehen ohne die notwendige Distanz zu vergessen, die Bereitschaft sich der Fragen und Probleme von Schülern anzunehmen, kann in vielen Fällen Konfliktpotenzial in der Schule entschärfen. Denn die rationale Vermittlung von Werten allein wird erfolglos bleiben, wenn die affektive Ebene fehlt, wenn sich der Jugendliche mit dem Erwachsenen, der die Werte vermittelt, nicht identifizieren kann.

Die Schule muss auch erkennen, dass aggressives Verhalten und Gewalt bei Schülerinnen und Schülern letztlich der Suche nach Orientierung, Sinn, Anerkennung und Zuwendung dienen. Sie muss deshalb - zusammen mit Eltern und allen, die am Erziehungsprozess beteiligt sind - ein positives Klima schaffen, durch das Jugendliche Liebe, Anerkennung und Lebensfreude erfahren. Damit kann der verhängnisvolle Kreislauf von Gewalt - Ausgrenzung - Gewalt durchbrochen werden.

Leider ist auch die Schule nicht frei von Fehlhaltungen und Fehlentwicklungen hinsichtlich sexueller Übergriffe und sexuellen Missbrauchs. Besonders schwerwiegend sind Fälle zu bewerten, bei denen die Täter die Abhängigkeit von Schülerinnen und Schülern missbrauchen, um an ihre Ziele zu gelangen. Alle Beteiligten der Schulgemeinschaft sind hier gefordert, durch eine „Kultur des genauen Hinsehens“, durch wirksame Prävention und durch effektive Mechanismen des Opferschutzes einzugreifen. 

Wer unterstützt, wenn Lehrkräfte von Gewalt betroffen sind?

Lehrkräfte und Schulleitungen finden in der Handreichung Keine Gewalt gegen Lehrkräfte: Ein Leitfaden zu Prävention, Intervention und Nachsorge Unterlagen und Hilfestellungen bei Gewaltvorfällen gegen Lehrkräfte.

Leitgedanke der Ausführungen ist es, einem ernstzunehmenden Problem, das weder dramatisiert noch verschwiegen oder klein geredet werden darf, pragmatisch und lösungsorientiert zu begegnen. Die Handreichung beinhaltet unter „Erste Hilfe, wenn es eilt…“ (S. 5) einen Schnelleinstieg, um bei Bedarf direkt zu dem gewünschten Inhalt zu gelangen.

Dieser Leitfaden ergänzt damit spezifisch für den Schulbereich das bereits allgemein erarbeitete Gewaltschutzprogramm für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, das vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat gemeinsam mit weiteren Beteiligten entwickelt worden ist.

Beratungseinrichtungen bei Vorfällen von Gewalt und Mobbing

Neben Fragen zur Schullaufbahn, zum Schulsystem und zur Erziehung zu Demokratie und Toleranz stehen die Schulberatungsstellen auch als Ansprechpartner bei pädagogischen und psychologischen Fragestellungen zur Verfügung.
Zur für Sie zuständigen Schulberatungsstelle gelangen Sie, indem Sie einfach auf die Karte klicken:

Karte von Bayern Unterfranken Oberfranken Mittelfranken Oberpfalz Schwaben Niederbayern Oberbayern West Oberbayern Ost München

Unterstützung der Schule durch polizeiliche Gewaltprävention

Schulverbindungsbeamte

Seit dem Jahr 2000 sind allen Schulen in Bayern sogenannte "Schulverbindungsbeamte" namentlich benannt worden. Dieser Schulverbindungsbeamte kann Ihr Ansprechpartner sein, wenn Sie zum Beispiel eine Präventionsmaßnahme an einer Schule planen, bei der auch die Polizei einen Part übernehmen könnte oder sollte.

Den für Sie zuständigen Schulverbindungsbeamten erfahren Sie bei Ihrer zuständigen Polizeiinspektion. Nähere Informationen finden Sie auch auf der Homepage der Polizei Bayern

Zu den Aufgaben der Schulverbindungsbeamten gehört z.B. auch der Kontakt zu den Schulleitungen und die regelmäßige Unterstützung in Sicherheitsfragen.
Der Schulverbindungsbeamte dient insbesondere als Ansprechpartner für Probleme in Schulen, die den polizeilichen Aufgabebebereich berühren. So kann er zur Durchführung von Lehrer- und Elternversammlungen beitragen, Fachvorträge halten, an Aufklärungsveranstaltungen mitwirken, über die Sicherheitssituation im regionalen Umkreis informieren und in bestimmten Fällen zu Interventions- und Erziehungsgesprächen hinzugezogen werden.

Jugendbeamte und Jugendkontaktbeamte

Jugendkontaktbeamte sind ein Angebot der Polizei für

  • Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
  • Erzieher, Lehrkräfte, Jugendleiter und andere Personen, die mit jungen Menschen arbeiten

Ein Team von Beamten steht rund um die Uhr zur Verfügung und

  • nimmt die Sorgen von jungen Leuten ernst
  • will die Akzeptanz der Polizei bei jungen Leuten erhöhen
  • möchte Probleme aus der Welt schaffen, bevor sie zu handfesten Schwierigkeiten werden

In fast allen bayerischen Polizeiinspektionen werden Jugend- bzw. Jugendkontaktbeamte eingesetzt. Geeignete Polizeibeamtinnen und -beamte suchen hierbei Kontakt zu Jugendlichen, um sie von der Begehung von Straftaten abzuhalten oder einfach um als polizeilicher Ansprechpartner für Jugendliche zur Verfügung zu stehen. Neben präventiven Aufgaben (z.B. Beteiligung an Projekten gegen Gewalt) und Jugendsachbearbeitungen gehören Jugendschutzkontrollen zu den Kernaufgaben der Jugendbeamten.

Kontakt

Den zuständigen Jugendbeamten/Jugendkontaktbeamten erfahren Sie bei Ihrer örtlichen Polizeidienststelle.

Beispiele für die Kooperation zwischen Schule und Polizei

Die Verhaltensorientierte Prävention und die Prävention im Team (PIT) sind zwei Kooperationsmodelle zwischen den Schulen und der bayerischen Polizei.

Vorlese-Funktion

Das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus stellt auf seiner freizugänglichen Website eine Vorlesefunktion zur Verfügung. Beim Aktivieren dieser Funktion werden Inhalte und technische Cookies von dem Dienstanbieter Readspeaker geladen und dadurch Ihre IP-Adresse an den Dienstanbieter übertragen.

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