Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 41

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
Zum Umgang mit diesem Widerspruch braucht es eine bestimmte Ideologie, die bestimmte Gruppen
dehumanisiert (diese werden dann nicht als Opfer wahrgenommen, sondern dürfen angegriffen
werden). Gerechtigkeitsideen und Universalismusideen spielen im linken Spektrum eine große Rolle,
gleichzeitig wird die Vorstellung vertreten, dass der Staat diese nicht vertritt und zuwider handelt. In
diesem Kontext werden sie zu den „Hütern der Gerechtigkeitsidee“, da der Staat nicht anders zu
greifen ist, als ihn herauszufordern und ihm seine eigene Schwäche aufzuzeigen, so ein Experte.
Im polizeilichen Spektrum wird linke Gewalt als neue Form der „gruppenbezogenen Menschenfeind-
lichkeit“ diskutiert.
Die Motivation zur Ausübung von Gewalt und das erhöhte Vorkommen derselben wird von Experten
mit zunehmender sozialer Desintegration in Verbindung gebracht und weniger mit ideologischer
Begründung. Als Beispiel wird von Seiten eines Experten die aktuelle Situation in Europa angeführt,
die vor 10 oder 20 Jahren zu (gewalttätigen) Protesten geführt hätte. Damals wäre es undenkbar
gewesen, diesen Entwicklungen ohne Demonstrationen zu begegnen. Darin zeige sich eine Verände-
rung des Protestverhaltens aber es sei auch ein Indiz dafür, dass eine gemeinsame Ideologie fehle.
4.2.2 Wahl-, Einstellungs-, und Extremismusforschung
Bisher bezog sich Wahl-, Einstellungs-, und Extremismusforschung
21
im Wesentlichen auf den Bereich
des Rechtsextremismus. Der Fokus richtete sich auf Fragen nach dem Auftreten von extremistischen
Einstellungen und Verhalten. Die in der Forschung entwickelten Ansätze zur Erklärung dieser Phäno-
mene wurden ausschließlich im Bereich der Rechtsextremismusforschung entwickelt. Es wird jedoch
die Ansicht vertreten, dass diese Ansätze in vielen Fällen auch auf Annahmen über die Entwicklung
linksextremistischer/n Einstellungen und Verhaltens übertragbar sind (vgl. Arzheimer 2006, 253ff.).
4.2.2.1 Studie „Rechts- und Linksextremismus in Deutschland“
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) veröffentlichte im Jahr 2009 eine Studie zum Wahlverhalten und
Einstellungen der Bevölkerung. Die Studie ist wissenschaftlich in den Bereich der politologischen For-
schung einzuordnen, damit soll ein Beitrag zur Extremismusforschung geleistet werden. Das Ziel war,
eine Erweiterung der bereits etablierten Rechtsextremismusforschung zu vollziehen, indem Linksext-
remismus und andere extremistische Erscheinungsformen fokussiert wurden. Nach Neu (2009, 5)
liefert die Studie einen Beitrag „über die Messung von strukturellen Gemeinsamkeiten extremisti-
schen Denkens“. Inhaltlich ging es neben der Frage „nach der Messung des inhaltlichen Raumes“
(ebd.) um die Eruierung von Anregungen, wie mit welchen Methoden Extremismus bzw. extremisti-
sche Einstellungen erhoben werden können
22
. Als Forschungsdesiderate wurde die Entwicklung einer
„extremistischen Gesamtskala“ (ebd., 6) identifiziert. Nach Neu (ebd., 6) definierte bereits Backes
(1989) Elemente, die eine solche Skala enthalten sollte: „Absolutheitsanspruch, Dogmatismus, Fana-
tismus/ Aktivismus, Utopismus/ kategorischer Utopieverzicht, Freund-Feind-Stereotype, Verschwö-
rungstheorien“. Der Forschungsansatz, dem die KAS folgte, besagt, dass Rechts- und Linksextremis-
21 Bekannte Vertreter sind U. Backes und E. Jesse. Sie sind die Herausgeber des seit 1989 jährlich erscheinenden Jahrbuchs „Extremismus
und Demokratie“.
22 Die entwickelte Extremismusskala enthält sieben Faktoren: zwei der Faktoren nehmen eine Gliederung des ideologischen Raums nach
Links- und Rechtsextremismus (Rechtsextremer Autoritarismus, Linksextreme Antidemokratie) vor und weitere fünf Faktoren bilden Ein-
stellungsdimensionen ab, die nicht nach links bzw. rechts eingeteilt werden können (Elitenkritik/ Verschwörungstheorie, Radikalismus/
Aktivismus, Wertepessimismus, Politische Entfremdung, Utopismus). Eine genaue Beschreibung der entwickelten Skala ist zu finden in: Neu
(2009, 51 ff.).
1...,31,32,33,34,35,36,37,38,39,40 42,43,44,45,46,47,48,49,50,51,...126
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