Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 50

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
4.3.2.3 Studie „Zugänge der Jugendhilfe zur linksautonomen Jugendszene in Hamburg“
Eine Studie im Rahmen des Programms „Initiative Demokratie stärken“ des BMFSFJ entstand zwi-
schen 2010 und 2011 in Hamburg.
Hintergrund für die Durchführung der Studie waren Gewalt auf Demonstrationen und Sachbeschädi-
gungen in Hamburg und Berlin, beides Städte, in denen linksautonome Szenen auftreten. Das Institut
für Soziale Praxis (ISP) in Hamburg wurde beauftragt, im Rahmen von Gewaltprävention der Frage
nachzugehen, ob es einen Bedarf an Jugendhilfeangeboten, fokussiert auf diese Gruppierung, gibt.
Im Zentrum des Projektes standen folgende Fragen:
„Inwieweit es sich bei den Vorfällen der letzten Jahre - gewalttätige Auseinandersetzungen in
„Szenestadtteilen“ und Sachbeschädigungen in Hamburg (als eine der deutschen Städte ne-
ben Berlin, in der eine linksautonome Szene aktiv in Erscheinung tritt) - um ein politisch mo-
tiviertes Agieren von Jugendlichen handelt, die der linksautonomen Szene nahe stehen
und ob bzw. wie sie von der Sozialen Arbeit / Jugendhilfe – etwa der offenen Jugendarbeit,
Streetworker/innen etc. - erreicht werden bzw. erreicht werden können und sollen.“
(
-
projekte/zugaenge-der-jugendhilfe-zu-linksautonomen-jugendszenen/#c490)
In einem ersten Schritt erfassten die Forscher den Stand der Forschung zum Themenbereich „linksau-
tonome Jugendszenen“. Im zweiten Schritt wurden qualitative Expertenbefragungen durchgeführt.
Ursprünglich sollten auch Jugendliche aus der linksautonomen Szene interviewt werden. Dies konnte
jedoch aufgrund kritischer Debatten und Protestaktionen, die im Zusammenhang mit der Studie und
im Besonderen aufgrund des dahinterstehenden Programms des BMFSFJ entstanden sind, nicht ver-
wirklicht werden. Die Zugangsschwierigkeiten bezogen sich nicht nur auf die Jugendlichen selbst,
sondern auch bei einzelnen Professionellen wurden dadurch starke Irritationen hervorgerufen (vgl.
Möbius/ Wendland 2012, 136). Letztendlich wurden mit insgesamt 18 Experten aus den Bereichen
Sozialwissenschaft und Verwaltung und aus dem Bereich der Praxis (Jugendhilfe; Jugendarbeit), die in
Kontakt mit Jugendlichen aus der linksautonomen Jugendszene stehen, Interviews geführt. Im Fokus
der Studie standen linksautonome junge Menschen im Alter von 12-25 Jahren. Mithilfe des For-
schungsdesigns konnten Möbius und Wendland (2012, 136) zufolge „gemeinsame wie auch unter-
schiedliche Deutungen des Forschungsgegenstandes“ eruiert werden.
Zu dem Forschungsstand halten die Forscher fest, dass abgesehen davon, dass es nur wenig For-
schung in dem Bereich gibt, zum einen „kaum zwischen Jugend- und Erwachsenenszenen differen-
ziert, sondern primär auf sogenannte politische Szenen, zu denen auch Jugendliche gehören sollen,
fokussiert [und …] in Kontexten, die ein bearbeitungswürdiges Problem definieren, meist mit dem
unklaren, weil ausschließlich normativ definierten Begriff des Extremismus gearbeitet“ (Möbius/
Wendland 2012, 134) wird. Die vorliegende Studie grenzt sich von diesem normativen Begriff ab.
Ein Ergebnis der Studie war, dass bezüglich der gewalttätigen Ausschreitungen im Kontext der 1. Mai
Demonstrationen und des Schanzenviertelfestes nur für Einzelfälle konstatiert werden kann, dass die
Jugendlichen der linksautonomen Jugendszene zuzurechnen sind. Es sind eher „eventorientierte“
Jugendliche und keine manifesten Jugendszenen, die sich selbst als „linksautonome Jugendszene“
bezeichnen. Für die Jugendhilfe wird bezogen auf linksautonome Jugendszenen im Sinne einer Ziel-
gruppe kein Handlungsbedarf gesehen, im Unterschied dazu aber bezogen auf einzelne Jugendliche,
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