Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 40

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
ten. Demgegenüber repräsentiert die Polizei das Organ, welches die Bereitschaft zu einer gewaltsa-
men Auseinandersetzung zeigt, um den Geltungsanspruch des Rechts durchzusetzen (vgl. ebd.).
4.1.2.3 Vergleich von linker und rechter Gewalt: „Gewalthandeln linker und rechter militan-
ter Szenen“
Mletzko (vgl. 2010) vergleicht in seiner Publikation rechte und linke Gewalt. Grundlage für seine Ana-
lyse waren Daten, die aus dem polizeilichen Erfassungssystem entnommen und als „politisch moti-
vierte Kriminalität“ Taten klassifiziert wurden
20
. Dem Autor zufolge waren Ziele linker Gewalthand-
lungen zwischen 2001 und 2008 vorwiegend rechte und andere politische Gegner („Konfrontations-
gewalt“ (ebd., 6)). Im Jahr 2009 wurde die Konfrontationsgewalt durch das Thema „Innen- und Si-
cherheitspolitik“ abgelöst. Mletzko konstatiert, dass für diesen Anstieg vor allen Dingen die Aus-
schreitungen im Zusammenhang mit den beiden Schanzenviertelfesten in Hamburg standen. Zwi-
schen 2005 und 2009 wurden mehr linke als rechte Gewalttaten verzeichnet, die Unterschiede sind
jedoch im Vergleich mit den 1980er und frühen 1990er Jahren nicht mehr signifikant anders. In den
Jahren 2005 und 2006 kam es auf beiden Seiten zu Anstiegen von Gewalthandlungen. Nach Mletzko
(ebd., 6) deuten diese auf Interaktionseffekte rechter und linker Gewalt hin. Bei einem Vergleich der
Tatspezifik gibt es deutliche Unterschiede im Zusammenhang mit personenbezogener Gewaltanwen-
dung. Von 2001 bis 2009 lagen vom Gesamtaufkommen der Gewaltdelikte die Anteile an Körperver-
letzungen im rechten Bereich mit einem Anteil von 80% (Vergleich links: 40%) deutlich höher. 2009
gab es das erste Mal mehr links- als rechtsmotivierte Körperverletzungen (links: 849; rechts: 800).
Dagegen waren dem Autor zufolge Landfriedensbruch- und Widerstandsdelikte im linken Spektrum
deutlich höher. Diese standen sehr oft im Zusammenhang mit Demonstrationen. Bei linkem Gewalt-
handeln stand der Stein- und Flaschenwurf im Vordergrund. Bei rechtem Gewalthandeln war face-to-
face Gewalthandeln typisch. Ein weiterer Unterschied bestand in der Häufigkeit von Mehrfachbege-
hungen (es folgen mehrere schwere Tateinwirkungen hintereinander). Im rechten Spektrum lag der
Anteil bei 13%, im linken bei etwa 5%.
4.1.2.4 Zum linken Gewaltphänomen in den Gesprächen mit Experten
Von Experten wird konstatiert, dass bei linker Gewalt unterschieden werden muss zwischen „traditi-
onellen Linken“ und „linksideologisch orientierten Szenen“, zwischen Gewalthandeln, das auf unter-
schiedlichen Events wie bspw. den 1. Mai Demonstrationen zu beobachten ist und anderen Formen
von Gewalt. Bei den Demonstrationen ist, wie auch die Studie „Analyse der Gewalt am 1. Mai 2009 in
Berlin“ (Kapitel 4.2.1.1) zeigt, Gewalthandeln ein sehr heterogenes Phänomen. Dort kann nicht ohne
weiteres auf politisch motivierte Gewalt geschlossen werden.
Darüber hinaus müssen Experten zufolge zwei Ideologiekulturen differenziert werden. Es gibt eine
„Gesellschaftsideologie“, die auf universalistische Werte zielt und eine „politische Kultur“, die eben-
falls ideologisch begründet wird (diese enthält bspw. Abwertungen und die Entmenschlichung von
Polizisten). Beide Kulturen stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Als Beispiel wird die
Autonome Szene genannt, in der dieser Konflikt in den Gewaltdiskursen thematisiert und wiederholt
diskutiert wird.
20 Zur kritischen Auseinandersetzung über die Verwendung polizeilich erhobener Daten für die Forschung: Mletzko 2010, 3f.
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