Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 38

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
Zwischen 2003 und 2008 wurden durchschnittlich 139 Taten registriert, die linker Gewalt zugeordnet
wurden. Die Anzahl der Taten blieb in den Jahren 2003-2006 weitgehend konstant, erst im Jahr 2007
wurde eine Steigerung aufgrund eines Anstiegs an Brandanschlägen festgestellt, 2008 gingen diese
nur leicht zurück. Von den Gewalttaten wurde jede vierte Tat (28%) im Monat Mai verübt, davon
standen 79 der 201 verübten Gewaltdelikte im Zusammenhang mit den 1. Mai Demonstrationen.
Die Analyse zeigte, dass linke Gewalt sehr heterogen ist. Zu den häufigsten verübten Straftaten zäh-
len Brandstiftung (28%), Körperverletzungsdelikte (30%) und Landfriedensbruch (27%). Bei 7% der
Taten handelte es sich um Widerstand gegen Polizeibeamte. Im Fall von Brandstiftung war seit dem
Jahr 2007 ein deutlicher Anstieg festzustellen. Darüber hinaus war ein Ergebnis, dass sich fast jede
zweite linke Gewalttat (44%) im Kontext von Demonstrationen ereignete. Dort ist das quantitativ
herausragende Gewaltdelikt mit 50% der Landfriedensbruch. Als geografisch verdichtete Räume lin-
ker Gewalt wurden die gleichen identifiziert wie die der „linksextremistischen Szene“ (Friedrichshain
(155 Taten=19%), Kreuzberg (146 Taten=17%), Prenzlauer Berg (100 Taten=12%)). Ein Großteil der
Taten wurde im öffentlichen Straßenland verübt (83%), 5% in der Nähe des öffentlichen Personen-
nahverkehrs. Bei Gewaltdelikten „gegen rechts“ und bei Brandstiftungen spielte die Nähe zum eige-
nen Wohnumfeld eine Rolle. Interpretiert wird dies von den Forschern als Demonstration von Macht
und der Verteidigung des eigenen Lebensumfeldes gegen unerwünschte Meinungen und Lebensstile
(vgl. ebd., 14.f.).
Linke Gewalt wird in Berlin als „Jugendphänomen“ (ebd., 37) charakterisiert. Den Ergebnissen der
Studie zufolge wird sie hauptsächlich von Heranwachsenden und jungen Erwachsenen begangen. Die
Hälfte der Tatverdächtigen war zum Tatzeitpunkt zwischen 18 und 24 Jahren alt. Es handelte sich bei
81% der Tatverdächtigen um Männer. Vieles deutet darauf hin, dass die Ausübung linker Gewalt bei
den meisten Tatverdächtigen an eine bestimmte Lebensphase gebunden ist. Mit zunehmendem Alter
spielt Gewalt als Form des Ausdrucks eine geringere Rolle. Darüber hinaus handelt es sich den Ergeb-
nissen der Studie zufolge bei linker Gewalt um ein Gruppenphänomen. Bei 87% der Fälle wurde die
Tat entweder von Gruppen (71%) oder von Einzelnen aus der Gruppe heraus (16%) begangen. Ledig-
lich in 13% der Fälle handelte es sich um einen Einzeltäter. Viele der Tatverdächtigen waren noch in
Ausbildung, darüber hinaus lag die Arbeitslosenquote weit über dem Berliner Durchschnitt. Es wird
angenommen, dass die mangelnde berufliche Integration ein Belastungsfaktor im Kontext linker Ge-
walt darstellt.
Ein Großteil linker Gewalt wird dem aktionsorientierten linksextremistischen Milieu zugeordnet. (vgl.
ebd., 37).
Linke Gewalt richtet sich der Studie zufolge überwiegend gegen Institutionen und Menschen dieser
Institutionen. An erster Stelle stand hier die Polizei (64%). 58% der Taten waren gegen Personen ge-
richtet, 42% gegen Sachen. (vgl. ebd., 53).
4.2.1.2 Studie „Analyse der Gewalt am 1. Mai 2009 in Berlin“
In einer qualitativ angelegten Studie wurde von der Freien Universität Berlin unter der Projektleitung
des Professors für Kriminologie und Strafrecht Hoffmann-Holland eine Analyse der Gewalt am 1. Mai
2009 in Berlin vorgenommen.
Die Analyse bezog sich auf Akteure, Motivationen, Aktionen und Interaktionen, die im Zusammen-
hang mit der 1. Mai Demonstration im Jahr 2009 standen. Die 1. Mai Demonstrationen werden sehr
stark mit militanten linksautonomen Gruppierungen in Verbindung gebracht, die als „schwarzer
Block“ in Erscheinung treten. Im Vergleich zu den Jahren davor hat es den Medien, der Politik und
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