Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 32

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
entierungen gängigen Rechts-Links-Skala an den äußeren Polen befinden. Unterschieden wird nach
Zielen und Werten bzw. nach Mitteln und Normen (vgl. Neugebauer 2010, 5; 2011, 1).
In Deutschland wurde der Extremismusbegriff im Wesentlichen von den Politologen U. Backes und E.
Jesse beschrieben
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. Dieser ist stark von der normativen Ordnung des Grundgesetzes beeinflusst.
Jesse (vgl. 2004, 9) bezieht sich bei der Definition von „politischem Extremismus“ auf den demokrati-
schen Verfassungsstaat, der auf der demokratischen (Anerkennung des Prinzips der Volkssouveräni-
tät und Ethos der fundamentalen Gleichheit der Menschen) und konstitutionellen Komponente (Gel-
tung des Rechtsstaatsprinzips) fußt.
Von politischem Extremismus ist dann die Rede, wenn mindestens eine der beiden Elemente abge-
lehnt wird. Nach Jesse kann damit auch zwischen links- und rechtsextremistischen Bestrebungen
differenziert und diese eingeordnet werden. Während für den Linksextremismus die konstitutionelle
Komponente Konflikte hervorruft, ist es dem Autor zufolge für den Rechtsextremismus die demokra-
tische Komponente (vgl. ebd., 10). Der Extremismusbegriff nach Jesse kann sich auf rechte und linke
Strömungen beziehen. Alle Varianten des politischen Extremismus negieren ihm zufolge Interessen-
pluralität, damit auch das Mehrparteiensystem und das Recht auf Opposition.
Der Autor nennt als Strukturmerkmale die Identitätstheorie der Demokratie, die Einteilung in Freund-
Feind-Stereotypen, ein hohes Maß an Dogmatismus und Missionsbewusstsein (vgl. ebd., 11).
Politischer Extremismus kann nach unterschiedlichen Formen unterschieden werden:
Nach Art der Ziele.
Nach Art der Mittel (Einsatz Gewalt ja/nein u.a.).
Nach dem Organisationsgrad (Spektrum: von terroristischer Struktur, Parteien, lockere
Gruppierungen, bis hin zu Einzelpersonen). Nach Jesse sind jene Kräfte weniger stark
organisiert, von denen politische Gewalt ausgeht – er bezieht sich dabei auf die Gruppierung
der „linksextremistisch Autonomen“ (ebd., 17), die ihre Aktionen gegen einzelne Vertreter
des Staates richten bzw. gegen "Symbole des Systems" (ebd.).
Nach dem Intensitätsgrad (wo hört Demokratie auf und fängt Extremismus an?; in einer
Grauzone liegende Grundpositionen). Dies gilt nicht für Gruppen, die Gewalt anwenden oder
propagieren, da steht nach Jesse der extremistische Charakter eindeutig fest (vgl. ebd., 15ff.).
Der Extremismusbegriff ist abzugrenzen gegenüber Begriffen wie: Totalitarismus, Radikalismus oder
Fundamentalismus. Diese erfassen die antidemokratischen Erscheinungen nicht so umfassend wie
der Extremismusbegriff so der Autor (vgl. ebd., 14f.).
In der Literatur und im umgangssprachlichen Gebrauch werden die Begriffe ‚Extremismus‘ und ‚Radi-
kalismus‘ jedoch häufig bedeutungsgleich verwendet und eine deutliche Abgrenzung ist teilweise
nicht möglich. Bezüglich ihres lateinischen Ursprungs haben die beiden Begriffe jedoch unterschiedli-
che Bedeutungen, so stammt ‚Radikalismus‘ von dem Wort ‚radix‘ ab, welches Wurzel bedeutet, ‚Ext-
remismus‘ hingegen von dem Wort ‚extremus‘, was das Äußerste bezeichnet (Bötticher/ Mares 2012,
55).
Radikalismus kann folglich des lateinischen Ursprungs im weiteren Sinne als Phänomen bezeichnet
werden, das soziale Angelegenheiten nicht an der Oberfläche, sondern an der Wurzel, also an deren
Ursprung, angeht (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, o.A.). Radikalismus kann demnach als
eine Erscheinung der Diversität aufgefasst werden, deren grundlegende Struktur Toleranz gegenüber
anderen Ansichten beinhaltet, „sich darüber zu einigen, dass man sich uneinig ist und Einigkeit unter
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Eine aktuelle Kritik an dem Konzept dieser Autoren liefert Bundschuh (2013).
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