Themenheft Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 2/13) - page 26

geworfen werden.
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Wie Art. 74 Abs. 6 BV zeigt, wonach
Volksentscheide über Volksbegehren „gewöhnlich imFrüh-
jahr oder Herbst“ stattfinden,
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ging der Verfassungsgeber
von einem regenGebrauch der Volksgesetzgebung aus. Die-
se Erwartung erfüllte sich lange nicht: Erst 1967 kam es zu
drei verschiedenen Volksbegehren über die Frage der kon-
fessionellen Prägung der Volksschulen. Insgesamt gab es bis
2013 19 zulässige Volksbegehren,
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von denen allerdings nur
sieben zum Volksentscheid führten. Die Ergebnisse in die-
sen Fällen waren folgende:
• Von den Volksbegehren zur Volksschule erhielten zwei die
für einen Volksentscheid nötige Unterstützung von 10 %
der Stimmberechtigten. Letztlich wurde jedoch keiner der
den Volksbegehren zugrunde liegendenGesetzentwürfe per
Volksentscheid beschlossen; vielmehr stimmte das Volk
dem in Anbetracht der Volksbegehren vom Landtag be-
schlossenen (Art. 135 BV ändernden) Gesetzentwurf imob-
ligatorischen Verfassungsreferendum gemäß Art. 75 Abs. 2
Satz 2 BV zu.
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• Das 1972 erfolgreiche Volksbegehren „Rundfunkfreiheit“
führte zu einem überparteilichen Konsens im Landtag, des-
sen Vorschlag für einen neuen Art. 111a BV das Volk in ei-
nem obligatorischen Verfassungsreferendum nach Art. 75
Abs. 2 Satz 2 BV zustimmte.
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• Dem (erstmals nicht auf eine Änderung der Bayerischen
Verfassung, sondern des einfachen Rechts abzielenden)
Volksbegehren „Das bessere Müllkonzept“ stellte der
Landtag gemäß Art. 74 Abs. 4 BV einen Konkurrenzent-
wurf entgegen, der sich beim Volksentscheid vom 17. Fe-
bruar 1991 gegen den Gesetzentwurf des Volksbegehrens
(mit 51,0 % Ja-Stimmen gegenüber 43,5 % Ja-Stimmen für
den Gesetzentwurf des Volksbegehrens) durchsetzte.
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• 1995 reüssierte der (verfassungsändernde) Gesetzentwurf
des Volksbegehrens zur Einführung der kommunalen Insti-
tute Bürgerbegehren und Bürgerentscheid im Volksent-
scheid vom 1. Oktober 1995 gegenüber dem Alternativent-
wurf des Landtags (57,8 % Ja-Stimmen bzw. 38,7 % Ja-
Stimmen), sodass erstmals der Gesetzentwurf eines
Volksbegehrens Gesetzeskraft erlangte.
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• Auch der (verfassungsändernde) Gesetzentwurf des
Volksbegehrens zur Abschaffung des Senats war im Volks-
entscheid vom 8. Februar 1998 gegen die Konkurrenzvor-
lage des Landtags zur Reform des Senats erfolgreich (69,2
% Ja-Stimmen bzw. 23,6 % Ja-Stimmen).
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27 Eine komplette Auflistung der Volksbegehren und Volksentscheide seit 1946 ist von den Internetseiten des Bayerischen Landesamts für
Statistik und Datenverarbeitung abrufbar unter
bzw.
bayern.de/volksentscheide/voe_seit_1946.pdf (Stand: 03.12.2013). Zu den einzelnen Volksbegehren und Volksentscheiden seit 1998 sind
umfangreiche Informationen abrufbar unter
(Stand: 03.12.2013).
28 Damit wollte man die Belange der Landwirtschaft berücksichtigen; s. die Äußerung des Bericht erstattenden Ministerpräsidenten Hoegner
in der Sitzung des Verfassungsausschusses der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung vom 30.07.1946, Stenographische
Berichte über die Verhandlungen des Verfassungs-Ausschusses der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung, Band I (1947),
S. 179.
29 Zur Prüfung der Zulässigkeit eines Volksbegehrens vgl. den Abschnitt „Zulassungsverfahren“ im vorliegenden Artikel.
30 S. dazu Jung (wie Anm. 21) (Stand: 03.12.2013).
31 S. dazu Zacher (wie Anm. 24), 737/740; Sebastian Lindmeyr, in: Markus Behmer / Bettina Hasselbring (Hg.): Radiotage, Fernsehjahre. In-
terdisziplinäre Studien zur Rundfunkgeschichte nach 1945, Münster 2006, S. 29–32.
32 S. Nr. 7 der Liste „Volksentscheide in Bayern seit 1946“ des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung; abrufbar unter
(Stand: 03.12.2013). Zacher (wie Anm. 24), 737/740 f.
33 S. Nr. 8 der Liste „Volksentscheide in Bayern seit 1946“ des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung; abrufbar unter
(Stand: 03.12.2013); Jung (wie Anm. 21).
34 S. Nr. 11 der Liste „Volksentscheide in Bayern seit 1946“ des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung; abrufbar unter
(Stand: 03.12.2013).
Einsichten und Perspektiven Themenheft 2 | 13
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Volksbegehren und Volksentscheid in Bayern – Geschichte und rechtliche Grundlagen
Die FDP-Politikerin Hilde-
gard Hamm-Brücher bei
einer Unterschriftensamm-
lung in Bayern zugunsten
der Gemeinschaftsschule
am 13. 9. 1966
Foto: ullstein bild – dpa
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