Themenheft Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 2/13) - page 35

Volksbegehren und Volksentscheid in Bayern – Geschichte und rechtliche Grundlagen
Einsichten und Perspektiven Themenheft 2 | 13
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90 VerfGHE 43, 35/55; 47, 265/271.
91 Karl Schweiger, in: Hans Nawiasky / Karl Schweiger / Franz Knöpfle (Hg.): Die Verfassung des Freistaates Bayern, Rn. 6 zu Art. 74 (Stand:
Mai 1995); Theodor Meder: Die Verfassung des Freistaates Bayern,
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Stuttgart 1992, Rn. 6 zu Art. 74; Konrad Kruis, BayVBl. 1973, 509/513.
hof, der spätestens drei Monate nach Anrufung durch das
Staatsministerium des Innern über die Zulassung des Volks-
begehrens entscheiden muss (Art. 64 Abs. 2 Satz 2 LWG),
nur die Rechtmäßigkeit, nicht aber die Zweckmäßigkeit des
Volksbegehrens zu prüfen. Stellt der Verfassungsgerichts-
hof fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zu-
lassung des Volksbegehrens nicht gegeben sind, ist das Ver-
fahren damit beendet.
Obwohl dieses Zulassungsverfahren nicht im
Wortlaut der Verfassung verankert ist, ist es mit ihr verein-
bar, weil es in der Sache keine in Art. 74 BV nicht vorgese-
henen Hürden aufstellt, sondern lediglich dazu dient, völlig
aussichtslose oder rechtswidrige Volksbegehren bereits in
einem frühen Stadium auszuscheiden.
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Durchführung des Volksbegehrens
Wird dem Zulassungsantrag durch das Staatsministerium
des Innern oder durch den von diesem angerufenen Verfas-
sungsgerichtshof stattgegeben, legt das Staatsministerium
des Innern eine vierzehntägige Eintragungsfrist fest, die frü-
hestens acht und spätestens zwölf Wochen nach Veröffent-
lichung des Volksbegehrens im Staatsanzeiger beginnt
(Art. 65 LWG). Während der Eintragungsfrist haben die
Stimmberechtigten die Gelegenheit, sich bei ihrer Gemein-
de für das Volksbegehren einzutragen und so zur Errei-
chung des Einleitungsquorums von 10 % der Stimmbe-
rechtigten nach Art. 74 Abs. 1 BV beizutragen (Art. 65 Abs.
1 und Art. 68 Abs. 2 LWG).
Verfahren im Landtag
Wird das Einleitungsquorum erreicht, ist das Volksbegeh-
ren vom Ministerpräsidenten namens der Staatsregierung
unter Darlegung ihrer Stellungnahme dem Landtag zu
unterbreiten (Art. 74 Abs. 3 BV), der es binnen drei Mona-
ten zu behandeln hat (Art. 73 Abs. 1 Satz 1 LWG). Hält der
Landtag das Volksbegehren für unzulässig, ist zu unter-
scheiden: Hat der vom Staatsministerium des Innern ange-
rufene Verfassungsgerichtshof die Zulassungsvorausset-
zungen bejaht, ist der Landtag hieran nach ganz herrschen-
der Auffassung gebunden.
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War das Volksbegehren
hingegen vom Staatsministeriumdes Innern ohne Anrufung
des Verfassungsgerichtshofs für zulässig erachtet worden,
kann der Landtag einen Beschluss über die Unzulässigkeit
des Volksbegehrens herbeiführen (Art. 73 Abs. 5 Satz 1
LWG), gegen den jeder Unterzeichner die Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofs beantragen kann (Art. 73 Abs. 5
Satz 2 LWG in Verbindung mit Art. 67 BV). ImÜbrigen hat
der Landtag in der Sache folgende Entscheidungsmöglich-
keiten: Er kann zunächst den begehrten Gesetzentwurf un-
verändert annehmen, sodass sich ein Volksentscheid grund-
sätzlich erübrigt; hatte der Gesetzentwurf des Volksbegeh-
rens allerdings eine Verfassungsänderung zum Gegenstand,
bleibt ein Volksentscheid wegen Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BV er-
forderlich. Lehnt der Landtag den Gesetzentwurf des
Volksbegehrens ab, ist er binnen drei Monaten nach dem
Landtagsbeschluss dem Volk zur Entscheidung vorzulegen
(Art. 74 Abs. 5 Satz 1 BV). Dabei kann der Landtag dem
Volk auch einen eigenen Gesetzentwurf zur Entscheidung
mit vorlegen (Art. 74 Abs. 4 BV). In diesem Fall ist um-
stritten und vom Verfassungsgerichtshof noch nicht ent-
schieden, welche Zustimmungserfordernisse für den Ge-
genentwurf des Landtags gelten, wenn er eine Verfassungs-
änderung beinhaltet. Teilweise wird der Gegenentwurf als
eine gewöhnliche parlamentarisch initiierte Verfassungsän-
derung angesehen, sodass im Landtag eine Mehrheit von
Drei Oktoberfestbesucherinnen inTracht machen am Eingang
des Oktoberfestes in München mit Lebkuchenherzen auf das
Volksbegehren zum Nichtraucherschutz aufmerksam.
Foto: picture-alliance – dpa
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