Themenheft Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 2/13) - page 44

Stimmberechtigten, in Baden-Württemberg und Mecklen-
burg-Vorpommern ein Drittel, im Saarland sogar die Hälf-
te der Stimmberechtigten. In Bayern, Hessen, Rheinland-
Pfalz und Sachsen hingegen gilt uneingeschränkt das Prin-
zip „Stimmenmehrheit ist Mehrheit“. Wird über ein
verfassungsänderndes Gesetz abgestimmt, ist meist eine
Mehrheit der Abstimmenden und der Stimmberechtigten
(nicht tabellarisch ausgewiesen) erforderlich. Darüber hin-
aus wird in mehreren Bundesländern bei solchen Abstim-
mungen nicht nur eine einfache, sondern eine qualifizierte
Zweidrittelmehrheit der Abstimmenden vorausgesetzt.
Rechtliche Regeln stecken den Rahmen ab, in dem
Bürger und repräsentativdemokratische Akteure handeln.
Werden direktdemokratische Verfahren in eine repräsenta-
tive Demokratie eingefügt, bieten sich Bürgerinnen und
Bürgern mehr Möglichkeiten zur Einflussnahme. Leicht
zugängliche direktdemokratische Verfahren, die Bürgern
weitgehend uneingeschränkte Entscheidungsbefugnisse ge-
ben, eröffnen relativ viele Möglichkeiten. Wenige, mit ho-
henHürden und Zusatzanforderungen versehene Verfahren
bedeuten dagegen eine vorsichtige Öffnung der repräsenta-
tivdemokratischen Ordnung. In jedem Fall handelt es sich
jedoch nur um Einflussmöglichkeiten, nicht um tatsächli-
chen Einfluss. Nicht jedes Potenzial wird auch genutzt. Da-
her griffe man zu kurz, wollte man die politische Bedeutung
direktdemokratischer Verfahren in den Ländern allein an-
hand der rechtlichen Vorgaben beurteilen.
Erfahrungen mit direktdemokratischen
Verfahren in den Ländern
Die Bedeutung direktdemokratischer Verfahren im politi-
schen Prozess hängen nicht zuletzt von der tatsächlichen
Nutzung dieser Instrumente ab. Daher sollen nun diese Er-
fahrungen betrachtet werden. Tabelle 3 enthält Informatio-
nen über die Zahl von Volksbegehren und verschiedene Ar-
ten von Volksentscheiden. Tabelle 4 schlüsselt Volksbegeh-
ren nach ihremErfolg auf, während Tabelle 5 den Erfolg von
Volksentscheiden nach deren Ursprung aufgliedert. Dabei
sei angemerkt, dass als Volksentscheid jeder Entwurf gilt,
über den abgestimmt wird. Demnach ist gut möglich, dass
in einem Bundesland an einem Tag zu einem Gegenstand
mehrere Volksentscheide stattfinden. Typischerweise ist das
dann der Fall, wenn der Landtag von seinem Recht Ge-
brauch macht, eine konkurrierende Vorlage zusätzlich zum
Entwurf des Volksbegehrens zur Abstimmung zu bringen.
Beispielsweise fließen zu der Abstimmung über die Schul-
reform in Hamburg im Jahr 2010 zwei Volksentscheide in
die Zählung ein, da über die Vorlage der Bürgerschaft und
jene der Volksinitiative „Wir wollen lernen“, aus der der
Volksentscheid hervorging, abgestimmt wurde.
Wie Tabelle 3 zu entnehmen ist, sind von 1945 bis
2013 in den deutschen Ländern 81 Volksbegehren und
69 Volksentscheide zu verzeichnen. Im Zeitverlauf hat die
Zahl der Volksbegehren merklich zugenommen. In den
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Direktdemokratische Verfahren auf Landes- und Bundesebene
Quelle: eigene Darstellung. Die Auflistung der Volksbegehren basiert auf den Daten von Mehr Demokratie e.V. (
/). Stand: 21.12.2013
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
Gesamt
1945–1989
1990–1999
2000–2013
Legislativer
Volksentscheid
1
1
-
-
-
4
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
6
0
3
3
Obligatorischer
Volksentscheid
2
17
2
2
2
-
11
1
-
1
2
1
-
-
-
1
42
17
14
11
Nach
Volksbegehren
-
6
4
-
-
7
-
-
-
-
-
-
1
1
2
-
21
2
7
11
Gesamtzahl
Volksentscheide
3
24
6
2
2
11
11
1
-
1
2
1
1
1
2
1
69
19
24
26
Gesamtzahl
Volksbegehren
-
19
9
10
4
14
1
1
3
2
1
-
4
3
5
5
81
10
23
48
Tabelle 3: Nutzung vonVolksbegehren und -entscheiden in den Bundesländern
1...,34,35,36,37,38,39,40,41,42,43 45,46,47,48,49,50,51,52,53,54,...64
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