Themenheft Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 2/13) - page 46

15 Meerkamp (wie Anm. 9).
den Initiatoren gelungen, so großen politischen Druck zu
erzeugen, dass es der Landtagsmehrheit – etwa mit Blick auf
die nächste Wahl – opportun erschien, das Anliegen des
Volksbegehrens aufzugreifen. Direktdemokratische Verfah-
ren sind Teil des politischen Prozesses, ihre Nutzung ist da-
her auch vor diesem Hintergrund zu verstehen.
Mündet ein erfolgreiches Volksbegehren in einen
Volksentscheid, ist der Erfolg keineswegs garantiert
(Tab. 5). Bisher führten zwölf von 21 Volksentscheiden zu
einem Sieg von Volksbegehren an der Abstimmungsurne. In
Bayern gelang es etwa dem Volksbegehren „Für echten
Nichtraucherschutz“ im Jahr 2010 den bundesweit strengs-
ten Nichtraucherschutz in einem Volksentscheid durchzu-
setzen. In den übrigen neun Volksentscheiden scheiterten
die Volksbegehren jedoch. In vier Fällen votierte eine Mehr-
heit gegen die Vorlage. In weiteren sechs Fällen erreichte die
Vorlage zwar die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, doch
genügte die Zahl der Ja-Stimmen nicht, um das Zusatzquo-
rum (Anteil der Stimmberechtigten) zu erfüllen. Gerade
diese Fälle werden von Befürwortern direktdemokratischer
Verfahren kritisiert, da Zustimmungsquoren, die ihre Ver-
fechter als Schutz vor allzu eng umrissenen Spezialinteres-
sen verteidigen, denWillen des Volkes beschnitten. Bedenkt
man die schwache politische Beteiligung von Bürgern auf
Landesebene, etwa abzulesen anWahlbeteiligungsraten von
ca. 50 Prozent, können hohe Zustimmungsquoren die fak-
tischen Möglichkeiten zur Volksgesetzgebung tatsächlich
erheblich einschränken.
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Befürworter direkter Demokratie
dürften daraus Reformbedarf ableiten, während Anhänger
repräsentativer Demokratie darin weniger Anlass zur Sorge
sehen dürften.
Wesentlich besser sind die Erfolgsaussichten von
obligatorischen und von durch Legislative oder Exekutive
eingeleiteten Volksentscheiden. Wie Tabelle 5 zeigt, waren
37 von 47 Vorlagen in einem solchen Volksentscheid erfolg-
reich. Zwei scheiterten am Quorum, acht stießen bei den
Stimmbürgern auf mehrheitliche Ablehnung. Jüngstes Bei-
spiel ist die Volksabstimmung über das „S 21-Kündigungs-
gesetz“ in Baden-Württemberg im Jahr 2011. Diese Ab-
stimmung ist zugleich untypisch, da die meisten der hier be-
trachteten Referenden Verfassungsänderungen zum
Gegenstand hatten. Diese schließen einen Prozess ab, in
dem das Parlament einen Entwurf berät und mit Zweidrit-
telmehrheit billigt, ehe dieser abschließend den Bürgern zur
Billigung vorgelegt wird. Bevor die Bürger darüber abstim-
men, hat der Entwurf somit ein parlamentarisches Verfah-
ren durchlaufen, das darauf abzielt, für Regierungs- und
Oppositionsparteien tragbare Lösungen zu erzielen und so
viele gesellschaftliche Interessen wie möglich zu berück-
sichtigen. Daher kann es kaum erstaunen, dass diese Vorla-
gen in Volksentscheiden deutlich höhere Erfolgsquoten er-
zielen als Vorlagen aus Volksbegehren, die gerade danach
streben, gegen den Willen der parlamentarischen Mehrheit
Standpunkte durchzusetzen. Zugleich deutet der Trend zu
Direktdemokratische Verfahren auf Landes- und Bundesebene
Einsichten und Perspektiven Themenheft 2 | 13
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Quelle: eigene Darstellung. Gegenentwürfe des Parlaments in von Volksbegehren herbeigeführten Volksentscheiden sind als legislative Vorlagen gewertet.
Stand: 21.12.2013.
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
Gesamt
erfolgreich
-
3
1
-
-
5
-
-
-
-
1
-
1
-
1
-
12
abgelehnt
-
3
1
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
4
an Quorum
gescheitert
-
-
2
-
-
2
-
-
-
-
-
-
-
1
1
-
6
erfolgreich
2
16
2
1
2
-
11
1
-
-
1
-
-
-
-
1
37
abgelehnt
1
2
-
1
-
2
-
-
-
1
-
1
-
-
-
-
8
an Quorum
gescheitert
-
-
-
-
2
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
2
Tabelle 5: Erfolg vonVolksentscheiden in den Bundesländern
Initiativ-Volksentscheid
Legislativer und obligatorischer Volksentscheid
1...,36,37,38,39,40,41,42,43,44,45 47,48,49,50,51,52,53,54,55,56,...64
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