Themenheft Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 2/13) - page 48

20 Wird das erforderliche Quorum an Unterschriften von zehn Prozent der Wahlberechtigten im betroffenen Gebiet erreicht, muss innerhalb
von zwei Jahren ein Bundesgesetz verabschiedet werden, das, Art. 29 II GG folgend, wieder eines Volksentscheids bedarf. Alternativ kann
in diesem Zeitraum auch eine Volksbefragung anberaumt werden, auf deren Basis im positiven Fall ein Bundesgesetz verabschiedet wird,
das keines weiteren Volksentscheids bedarf.
21 Siehe Otmar Jung: Die Volksabstimmung über die Länderfusion Berlin-Brandenburg: Was hat sich bewährt – wer ist gescheitert?, in: Zeit-
schrift für Parlamentsfragen 28 (1997), H. 1, S. 13–20.
22 Vgl. Simon Hug / George Tsebelis: Veto Players and Referendums around the World, in: Journal of Theoretical Politics 14 (2002), H. 4,
S. 465–515. Einen auf die Diskussion um die Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene fokussierten Beitrag mit Blick
auf das Reformpotenzial der Direktdemokratie bietet Uwe Kranenpohl: Bewältigung des Reformstaus durch Direkte Demokratie?, in: Aus
Politik und Zeitgeschichte 56 (2006), H. 10, S. 32–38.
23 Siehe hierzu etwa Ian Budge: The New Challenge of Direct Democracy, Cambridge 1996.
24 Vgl. Armin Schäfer / Harald Schoen: Mehr Demokratie, aber nur für wenige? Der Zielkonflikt zwischen mehr Beteiligung und politischer
Gleichheit, in: Leviathan 41 (2013), H. 1, S. 94–120.
lich eröffnet Bürgern die Möglichkeit, mittels eines Volks-
begehrens die Initiative zur Neugliederung zu ergreifen.
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Ein solches Volksbegehrenwurde bislang nicht initiiert. Der
Gründung des Landes Baden-Württemberg ging allerdings
eine Volksabstimmung im Jahr 1951 voraus. 1996 waren
Berliner und Brandenburger aufgerufen, über die Grün-
dung eines gemeinsamen Bundeslandes abzustimmen.
Letztlich scheiterte diese Neugliederung an der mangelnden
Unterstützung der Brandenburger.
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In anderen als diesen wenigen und klar umrissenen
Fällen sieht das Grundgesetz keine direktdemokratischen
Verfahren vor. Ob dies so bleiben soll, ist – wie eingangs er-
wähnt – heute umstritten. In einer Diskussion darüber, so
legt unsere Analyse nahe, sollte man zunächst bedenken,
dass der Oberbegriff „direktdemokratische Verfahren“ In-
strumente mit unterschiedlichen Zielen und Funktionen
zusammenfasst. Wir wollen uns hier auf von Bürgern initi-
ierte Gesetzgebungsverfahren, also die in den Ländern üb-
liche Kombination aus Volksbegehren und Volksentscheid,
und auf das nachgelagerte Referendum über Gesetzes- und
Verfassungsänderungen konzentrieren. Erstere ermöglicht
es Bürgerinnen und Bürgern, gegen das Parlament Gesetze
zu machen; Letzteres hingegen räumt ihnen ein Vetorecht
ein. Beide sollen offenbar Abweichungen zwischen den
Entscheidungen in der repräsentativen Demokratie und den
politischen Vorstellungen der Bürger verringern, beide je-
doch auf unterschiedliche Weise. Die Initiative sollte daher
in Erwägung gezogen werden, wenn man den Eindruck ge-
winnt, in der repräsentativen Demokratie würde zu wenig
verändert, Vetoreferenden hingegen, wenn man allzu rasche
Veränderungen erkennt und verhindern will.
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Unabhängig vom Verfahrenstyp legen die Erfah-
rungen auf Landesebene den Schluss nahe, dass direktde-
mokratische Verfahren in Deutschland durchaus genutzt
werden, aber nicht zu Daueraktivität oder gar politischer
Rastlosigkeit führen. Zweitens deuten die Befunde darauf
hin, dass direktdemokratische Verfahren die Gesetzgebung
in den Ländern nicht von Grund auf verändert haben. Eher
scheinen sie für neue Nuancen gesorgt zu haben. Drittens
dürfen direktdemokratische Verfahren nicht missverstan-
den werden als ein Instrument gegen den Einfluss von Par-
teien und Verbänden auf politische Entscheidungen. Nicht
selten bedienen sich Parteien und Interessengruppen di-
rektdemokratischer Verfahren, um Anliegen zu betreiben,
die sie auf repräsentativdemokratischemWege nicht durch-
setzen konnten. Direktdemokratische Verfahren ändern die
Regeln der politischen Auseinandersetzung, in der Parteien
und Interessengruppen aber weiterhin eine wichtige Rolle
spielen.
23
Viertens fällt die Beteiligung von Bürgern an di-
rektdemokratischen Verfahren häufig noch geringer aus
als an Wahlen und ist noch stärker zugunsten ressourcen-
starker Personen verzerrt. Diese Verfahren können daher
schwerlich Asymmetrien in der politischen Partizipation
ausgleichen, eher werden sie diese vergrößern.
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Anders for-
Direktdemokratische Verfahren auf Landes- und Bundesebene
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