Themenheft Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 2/13) - page 43

Direktdemokratische Verfahren auf Landes- und Bundesebene
Einsichten und Perspektiven Themenheft 2 | 13
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zustehen, oder auch die Frage, wer die Kosten der Verfah-
ren trägt.
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Allerdings veranschaulicht auch die auf wenige
Regeln konzentrierte Übersicht Ähnlichkeiten und Unter-
schiede zwischen den Ländern.
In Bezug auf Volksinitiativen überwiegen die Ähn-
lichkeiten. Üblicherweise muss eine solche Initiative von
rund einem Prozent der Wahlberechtigten unterstützt wer-
den, damit sie im Parlament behandelt werden muss. Ver-
gleichsweise hohe Hürden sind in Thüringen und Bremen
zu überwinden, doch weichen auch diese nicht wesentlich
von den anderen Regelungen in den anderen Ländern ab.
Wesentlich größere Unterschiede fallen bei der Ausgestal-
tung von Volksbegehren ins Auge. In Brandenburg sind
Unterschriften von 3,8 Prozent der Wahlberechtigten er-
forderlich, um ein Volksbegehren zum Erfolg zu führen; in
Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein genügen fünf
Prozent. In einigen Ländern sind rund zehn Prozent erfor-
derlich. In Hessen und im Saarland hingegen muss mindes-
tens ein Fünftel der Stimmberechtigten unterschreiben. Die
Hürden liegen in diesen beiden Ländern somit rund fünf-
mal so hoch wie im Bundesland mit der liberalsten Vor-
schrift.
Ebenfalls beträchtlich ist die Spannbreite der Fris-
ten, in denen die erforderlichen Unterschriften gesammelt
werden können. In Nordrhein-Westfalen haben die Initia-
toren ein Jahr Zeit. In Sachsen sind es acht Monate, in an-
deren Ländern sechs Monate. Am unteren Ende der Vertei-
lung finden sich Baden-Württemberg, Bayern und das Saar-
land, die Bürgern zwei Wochen Zeit einräumen, um Unter-
stützerunterschriften zu sammeln. Bedenkt man, dass im
Saarland Unterschriften von immerhin einem Fünftel der
Stimmberechtigten vorgelegt werden müssen, erscheinen
diese Zugangshürden im bundesweiten Vergleich als sehr
hoch. Dagegen genügen beispielsweise in Brandenburg die
Unterschriften eines vergleichsweise kleinen Teils der
Stimmberechtigten, die zudem in einer relativ langen Frist
gesammelt werden können. Unter solchen Bedingungen
sind die Zugangshürden niedrig und die Aussichten für Bür-
ger günstig, mit ihren Anliegen zu reüssieren.
Kommt es zu einem Volksentscheid, kann ein Ent-
wurf nur dann Gesetzeskraft erlangen, wenn er mindestens
die Mehrheit der Stimmen erhält. Allerdings handelt es sich
dabei nur um eine Mindestvoraussetzung, die in vielen Fäl-
len um Zusatzbedingungen ergänzt wird. Sie werden einge-
führt, um die Durchsetzung allzu kleiner Minderheitsinter-
essen zu verhindern. Betrachten wir zunächst einfache Ge-
setze, so sehen etliche Länder vor, dass die Mehrheit der
Stimmen einen bestimmten Mindestanteil an den Wahlbe-
rechtigten erreicht. In Nordrhein-Westfalen sind 15 Pro-
zent erforderlich, in mehreren Ländern ein Viertel der
Quelle: Landesverfassungen und Volksabstimmungsgesetze; Prozentangaben der Quoren basieren teils auf eigener Umrechnung der gesetzlichen Angaben.
Tnz: trifft nicht zu. Lesehilfe: Der Wert 33 % in der vorletzten Spalte bedeutet, dass ein Entwurf angenommen ist, auf den mehr als die Hälfte der abgegebenen
Stimmen entfällt, wenn die Ja-Stimmen mindestens einem Drittel der Stimmberechtigten entsprechen.
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
Unterschriftenquoren
Sammlungsfrist
Zustimmungsquoren
Volksinitiative
-
-
1,0 %
1,0 %
2,0 %
0,8 %
-
1,1 %
1,1 %
0,5 %
1,0 %
-
1,1 %
1,5 %
0,9 %
2,6 %
Volksbegehren
16,7 %
10,0 %
7,0 %
3,8 %
5,0 %
5,0 %
20,0 %
8,7 %
10,0 %
8,0 %
9,7 %
20,0 %
12,8 %
11,0 %
5,0 %
8,0 %
16,7 %
10,0 %
7,0 %
3,8 %
5,0 %
5,0 %
20,0 %
8,7 %
10,0 %
8,0 %
9,7 %
20,0 %
12,8 %
11,0 %
5,0 %
8,0 %
Volksbegehren einfaches Gesetz
Basis: Stimmbe-
rechtigte
1/3
-
25 %
25 %
20 %
20 %
-
33 %
25 %
15 %
-
50 %
-
25 %
25 %
25 %
verfassungsän-dern-
des Gesetz
Basis:
Abstimmende
Mehrheit
Mehrheit
2/3-Mehrheit
2/3-Mehrheit
Mehrheit
2/3-Mehrheit
Mehrheit
2/3-Mehrheit
Mehrheit
2/3-Mehrheit
Mehrheit
Tnz
Mehrheit
2/3-Mehrheit
2/3-Mehrheit
Mehrheit
Tabelle 2: Quoren und Sammlungsfristen in den Bundesländern
13 Eine ausführliche Auflistung diverser Regelungen direktdemokratischer Verfahren bietet Bärbel Martina Weixner: Direkte Demokratie in
den Bundesländern. Verfassungsrechtlicher und empirischer Befund aus politikwissenschaftlicher Sicht, Opladen 2002.
1...,33,34,35,36,37,38,39,40,41,42 44,45,46,47,48,49,50,51,52,53,...64
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