Themenheft Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 2/13) - page 25

Volksbegehren und Volksentscheid in Bayern – Geschichte und rechtliche Grundlagen
Einsichten und Perspektiven Themenheft 2 | 13
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23 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Verfassungs-Ausschusses der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung,
Band I (1947), S. 187 ff. Vgl. hierzu den Abschnitt „Die demokratischen Grundgedanken der Verfassung als Grenze ihrer Änderbarkeit“ in
diesem Artikel.
24 Darauf weisen auch VerfGHE 52, 104/126, und Hans Zacher, BayVBl. 1998, 737/740, hin.
25 S. Karl-Ulrich Gelberg (Hg.): Die Protokolle des Vorbereitenden Verfassungsausschusses in Bayern 1946, München 2004, Dokument 11,
S. 169.
26 S. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Verfassungs-Ausschusses der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversamm-
lung, Band I (1947), S. 182 und 185 ff.
DieVerhandlungen imVerfassungsausschuss der
BayerischenVerfassunggebenden Landesversamm-
lung (1946)
Wie bereits ausgeführt, wurde der Umfang der Volksbetei-
ligung an der Gesetzgebung im Verfassungsausschuss der
Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung in-
tensiv diskutiert. Mit Blick auf die hier zu betrachtende aus
dem Volk heraus initiierte Gesetzgebung hat sich im Zuge
der Beratungen eine wesentliche Änderung gegenüber dem
Verfassungsentwurf ergeben, den der Vorbereitende Verfas-
sungsausschuss nach seinen Beratungen im Zeitraum vom
8. März bis zum 24. Juni 1946 der Bayerischen Verfassung-
gebenden Landesversammlung vorgelegt hatte. Dieser Ver-
fassungsentwurf bestimmte in Art. 50 Abs. 1 Satz 2, dass
Anträge auf Änderung der Verfassung nicht durch Volks-
begehren eingebracht werden können, und entzog damit die
Verfassungsänderung der Volksgesetzgebung. Im Lauf der
Beratungen des Verfassungsausschusses der Bayerischen
Verfassunggebenden Landesversammlung wurde diese Vor-
schrift jedoch ersetzt durch die – mit ihr in keinem inhaltli-
chen Zusammenhang stehende – sogenannte „Ewigkeits-
klausel“, wonach Anträge auf Verfassungsänderungen, die
den demokratischen Grundgedanken der Verfassung wi-
dersprechen, unzulässig sind (jetzt Art. 75 Abs. 1 Satz 2
BV).
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Warumder imVerfassungsentwurf vorgesehene Aus-
schluss der Verfassungsänderung von der Volksgesetzge-
bung fallen gelassen wurde, lässt sich den Protokollen des
Verfassungsausschusses allerdings nicht entnehmen.
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Dies
ist umso bemerkenswerter, als der Vorentwurf einer „Ver-
fassung des Volksstaates Bayern“, der Diskussionsgrundla-
ge für den Vorbereitenden Verfassungsausschusses gewesen
war, den Ausschluss der Verfassungsänderung im Wege der
Volksgesetzgebung ursprünglich noch gar nicht enthalten
hatte. Dieser Ausschluss wurde vielmehr erst auf Anregung
des Staatsrechtlers Professor Dr. Hans Nawiasky, der so-
wohl vom Vorbereitenden Verfassungsausschuss als auch
vom Verfassungsausschuss als Berater hinzugezogenen
worden war, in der Sitzung des Vorbereitenden Verfas-
sungsausschusses vom 4. April 1946 aufgenommen.
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Ansonsten blieb es hinsichtlich der volksinitiierten
Gesetzgebung bei den bereits im Verfassungsentwurf vor-
gesehenen und in Art. 74 BV eingeflossenen Bestimmungen,
die im Einzelnen später erörtert werden. Lediglich die Frist,
binnen derer der Landtag rechtsgültige Volksbegehren zu
behandeln hat, und die weitere Frist, binnen derer das
Volksbegehren nach der Behandlung im Landtag dem Volk
zur Entscheidung vorgelegt werden muss, wurden von je-
weils sechs auf drei Monate verkürzt (Art. 50 Abs. 5 Satz 1
des Verfassungsentwurfs vs. Art. 74 Abs. 5 Satz 1 BV).
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Volksbegehren undVolksentscheide seit 1946
Bevor auf den rechtlichen Rahmen der Volksgesetzgebung
imEinzelnen eingegangen wird, soll ein kurzer Blick auf die
(zulässigen) Volksbegehren und Volksentscheide seit 1946
„Plebiszit“ 1936 – bei der sog. „Neuwahl“ des Reichstages nach der militärischen Besetzung des Rheinlandes nimmt Propagandami-
nister Joseph Goebbels in seinemArbeitszimmer von Stabsleiter Hugo Fischer (rechts Mitte) und dem stellvertretenden Pressechef
der Reichsregierung, Alfred Ingemar Berndt (ganz rechts), die erstenWahlergebnisse entgegen. Zugelassen war wie bei derWahl im
November 1933 nur eine nationalsozialistisch dominierte Einheitsliste, auf der einige als Gäste bezeichnete Parteilose kandidierten.
Es handelte sich damit um eine Scheinwahl, da das Ergebnis bereits von vornherein feststand:Wahl und auch Abstimmung erbrach-
ten (wie vom NS-Regime beabsichtigt) eine deutliche Zustimmung für die NS-Diktatur.
Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann
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