Themenheft Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 2/13) - page 24

des in Abgrenzung zur Verfassung sogenannten „einfa-
chen“ Rechts wie auf eine Änderung der Verfassung selbst
gerichtet sein können. Die Bayerische Verfassung bringt der
Volksgesetzgebung eine hohe Wertschätzung entgegen.
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Auch wird von ihr tatsächlich rege (und im Vergleich zu an-
deren Ländern überdurchschnittlich viel) Gebrauch ge-
macht.
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Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf
diesen Einsatzbereich von Volksbegehren und Volksent-
scheid.
Geschichte der Volksgesetzgebung in
Bayern
Bamberger Verfassung 1919
Bereits die Verfassung des Freistaates Bayern vom 14. Au-
gust 1919 (sog. „Bamberger Verfassung“; im Folgenden: BV
1919) kannte Volksbegehren und „Volksentscheidung“ als
Mittel der aus dem Volk initiierten Gesetzgebung. Aller-
dings lagen die Hürden insgesamt höher als heute. Ein
Volksbegehren über ein einfaches Gesetz erforderte (wie
heute) die Eintragung von 10 %, ein verfassungsänderndes
Volksbegehren jedoch die Eintragung von 20 % der stimm-
berechtigten Staatsbürger (§ 10 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung
mit §§ 6 und 7 BV 1919). Eine den Gesetzentwurf eines
rechtswirksamen Volksbegehrens annehmende Volksent-
scheidung setzte neben einer einfachen Mehrheit (bei ver-
fassungsändernden Volksentscheidungen: einer Zweidrit-
telmehrheit) der abgegebenen Stimmen voraus, dass sich
mindestens ein Fünftel (bei verfassungsändernden Volks-
entscheidungen: mindestens zwei Fünftel) der Stimmbe-
rechtigten an der Abstimmung beteiligten (§ 10 Abs. 3 Sät-
ze 2 und 3 BV 1919). Darüber hinaus war gemäß § 10 Abs. 1
Nr. 2 in Verbindung mit § 77 Abs. 1 BV 1919 eine ganze Rei-
he von Materien von der Volksentscheidung ausgenommen,
während die heutige Verfassung in Art. 73 lediglich die – al-
lerdings gewichtige – Einschränkung enthält, dass über den
Staatshaushalt kein Volksentscheid stattfindet.
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In der Zeit
der Weimarer Republik gab es nicht einen Fall erfolgreicher
Volksgesetzgebung in Bayern. Das einzige rechtswirksame
Volksbegehren wurde 1924 von der stärksten Partei im
Bayerischen Landtag, der Bayerischen Volkspartei, betrie-
ben, die in der vorherigen Legislaturperiode imBayerischen
Landtag eine auf die Einführung eines Staatspräsidenten
und einer Zweiten Kammer gerichtete Verfassungsände-
rung nicht durchsetzen konnte. Auch in der Volksentschei-
dung vom 6. April / 4. Mai 1924 wurde die Verfassungsän-
derung mit 52,1 % zu 47,9 % der Stimmen abgelehnt.
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Neben der auf eine positive Regelung abzielenden
Volksgesetzgebung sah die Bamberger Verfassung mit der
sogenannten Referendumsinitiative (§ 77 Abs. 2 BV 1919)
zudem den Fall einer vom Volk initiierten negativen
(Veto-)Gesetzgebung vor. Danach konnte (unter anderem)
durch Volksbegehren eine Volksentscheidung über ein vom
Landtag ohne Volksbegehren beschlossenes, aber noch
nicht in Kraft getretenes Gesetz herbeigeführt werden. Die-
se (soweit ersichtlich) nicht praktisch gewordene Bestim-
mung wurde nicht in die Verfassung des Freistaates Bayern
vom 2. Dezember 1946 übernommen, sodass eine Referen-
dumsinitiative nicht zulässig ist.
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18 VerfGHE 52, 104/126; 60, 131/145.
19 Hahnzog (wie Anm. 14), S. 235 ff.; Peter M. Huber, BayVBl. 2012, 257/259.
20 Vgl. hierzu auch den Abschnitt „Der Finanzvorbehalt des Art. 73 BV als besondere Grenze der Volksgesetzgebung“ in diesem Artikel.
21 Otmar Jung: Volksabstimmungen, in: Historisches Lexikon Bayerns,
(Stand: 02.12.2013).
22 VerfGHE 29, 244/253; 31, 77/93.
Volksbegehren und Volksentscheid in Bayern – Geschichte und rechtliche Grundlagen
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