Flagge Polen
Flagge Polen ©stock-adobe.com

Schülerinnen und Schüler berichten über ihr Auslandsjahr in Polen:

Viele fragten mich: "Wieso Polen?" Egal, ob in Deutschland oder in Polen selbst, wäre es nicht „normaler" gewesen, zum Beispiel in die USA zu gehen? Nun, für mich nicht. Ich habe Polen als Gastland ausgewählt, da meine Mutter Polin ist und ich die Sprache besser erlernen wollte.

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Die meisten meiner Bekannten haben mich etwas irritiert und fragend angeschaut, als ich ihnen vor ungefähr eineinhalb Jahren erzählt habe, dass ich ein Jahr in Polen verbringen werde. Jetzt werde ich von den gleichen Leuten gefragt: „Und, wie war's?" „Bereust du es, dass du das alles hier für so lange zurückgelassen hast?" oder „Würdest du, wenn du noch einmal entscheiden könntest, wieder nach Polen gehen?" Ja, ich würde noch einmal alles zurücklassen und dafür viele Menschen kennen lernen, neue Freunde finden, viele schöne und nützliche Erfahrungen machen und eine wunderschöne Zeit verbringen. Auf jeden Fall würde ich dann wieder Polen als Zielland wählen.

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Ich wurde sehr oft gefragt, warum ich ausgerechnet ein Jahr in Polen verbringen möchte. Ich habe ihnen geantwortet, dass ich einfach einen Nachbar von Deutschland kennen lernen möchte, von dem ich so gut wie nichts weiß. Ich habe mir gedacht, dass es doch nicht sein kann, dass man nichts anderes von Polen weiß. Ich wollte ihr Leben und ihre Lebensweise erfahren und die Sprache erlernen. Ich sagte, in Deutschland kennt man doch nur die Polen, die hier als Erntehelfer arbeiten und die diverse Sachen stehlen. Es gibt wirklich sehr viele Vorurteile gegenüber dem Land Polen und gegenüber den Menschen, die dort leben, doch ich wurde in den ganzem Auslandsjahr nicht mit einem einzigen Vorurteil konfrontiert, keiner der Menschen, die ich getroffen habe, haben mich wegen meiner Herkunft verurteilt. Was kann man gegen solche Vorurteile tun? Naja, zum Beispiel ein Jahr in Polen verbringen.

Als ich am Bahngleis angekommen bin, stand schon meine Gastfamilie da, die mich sehr freundlich begrüßt hat.

Piroggen, also Teigtaschen gefüllt mit Fleisch, manchmal aber auch mit Käse, Zwiebeln - da gibt es verschiedene Varianten. Ein anderes Mal war ich mit meiner Gastmutter in einem kleinen Lokal, in dem ich sogenannten „Barszcz“ (zu Deutsch „Borschtsch“) gegessen habe. Ich war etwas überrascht, als ich eine Schüssel mit pinkfarbener Suppe vor mir hatte, die etwas süß-säuerlich schmeckte, aber auch unverkennbar nach Roter Bete, das ist nämlich der Hauptbestandteil dieser Suppe. Und sonst habe ich einmal einen bekannten polnischen Käse aus den Bergen bei Zakopane gegessen, der schmeckte ein wenig wie Räucherkäse, bloß viel salziger.

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Als Erstes zum Essen, meiner Meinung nach nun einmal eine der ersten Sachen, die man in einer anderen Kultur entdeckt und auch eine sehr schöne. Den weißen Käse gibt es hier mit Honig auf weißem Brot, das passt wunderbar zum Frühstück. Das graue Brot darf man in Polen anscheinend vermissen, zumindest habe ich das noch nicht gesehen. Meine Gastmutter kann glücklicherweise auch diese leckeren Pierogi machen, die, wie mir erzählt wurde, es auch auf russische Art gibt. Wenn ich es richtig verstand, sind die Polnischen, zumindest hier in der Familie mit Fleisch, während die Russischen mit Käse und Zwiebeln, gemacht sind. Die rote Suppe (aus Rote Beete) gibt es hier auch des Öfteren, allerdings mit Kartoffeln, da sie ja auch sättigen soll.

In meine Gastfamilie wurde ich dann ohne großes Getue, aber dafür sehr nett aufgenommen und auch sehr schnell als Familienmitglied akzeptiert. Meine damals siebenjährige Gastschwester ist sogar extra für mich in das Zimmer der Gasteltern umgezogen und hat mir ihres überlassen!

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Meine zweite Gastfamilie war nicht so wohlhabend wie die Erste und wohnte deshalb auch nur in einer kleinen 4-Zimmerwohnung in einem Hochhaus, in der Nähe des Zentrums. Meine Gastschwester und ich haben uns zusammen ihr Zimmer geteilt. Und obwohl ich am Anfang ehrlich gesagt doch etwas Zweifel hatte, ob ich mit der Situation so zurecht kommen würde, hat es besser geklappt, als ich es mir hätte vorstellen können.

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Was mir am Anfang sehr merkwürdig vorkam, war die traditionelle Rollenaufteilung in der Familie: Obwohl meine Gastmutter auch berufstätig ist, kocht sie jeden Tag (meistens am Abend davor). Dies scheint jedoch nur auf den ersten Blick so eindeutig: Beispielsweise ist mein Gastvater fürs Wäschewaschen zuständig, und mein Gastbruder kann bei Bedarf kochen (sogar lecker!). Die traditionellere Erziehung führt auch dazu, dass sich selbst Jugendliche „zu benehmen wissen". Dazu gehört, alten Leuten im Bus den eigenen Sitzplatz anzubieten. Bei der ersten Begegnung geben sich Jugendliche die Hand und nennen den eigenen Namen, und wenn wir in die Klassenzimmer gehen, warten die Jungs draußen, bis alle Mädchen rein gegangen sind. Das kam mir am Anfang leicht surreal vor, aber mittlerweile finde ich es super, und werde es wohl in Deutschland vermissen.

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Die Gastfamilie, in die ich gekommen bin, war für mich gleich mal eine Umstellung. Meine Gasteltern waren geschieden, meine Gastmutter alleine mit ihrer Tochter. Der Sohn wohnte mittlerweile schon in Warschau und arbeitete. In Deutschland lebte ich mit meinen Eltern und meinen beiden Brüdern. So war der eher weiblich dominierte Haushalt in Polen für mich etwas Anderes. Doch schon beim ersten Abendessen hatten wir etwas zu lachen… und ich wusste schon, dass es mir dort gefallen wird.

Dann kam Weihnachten – und das wurde in meiner Familie mit vielen Gästen prächtig gefeiert. Als Erstes gab es für jeden Oblaten, die man aber nicht selbst gegessen hat. Stattdessen ist jeder im Raum rumgelaufen und hat den Anderen Glückwünsche gesagt, um schließlich etwas von der Oblate des jeweils anderen abzubrechen. Danach gab es ein großes Mahl mit vielen verschiedenen Speisen auf dem Tisch. Traditionell gibt es dabei aber kein Fleisch, sondern hauptsächlich Fisch, Gemüse, Kraut, Suppen und andere Sachen. Der Tradition nach wird auch immer ein Platz mehr gedeckt, als Leute erwartet werden, für den (in Wirklichkeit nie auftretenden) Fall, dass ein überraschender Gast zu Besuch kommt.

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Ein anderer Unterschied ist die viel höhere Stellung der Religion im Alltagsleben. Ich gehe im Moment jeden Sonntag in die Kirche, worauf meine Gastmutter großen Wert legt. Die Kirche ist jeden Sonntag so voll, dass manche Leute stehen müssen. Eines meiner schönsten Erlebnisse hier war Allerheiligen: Absolut jeder war auf dem Friedhof, um auf den Gräbern von verstorbenen Verwandten, Freunden und Arbeitskollegen Kerzen aufzustellen. Nach Einbruch der Dunkelheit sah es wunderschön aus.

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Eine Tradition ist das Bauen von Krippen vor Weihnachten. Diese werden dann in ganz Krakau ausgestellt und die schönste Krippe gewinnt.

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Auch ist der Heilig Abend in Polen etwas ganz besonderes. Mit dem ersten Abendstern versammelt sich die ganze Familie um den Tisch, der festlich gedeckt ist und auf dem zwölf verschiedene Gerichte stehen, die meistens selbst zubereitet wurden und für die zwölf Jünger stehen. Dann teilt man mit jedem Familienmitglied eine Oblate und wünscht sich gegenseitig Glück und Gesundheit. Um Mitternacht geht man dann zum Abschluss zusammen in die Kirche.

Polen hat sich mir als Land der Gegensätze gezeigt: Auf der einen Seite das hochmoderne Warschau, mit seinen Hochhäusern, Büros, breiten, stark befahrenen Straßen. Auf der anderen Seite kleine Dörfer mit teilweise heruntergekommenen Bauernhöfen, Obst- und Gemüseanbau und Straßen, die man so nie in Deutschland finden würde, weil sie einfach schrecklich zum Befahren sind. Zum einen Familien, die Geld haben, ihr Kind in eine Privatschule zu schicken, zusätzlich aber noch Privatunterricht dreimal die Woche bezahlen. Zum anderen arme, meist alte Menschen, die an irgendwelchen Straßenecken Blumen, Sonnenblumenkerne und Zigaretten verkaufen, um sich irgendwie „über Wasser zu halten". Einerseits die starke Christlichkeit, auch - oder vielleicht sogar vor allem, bei jungen Menschen in meinem Alter. Andererseits das ausgelassene Feiern und Tanzen auf Partys und Geburtstagsfeiern, wobei manche durchaus zum Übertreiben neigen.

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Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es in Polen sehr viel unkomplizierter ist Kontakte zu knüpfen als in Deutschland. Beispielsweise wurde ich an der Bushaltestelle von einer älteren Frau um eine Übersetzung gebeten, als ich mich mit einer Freundin auf Englisch unterhielt. Solche Sachen passieren ständig, und ich finde es einfach super, obwohl ich keine Erklärung dafür habe, warum die Polen hier so anders sind als die Deutschen. Sie nehmen sich einfach selbst nicht so wichtig. Auch in der Schule sind die Leute hilfsbereit, wenn ich Fragen stelle, wozu ich mich aber erstmal überwinden musste.

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Polen ist ein sehr schönes Land, mit viel Natur, wunderschönen kleinen Städtchen und auch modernen großen Städten, netten Menschen und vielen Traditionen. Gut lässt sich Polen mit den Worten herzlich, gemütlich und liebevoll beschreiben.

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Mit der Zeit baute sich mir ein Freundeskreis auf, ich spielte zweimal die Woche mit Freunden Fußball und am Wochenende war ich meistens auf irgendeiner Osiemnastka (ein 18. Geburtstag, welcher in Polen sehr groß gefeiert wird). Ich kam nämlich genau in dem Jahr in meine Klasse, in dem alle 18 wurden. Als das erste Mal jemand 18 wurde, war ich ein bisschen verschreckt. Denn in Polen gibt es einen Brauch, dass man jemandem, der 18 Jahre alt wird, mit einem Gürtel 18 Mal auf den Hintern haut. Mit der Zeit fand ich aber Gefallen daran.

In Polen ist es Tradition, dass man sich am ersten Schultag elegant kleidet. Entsprechend musste ich mich auch so anziehen, am besten in schwarz und weiß. Es war ein wirklich großer Unterschied zu einem ersten Schultag in Deutschland, aber es hat mir sehr gefallen.

Um noch einmal zur Sprache zurückzukommen, leicht ist sie nicht. Aber sobald man einmal das System erkannt hat, fällt es schon gar nicht mehr schwer sich auszudrücken.

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Da meine Sprachkenntnisse inzwischen (Anm: nach gut sechs Monaten Aufenthalt in Polen) besser waren, konnte ich nun viel auf eigene Faust unternehmen und habe die Stadt dabei gut kennengelernt.

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Ganz am Anfang als ich versucht habe, etwas nachzusprechen oder auch eigene Sätze zu bilden, kam mir erstmal ein lautes Gelächter entgegen, weil es sich einfach so lustig anhörte. Aber einfach mit lachen, immer wieder neu versuchen, reden und so einfach lernen - bloß nicht einschnappen! So lerne ich schon die ganze Zeit - einfach drauflos reden, ob grammatikalisch richtig oder falsch, nur keine Hemmungen. Natürlich tritt dabei auch mal die ein oder andere peinliche Situation auf. Ich wurde z.B. gefragt, wo genau ich denn eigentlich in Deutschland wohne und ich antwortete: „Mieszkam w Bawarii, w malem ciasto." Alle prusteten laut lachend los. Ich wusste nicht, warum und habe es immer wieder wiederholt, bis ich erfahren habe, dass ich die ganze Zeit gesagt habe, dass ich in Bayern in einem kleinen Kuchen wohne, statt einer kleinen Stadt. Peinlich - aber lustig! Und ich muss ehrlich sagen, mit solchen Situationen habe ich bisher am besten gelernt, weil ich danach die Vokabeln ganz genau weiß.

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Am Anfang ist es wirklich schwer ein Gefühl für diese Sprache zu entwickeln. Doch mit der Zeit gewöhnt man sich an diese unbekannte Sprache und auch wenn man noch nicht perfekt spricht und noch so gut wie keine Grammatik richtig anwendet,
spürt man die Erfolge. Ein Pole ist wirklich sehr begeistert, wenn man ein bisschen polnisch sprechen kann, denn sie selbst wissen, dass die Sprache nicht die einfachste ist.

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Am Ende des Schuljahres habe ich sogar mit noch einer anderen Deutschen eine 30-minütige Präsentation auf Polnisch über Deutschland vor der ganzen Schule gehalten und alleine dann noch eine weitere Präsentation über Bayern.

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Dass ich dann irgendwann richtig gut Polnisch konnte, merkte ich, als eines Tages nur ich zuhause war und es an der Tür klingelte. Ich machte auf und draußen stand einer der Arbeiter, die im Moment unseren Zaun reparierten. Er sagte etwas zu mir und ich wollte schon fast wie meistens am Anfang dieses Jahres antworten, dass ich nichts verstanden hätte. Aber dem war eben nicht so! Ich habe ihn komplett verstanden und gab ihm auch noch eine logische Antwort. Klar, merkte er meinen Akzent, er grinste ein bisschen, aber er verstand mich! Ganz stolz berichtete ich meiner Gastmutter und meiner Gastschwester beim Abendessen davon und die beiden scherzten, dass sie mittlerweile wohl nicht mehr schlecht über mich reden könnten, da ich sie ja verstehe.

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Alles in Allem bin ich wirklich begeistert. Auch wenn es nicht immer einfach ist, in ein Land zu gehen, wo man die Sprache nicht kann, würde ich jedem raten, ein Jahr im Ausland zu verbringen und somit etwas komplett anderes kennen zu lernen.

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Womit man bei der nächsten Sache ist, der wunderschönen polnischen Sprache. Ganze sieben Fälle gibt es und zusätzlich soll es noch viele Ausnahmen bei Endungen von Wörtern geben. Schön klingt die Sprache für meine Ohren allemal und von so etwas lässt man sich natürlich nicht aufhalten.

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Nach drei Monaten im Ausland ist mein Polnisch besser geworden. Ich verstehe schon mehr und kann mich auch besser verständigen. Natürlich fällt mir verstehen leichter, wie es wahrscheinlich bei jeder Fremdsprache ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich es auf keinen Fall bereue, mein Austauschjahr in Polen verbracht zu haben. Ich bin selbstständiger geworden, kenne die verschiedensten Leute und habe eine zweite Familie.

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Ohne den Hinweis meiner Schule, dass es ein Stipendienprogramm „Botschafter Bayerns“ gibt, hätte ich gar nicht gewusst, dass es möglich ist, ein Auslandsjahr in Polen zu verbringen, da die meisten anderen Schüler doch eher in englischsprachige Länder gehen. Aber auch Länder in Osteuropa lohnt es sich kennenzulernen, und es ist toll, dass dies durch dieses Stipendium, für das ich glücklicherweise ausgewählt wurde, gefördert wird.

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Natürlich war nicht das ganze Jahr über immer alles perfekt. Aber dadurch habe ich gelernt, dass ich eine Situation oder einen Umstand, den ich nicht akzeptieren kann, selbst ändern muss und Initiative ergreifen muss. Dass sich von selbst etwas tut, darauf kann ich nicht immer warten. Ich habe mir also eine gewisse Selbstständigkeit angeeignet. Letztendlich habe ich auch mehr Selbstbewusstsein bekommen.

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Ich kann jetzt viel offener und selbstbewusster auf andere Menschen zugehen.

Ich bin wirklich sehr zufrieden und glücklich mit meiner Entscheidung, dass ich für ein Jahr nach Polen gegangen bin. All die neuen Erfahrungen, die für mich und meinen weiteren Lebenslauf sehr wichtig sind, hätte ich sonst nicht so einfach sammeln können.

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Ganz egal, wie sich das weitere Jahr noch entwickelt, hat es mir jetzt schon viel gebracht. Ich habe gemerkt, dass das, was für mich „normal" ist, eben nur für Deutsche normal ist.

Stand: 27. März 2024

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