Flagge Frankreich
Flagge Frankreich ©stock-adobe.com

Schülerinnen und Schüler berichten von ihrem Auslandsjahr in Frankreich:

Ich bin am 3. September von Frankfurt nach Paris geflogen bin und danach weiter nach Lyon. Um genau zu sein, hatte ich bis dahin kaum Informationen über meine Gastfamilie, ich wusste nur meinen Ort: Voiron. Das ist eine kleine Stadt im Osten von Frankreich, welche mit dem Auto ungefähr eine Stunde von Lyon entfernt ist. An meinem Anreisetag wurde ich sehr oft überrascht, weil ich praktisch nichts über meine neue Familie wusste. In Lyon wurde ich von meinem Gastvater und meinen beiden kleinen Gastschwestern Camille (9) und Alix (12) abgeholt. Ich hatte mich super über meine beiden Gastgeschwister gefreut, weil ich in Deutschland „nur“ einen großen Bruder habe und mir immer kleinere Geschwister gewünscht habe.

***

Nun möchte ich ein bisschen über meine ersten Wochen sprechen, welche zum einen am interessantesten waren, aber meiner Meinung nach auch die Schwierigsten. Es gab schöne Momente, wie die erste Wanderung in den Bergen mit meiner Gastfamilie und mit einer wunderschönen Aussicht oder als mir meine Gastschwestern sämtliche Kartenspiele beigebracht haben, aber auch Momente, wo ich am liebsten nur noch zurück nach Deutschland wollte, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe, allein zu sein. Ich erinnere mich daran, als ich den ersten Mittwoch weinend nach Hause gelaufen bin oder als ich abends in meinem Bett lag und Angst hatte, in die Schule zu gehen. Das sind meine ersten Wochen gewesen: Ich habe mich oft allein gefühlt, traurig und verloren in einer Stadt, 700 km entfernt von meiner Familie.

***

Während der ersten Woche konnte ich mich noch etwas entspannen und meine Gastfamilie besser kennenlernen. Am 1. September musste ich dann das erste Mal in die Schule und auch wenn es nur für 3 Stunden war, hatte ich riesige Angst, da ich ja keinen kannte. Als am Montag dann wirklich der Unterricht losging, hatte ich noch mehr Angst, weil mein Französisch am Anfang sehr schlecht war und ich nicht alles verstanden habe und ich ja immer noch niemanden kannte. Aber direkt in der ersten Stunde hatte ich Englisch und hab mich mit den Leuten in meiner Gruppe sehr gut verstanden.

Wir haben erst so gegen 20 Uhr Abend gegessen und waren manchmal erst um 22 Uhr fertig. Die Franzosen essen tatsächlich viel Käse und Fleisch was für mich am Anfang sehr komisch war. Aber nach einiger Zeit hab ich mich an die Essgewohnheiten gewöhnt und ich hab auch einiges probiert, was ich in Deutschland niemals gegessen hätte (Austern, Schnecken, viel Käse, usw,…) Ich finde jeder sollte die Möglichkeit haben, dass zu erleben, was ich erlebt hab. Selbst wenn man nicht die Mittel hat es zu bezahlen sollte man nicht davon aufgehalten werden so viele schöne Erinnerungen zu machen.

Das Verhältnis mit meiner Gastfamilie ist auch super, weil wir viele Gemeinsamkeiten haben und ich ihnen viel erzähle und sie mir auch. Da ich gerne koche und backe, habe ich schon die ein en oder anderen deutschen Gerichte gebacken oder gekocht. An Wochenenden oder in den Ferien besuchen wir Freunde von meiner Gastfamilie oder machen etwas bei uns daheim.

***

Sehr hat mir auch Weihnachten gefallen, da ich da wieder die lokale Küche entdecken konnte, darunter andere Meeresfrüchte und Wildschweinfleisch, und weil meine Gastfamilie sehr nett war, mir auch, wie den anderen Kindern, einige kleine Geschenke zu besorgen. Ich habe mich zum ersten Mal wie ein Teil der Familie gefühlt.

***

Zunächst hat mir das Leben in meiner Gastfamilie eine neue Perspektive auf viele Kategorien wie Ernährung, Haushaltsführung, Gewohnheiten, Werte und Freizeitgestaltung. Somit hatte ich die Möglichkeit, meine Familie zu meiner Gastfamilie zu vergleichen und besser zu verstehen, wie ich selbst leben möchte, was für eine Art von Person ich sein möchte und was mir wichtig ist. Persönlich habe ich in meiner Gastfamilie viel über gesunde und ausgewogene Ernährung gelernt und den Umgang miteinander und Gewohnheiten innerhalb meiner Gastfamilie geschätzt. (Beide Punkte brachte ich auch seit meiner Ankunft in Deutschland in meinen Alltag ein.) Hingegen verstand ich auch, was mir in meinem Leben in Deutschland am Herzen liegt, und schätze diese Dinge jetzt umso mehr.

Mittlerweile habe ich einige Freunde gefunden, da Franzosen doch sehr offen sind. Mit diesen Freunden esse ich in der Kantine zusammen und wir reden und lachen viel gemeinsam.

***

Ich möchte noch einmal ein bisschen auf die Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland eingehen. Man könnte denken, da gibt es nicht so viele, denn Frankreich ist ja schließlich nur ein Nachbarland von Deutschland, aber einige Unterschiede gibt es doch. Ich erinnere mich daran, als ich das erste Mal aus der Schule zurückgekommen bin und meine Schwester mir das „goûter“ erklärt hat. Wir waren im Garten gesessen und sie hat das Brotbrett geholt. Bis jetzt war noch alles normal, aber als sie dann eine Tafel Schokolade geholt hat und mir erklärt hat, man solle das Baguette und die Schokolade zusammen essen, war ich verwirrt. Eigentlich ist nichts Unnormales dabei, aber mich hat es gewundert, dass man die Tafel Schokolade in das Baguette steckt und isst. Warum isst man nicht einfach Nutella? Das war einer der ersten Unterschiede, die ich festgestellt habe, was typisch französisch ist.

***

Auch das Kennenlernen von vielen neuen Menschen beeinflusste mich sehr, denn sie inspirierten mich, eine glücklichere und bessere Person zu sein. Ich, persönlich, war, mehr als zuvor, von kreativen und sehr lebensfrohen Menschen umgeben und sie zeigten mir, wie man das Leben genießt und wie wichtig dies ist. Was allgemein für die Leute in meiner Region Frankreichs gilt, ist, dass sie sehr höflich und dankbar miteinander umgehen und auch dies adaptierte ich für mich.

Der nächste große Unterschied, groß ist fast etwas untertrieben, enorm passt besser: der Schulalltag. Der präsenteste Unterschied ist die Dauer der Schule. In Deutschland endet Schule oft um 13:00 Uhr, aber in Frankreich kann man davon nur träumen. Schule endet hier normalerweise um 15:35, aber eher 17:30. Mittwoch endet Schule aber immer und für alle um 12:00 Uhr.

Ich bin eine ziemlich schüchterne Person und dazu kommt, dass ich bei meiner Ankunft ziemlich schlecht Französisch gesprochen habe, was es ziemlich schwer machte, Freunde zu finden. Glücklicherweise half mir eine andere Austauschschülerin, mit der ich mich auf Englisch anfreundete, Freunde zu finden, mit denen ich jetzt meistens auf Französisch kommuniziere. Paradoxerweise spricht sie noch weniger Französisch, aber dafür ist sie extrovertiert und fand Freunde, indem sie meistens auf Englisch gesprochen hat.

Ich glaube das Wichtigste, was ich soweit hier gelernt habe, ist zu schätzen. Es macht mich so glücklich, wenn ich zum Beispiel mit meiner Gastfamilie lache oder auch mit den Leuten in der Schule oder wenn ich es schaffe, eine gute Konversation zu führen. Beides sind Dinge, die mir als introvertierte Person vor allem auf Französisch schwerfallen. Was auch dazu beigetragen hat, ist die französische Mentalität, die Wert auf Höflichkeit und damit auf Dankbarkeit legt. Einfach oft Danke zu sagen, hat mich dankbarer gemacht. Ich habe auch gelernt, meine Familie in Deutschland zu schätzen. Ich hatte nie das Gefühl, ich hätte eine sehr gute Beziehung mit ihnen. Aber jetzt, als nicht wirklich Teil der Familie, in der ich lebe, realisierte ich, wie eng ich ihnen stand und wieviel wir teilten. Ich realisierte auch, wie viel meine Eltern für meine Geschwister und mich tun, was nicht selbstverständlich ist.

***

Mein Auslandsjahr ist chaotisch gestartet und war am Anfang nicht ganz leicht, aber ich bin bereit, meine nächsten sechs Monate mit einer wundervollen Familie zu verbringen und noch mehr einzigartige Erfahrungen zu erleben. Ich weiß, was auf mich wartet und ich bin bereit diesen Weg zu gehen.

Hätte man mich vor fünf Monaten gefragt, warum ich ein Auslandsjahr mache, hätte ich gesagt: Um die Sprache zu lernen. Heute würde ich sagen:

  • Ich mache ein Auslandsjahr, um eine neue Familie kennenzulernen, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, und mit diesen Menschen eine ganz besondere Beziehung aufzubauen.
  • Ich mache ein Auslandsjahr, um in eine andere Welt zu schauen, die ich erkunden möchte.
  • Ich mache ein Auslandsjahr, um mich selbst auf eine ganz neue Art und Weise kennenzulernen.

Ich wurde selbstbewusster und offener. Ich genieße es jetzt, zum Beispiel Menschen kennenzulernen, mich auch mit Menschen außerhalb meiner Familie und Freundesgruppe zu unterhalten, traue mich viele Fragen zu stellen, nehme das Verhalten der Leute um mich herum weniger persönlich und kann, ohne in Panik zu geraten, vor Menschenmengen sprechen. All dies sehe ich als großen persönlichen Erfolg.

Was auch wichtig zu erwähnen ist, ist, dass ich noch besser meine Stärken und Schwächen kennenlernen konnte, denn erst bei einer ganz anderen Umgebung verstand ich, in welchen Bereich es mir in der Regel schwer- oder leichtfällt. Zum Beispiel der Unterricht mit Sprachbarriere zeigte mir in welchen Unterrichtsfächern ich besonders gut bin, denn bevor fiel mir der Unterricht immer leicht.

Nicht zu vernachlässigen ist auch, wie sehr ich meine Familie zu schätzen lernte. Das Jahr weg von zuhause, aber auch die Rückkehr zeigten mir, wie schön es ist, meine Familie bei meiner Seite zu haben.

Ich denke, sehr viel aus dem Leben, das ich in Frankreich führte, mitgenommen zu haben und dennoch, teilweise eingelebt in Deutschland, mich wieder geändert zu haben, zu einer Mischung aus dem, wie ich vor meiner Abreise war, und den während meines Austausches erworbenen Eigenschaften und Kompetenzen. Ich bin herzlich dankbar, diese Erfahrungen gemacht zu haben und würde es an jeden empfehlen, der bereit ist, aus seiner Komfortzone austreten und eine Veränderung möchte.

***

Ich würde sogar sagen, es gab keine andere Zeit in meinem Leben, in denen ich so viel über mich gelernt habe und so über mich hinausgewachsen bin. Wenn ich mich Stand jetzt mit mir vor 4 Monaten vergleichen würde, dann würde ich fast sagen, ich wäre eine andere Person. Aber nicht nur ich habe mich verändert, sondern auch meine Definition von Zuhause. In den ersten Wochen muss ich zugeben, hatte ich Heimweh, und für mich war ganz klar, mein Zuhause ist in Deutschland bei meiner Familie. Natürlich ist das auch noch immer so, aber ich habe gemerkt, man hat nicht immer nur 1 Zuhause. Mittlerweile fühle ich mich hier in Frankreich in meinem Ort zuhause. Das hat mir gezeigt, dass man überall zuhause sein kann, wenn man sich darauf einlässt, und dabei kommt es nicht mal auf das Land an!

Stand: 27. März 2024

Seiteninhalt

    Unsere Social-Media-Kanäle



    Dies sind externe Links. Mit einem Klick darauf wird km.bayern.de verlassen.

    Diese Seite teilen



    Dies sind externe Links. Mit einem Klick darauf wird km.bayern.de verlassen.

    Bild von

    Frankreich