Einsichten und Perspektiven 1|15 - page 61

Salafismus – eine Einordnung
Seit geraumer Zeit spielt das Phänomen Salafismus eine im-
mer größere Rolle in der deutschen Öffentlichkeit. Die Ver-
teilung von Koran-Exemplaren durch Salafisten, bundes-
Der öffentliche Diskurs zum Salafismus ist stark von einer
weite Demonstrationen der losen Aktionsgruppe „Hooli-
Reihe an Narrativen und Begrifflichkeiten geprägt. Einige
gans gegen Salafisten“ oder regelmäßige Warnungen der
davon werden im Hinblick auf die inhaltliche Konzeption
Verfassungsschutzbehörden vor einer stetigen Einflusszu-
von Salafismus als sinnvoll erachtet, so z.B. „Islamismus“
nahme salafistischer Bestrebungen sind nur einige Beispie-
und „Jihadismus“. Diese werden hier erläutert und kon-
le, die in der medialen Perzeption und in politischen De-
textualisiert, auch im Zusammenhang mit verwandten Be-
batten aufgegriffen werden und unser Bild von Salafismus griffsfeldern.
prägen. Dieses eher diffuse Bild hat bisweilen eine domi-
nante sicherheitspolitische Färbung, die immer wieder
durch unterschiedliche Ereignisse und deren sicherheitspo-
litische Einordung manifestiert wird. Exemplarisch stehen
Es existiert keine allgemein gültige Definition von Islamis-
hierfür die jüngsten Gewalttaten in Paris, der „
Jihad
-Tou-
mus. Auch ist es unsinnig, diesen Begriff genau bestimmen
rismus“ in Konfliktgebiete wie Syrien und Irak oder aber
zu wollen, da unterschiedliche und zum Teil gegensätzliche
regelmäßige Meldungen über Verhaftungen mutmaßlicher
Ausprägungen existieren. Dennoch soll hier eine allgemei-
Terroristen. Vor diesem Hintergrund wird Salafismus pri-
ne Minimaldefinition aufgezeigt werden, um ein grundsätz-
mär als eine Bedrohung wahrgenommen, und zwar entwe-
liches Verständnis dafür zu entwickeln, wie Islamismus em-
der als konkrete Gefahr in Hinblick auf terroristische Am-
pirisch verstanden werden kann.
bitionen oder aber als latente Bedrohung für die friedliche
Der Begriff Islamismus ist in öffentlichen sowie
gesellschaftliche Koexistenz der Bundesrepublik.
akademischen Debatten weit verbreitet und dient unter-
Diese Perzeption des Phänomens Salafismus wird
schiedlichen Darstellungen, die z.B. Politik und Gesell-
durch eine dominierende Lesart im öffentlichen Diskurs
schaft arabisch-islamischer Staaten betreffen. Er wurde in
weiter verschärft. Begriffe wie „Islamismus“, „Extremis-
den 1990er Jahre sukzessive etabliert. Nicht zuletzt seit den
mus“, „Fundamentalismus“, „Jihadismus“ oder „Terroris-
Anschlägen vom 11. September 2001 ist Islamismus im
mus“ werden in dieser Form oder in adjektivierender Wei-
Kontext medialer und politischer Diskurse pejorativ ge-
se mit dem Salafismus kontextualisiert. Dadurch wird der
prägt. Diese dominierende abwertende Darstellung impli-
Begriff Salafismus noch verworrener und undurchsichtiger.
ziert, dass Islamismus per se eine extremistische, gewalttä-
Salafismus wird so zu einer obskuren sowie unfassbaren Er-
tige, antidemokratische sowie antiwestliche Ideologie sei.
scheinung und zu einem Sinnbild diffuser Bedrohungs-
Was bedeutet nun Islamismus und in welcher Be-
wahrnehmungen.
ziehung steht er zum Salafismus? Grundsätzlich bedeutet
Ausgehend von dieser kurz skizzierten Problema-
Islamismus – auch politischer Islam genannt – „islamisch-
tisierung des Phänomens Salafismus im Kontext des öffent-
geprägter politischer Aktivismus“. Dieser kann mindestens
lichen Diskurses wird hier der Versuch unternommen, Sa-
aus zwei prinzipiell unterschiedlichen Perspektiven wahr-
lafismus aus einer analytischen Perspektive zu beleuchten,
genommen werden. Auf der einen Seite, in einer „abgren-
um der Komplexität und vielschichtigen Relevanz für die
zenden“ Perspektive, sind Islam und Politik prinzipiell ge-
deutsche Gesellschaft gerecht zu werden. Hierbei geht es
trennt. Auf der anderen Seite, in einer „komplementären“
nicht um die Negierung sicherheitspolitischer Belange oder
Sichtweise, bedingen und ergänzen sich Islam und Politik.
die Verharmlosung seiner Bedrohungspotentiale. Vielmehr
Aus der „abgrenzenden“ Perspektive wird hervor-
soll mittels einer umfassenderen Betrachtungsweise Salafis-
gehoben, dass der Islam zu allererst eine Religion kollekti-
mus als ein empirisches Phänomen fassbar gemacht werden
ver Moral sei, die kaum spezifisch Politisches enthalte. Und
und in Abgrenzung zu einer normativ-wertenden Sichtwei-
wenn ein Bezug zwischen Religion und Politik hergestellt
se in seiner mehrdimensionalen Bedeutung verstehbar wer-
werde, sei dieser auf die Bestrebungen der Herrschenden
den.
zurückzuführen, um „sich der Religion als ein[es] legiti-
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Islamismus und Co.
Islamismus
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