Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 32

lichen Ereignissen, die in die Krise der Weltwirtschaft führ-
ten; hierzu liegt bereits eine Vielzahl wirtschaftshistorischer
Analysen und Darstellungen vor.
13
Um der Anschaulichkeit
willen wird besonders auf Entwicklungen in den USA und
in Deutschland zurückgegriffen, prinzipiell aber geht es um
eine globale Bewertung der beiden Krisen. Eine solche Per-
spektive scheint vielen bisher zur gegenwärtigen Krise ver-
fügbaren Publikationen zu fehlen, die nicht selten die Situa-
tion des Deutschen Reiches mit der der heutigen Bundesre-
publik vergleichen oder sich, was teilweise natürlich auch
dem Zeitpunkt des Erscheinens geschuldet ist, ausschließ-
lich auf den Vergleich der Finanzkrisen bzw. zuletzt auf die
sog. „Euro-Krise“ konzentrieren.
14
In einem zweiten
Schritt werden anschließend mit dem gleichen methodi-
schen Vorgehen die nach dem Börsenkrach von 1929 ver-
folgte Politik und deren Folgen betrachtet, um abschließend
die gegenwärtige Politik und die diese antreibenden Kri-
senängste bewerten zu können.
Die Krise derWeltwirtschaft seit 2007
Die Subprime-Krise des US-Immobilienmarktes
Mitte des Jahres 2009 urteilte der Harvard-Historiker Niall
Ferguson über die gegenwärtige Krise der Weltwirtschaft:
„Die Geschichte wiederholt sich natürlich nicht exakt. Die-
se Krise wird vermutlich nicht so schwer werden wie die
Große Depression – schon weil die heutige amerikanische
Geld- und Fiskalpolitik das genaue Gegenteil von damals
ist. Trotzdem besteht die Gefahr, dass diese Krise so lang
dauert wie ihre Vorläuferin in den 1930er Jahren.“
15
Inzwi-
schen geht die Krise bereits in ihr siebtes Jahr,
16
denn sie
begann, als es in der ersten Jahreshälfte 2007 zu einem rei-
henweisen Ausfall von Hypothekenkrediten am US-ameri-
kanischen Immobilienmarkt kam. Das dortige Hypothe-
13 Zur Großen Depression vgl. beispielsweise: Derek H. Aldcroft: Die zwanziger Jahre. Von Versailles zur Wall Street 1919–1929, München
1978 (= Geschichte der Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert, 3); Theo Balderston: Economics and Politics in the Weimar Republic, Cam-
bridge 2002; Fritz Blaich: Der Schwarze Freitag. Inflation und Wirtschaftskrise, München 1985; James Harold: Deutschland in der Welt-
wirtschaftskrise 1924–1936, Stuttgart 1988; Charles P. Kindleberger: Die Weltwirtschaftskrise 1929–1939,
3
München 1984 (= Geschichte der
Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert, 4); Heike Knortz: Wirtschaftsgeschichte der Weimarer Republik. Eine Einführung in Ökonomie und
Gesellschaft der ersten Deutschen Republik, Göttingen 2010, S. 200–271.
14 Vgl. beispielsweise Harald Wixforth: Managerversagen, Marktversagen, Politikversagen? Die deutschen Finanzkrisen 1931 und 2007/08 im
Vergleich, in: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 7 (2010) H. 2, abrufbar unter
[Stand: 8. September 2013], oder auch: Johannes Bähr / Bernd Ru-
dolph: 1931 – Finanzkrisen – 2008, München/Zürich 2011. Im Hinblick auf die gegenwärtige Krise der Weltwirtschaft sei ferner verwiesen
auf Roubini/Mihm (wie Anm. 9) oder auch auf: Paul Krugman: Die neue Weltwirtschaftskrise, Frankfurt/New York 2008. Zur „Euro-
Krise“ vgl. Miroslav Beblavý / David Cobham / L’udovít Ódor (Hg.): The Euro Area and the Financial Crisis, Cambridge 2011; dieser wird
auch das gesamte Kapitel 19 gewidmet in einer aktualisierten Auflage des Lehrbuches von: Richard Baldwin / Charles Wyplosz: The Eco-
nomics of European Integration,
4
London 2012.
15 Niall Ferguson: Deutschland verdrängt die Gefahr, in: Die Zeit, Nr. 28 vom 2. Juli 2009.
16 Unter
[Stand: 8. September 2013] findet sich eine laufend ak-
tualisierte „Chronologie der Krise“ seit Sommer 2007. Einen knappen Überblick von den Ursprüngen der US-Immobilienkrise bis zur
Staatsschuldenkrise liefert zudem Plumpe (wie Anm. 7), S. 110–115.
17 Vgl. Wixforth (wie Anm. 14), Abschnitt 4.
18 Vgl. Roubini/Mihm (wie Anm. 9), S. 356–363.
19 Vgl. Wixforth (wie Anm. 14), Abschnitt 2.
Krisen und Krisenängste. Die Erfahrung der „Großen Depression“ und die Krise der Weltwirtschaft seit 2007
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kengeschäft war so angelegt, dass ein Rückgang der Immo-
bilienpreise oder, was dann tatsächlich geschah, ein Anstieg
der Zinsen unweigerlich zu einer Überschuldung vieler
Kreditnehmer führen musste.
17
Die tiefer gehende Ursache
liegt allerdings in der Geldpolitik der US-Notenbank unter
ihrem Vorsitzenden Alan Greenspan, die seit den 1980er-
Jahren, besonders aber nach 2000/01 aus einer konsequen-
ten Niedrigzinspolitik bestand, so dass für Kapital nach
renditeträchtigeren Anlagemöglichkeiten gesucht wurde.
Gleiches gilt für eine Geldschwemme aus aufstrebenden
Schwellen- sowie Ölländern.
18
Finanzkrise und Bankenrettung
Dass viele Hypothekenkredite an mittellose Amerikaner
vergeben worden waren (sog.
Subprime
-, also zweitklassige
Geschäfte), war zunächst nicht weiter aufgefallen, da Ban-
ken durch spezifische Konstruktionen die Kredite von ih-
ren Risiken getrennt hatten. Die hieraus entstandenen neu-
en Finanzprodukte wurden von den Rating-Agenturen mit
Bestnoten („
Triple-A
“) versehen und durch Verkauf welt-
weit gestreut. Als dann in den USA erste Schuldner nicht
mehr in der Lage waren, ihre Raten zu zahlen, überschau-
ten Banken in Europa oder Asien nicht einmal ihre eigenen
Risiken, geschweige denn jene anderer Institute. Die Geld-
häuser misstrauten nun einander und liehen sich unterein-
ander kaum noch Geld, was aber eine unabdingbare Vor-
aussetzung für einen funktionierenden Geldmarkt ist. Die
Subprime
-Krise hatte sich so bereits in der zweiten Hälfte
des Jahres 2007 zur internationalen Bankenkrise entwickelt:
So bekamen die Deutsche IndustriebankAG (IKB) und ver-
schiedene deutsche Landesbanken infolge von Fehlspekula-
tionen am US-Immobilienmarkt Probleme,
19
weltweit mel-
deten fast alle großen Finanzhäuser hohe Verluste, und die
Northern Rock“
-Bank, deren besorgte Kunden zuvor die
1...,22,23,24,25,26,27,28,29,30,31 33,34,35,36,37,38,39,40,41,42,...72
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