Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 33

Krisen und Krisenängste. Die Erfahrung der „Großen Depression“ und die Krise der Weltwirtschaft seit 2007
Einsichten und Perspektiven 3 | 13
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20 Vgl. hierzu ausführlich auch: Bernd Rudolph: Hintergründe und Verlauf der internationalen Finanzkrise 2008, in: Bähr/Rudolph (wie
Anm. 14), S. 145–241.
21 Die ursprünglich beabsichtigten 700 Mrd. US-Dollar wurden nach einer Ablehnung im Repräsentantenhaus um 100 Mrd. aufgestockt. Zum
Für und Wider, zu Hintergründen und Folgen des Rettungspaketes vgl. Heike Buchter / Mark Schieritz: Der größte Rettungsversuch aller
Zeiten, in: Die Zeit, Nr. 40 vom 25. September 2008.
22 Plumpe (wie Anm. 7), S. 112 f.
23 So der Titel eines Artikels auf S. 1 der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Nr. 238 vom 11. Oktober 2008.
24 Vgl. Michael Thumann: Reich gegen Reich, in: Die Zeit, Nr. 50 vom 3. Dezember 2009.
25 Vgl. Heike Buchter: Ausgepumpt, in: Die Zeit, Nr. 3 vom 13. Januar 2011.
26 Zu den Banken-Rettungspaketen allgemein vgl. Kapitalspritzen und Garantien rund um die Welt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung,
Nr. 240 vom 14. Oktober 2008. Zum bundesdeutschen Rettungspaket vgl. Woher die 500 Milliarden Euro kommen, in: Frankfurter Allge-
meine Zeitung, Nr. 245 vom 20. Oktober 2008.
27 Vgl. Ulrich Viehöver, Die am Rande sieht man nicht, in: Die Zeit, Nr. 50 vom 4. Dezember 2008.
28 Josef Joffe: Koste es, was es wolle, in: Die Zeit, Nr. 49 vom 27. November 2008; sowie: Daniel Eckert / Holger Zschäpitz: Preisverfall sorgt
nur kurz für Kauflaune, in: Welt am Sonntag, Nr. 47 vom 23. November 2008.
Schalter gestürmt hatten, um an ihre Guthaben zu gelangen,
wurde vom britischen Staat übernommen, um so die dorti-
gen Einlagen zu garantieren. Auch in den USA garantierte
die Regierung Sparern und Anlegern bald ihre Einlagen und
verstaatlichte die beiden US-Hypothekenbanken
Fannie
Mae
und
Freddie Mac
. Anfang 2008 sorgte die US-Noten-
bank zudem dafür, dass die Investmentbank
Bear Stearns
kurz vor ihrem Zusammenbruch von der Großbank
J. P.
Morgan Chase
übernommen wurde. Im September melde-
te die Investmentbank
Lehman Brothers
Insolvenz an. Vie-
le andere Investmentbanken waren vom Zusammenbruch
bedroht, und auch der Versicherungskonzern
American In-
ternational Group
(AIG) konnte nur durch einen hohen
Kredit der Notenbank überleben.
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Die Finanzkrise wird zurWirtschaftskrise
Noch während die staatliche Rettung einzelner Banken glo-
bal anhielt, versorgten Zentralbanken weltweit die Märkte
mit zusätzlichem Geld, um so ein Überspringen der Ban-
kenkrise auf die Realwirtschaft zu vermeiden, um also Un-
ternehmen weiterhin Zugang zu Krediten garantieren zu
können. Während die USA schließlich mit einem Rettungs-
paket von 800 Mrd. US-Dollar ihr Finanzsystem vor dem
Kollaps bewahrten,
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konnte auch in Europa nur „durch
umfangreiche staatliche Schutzmaßnahmen, die von direk-
tenHilfen und Bürgschaften bis hin zu Liquiditätshilfen der
Europäischen Zentralbank reichten, […] ein vollständiger
Zusammenbruch des Finanzmarktes verhindert werden.
Gleichwohl mussten die Banken ihre Kreditvergabe ein-
schränken, da im Zuge von Abschreibungen erhebliche
Wertberichtigungen auf ihre Eigenkapitalbasis vorzuneh-
men waren, die wiederum ihre eigene Kreditvergabefähig-
keit deutlich begrenzten.“
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Abstürzende Börsenkurse lie-
ßen jetzt eine Weltwirtschaftskrise wahrscheinlich werden:
Wie Ende September, kam es am 10. Oktober 2008 erneut
zu einer „Panik an der Deutschen Börse“,
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was Vermö-
gensverluste nicht nur privater Anleger bedeutete. Vor al-
lem aber drohten Staatsbankrotte: Bevor selbst Dubai
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in
der Schuldenfalle steckte, war es neben dem hoch verschul-
deten US-Bundesstaat Kalifornien
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vor allem Island, das
zur Abwendung seiner Zahlungsunfähigkeit die Hilfe des
IWF in Anspruch nehmen musste. Islands Banken hatten
sich verspekuliert und waren in der Folge vom Staat über-
nommen worden, der dadurch selbst in Zahlungsschwierig-
keiten geriet. Schon bald benötigten weitere Länder die fi-
nanzielle Hilfe des IWF.
Alle Maßnahmen zur Stützung der Banken
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konn-
ten zudem nicht verhindern, dass das marode Finanzsystem
funktionsuntüchtig blieb. Deshalb drohte eine Welle von
Insolvenzen in der Industrie, weil zum Teil ganzen Bran-
chen, wie den deutschen Autozulieferern, zu zögerlich Kre-
dite gewährt wurden.
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Um eine solcheWelle zu verhindern,
ging die US-Notenbank schon bald dazu über, Schuldver-
schreibungen von Unternehmen aufzukaufen, die Realwirt-
schaft also direkt mit Krediten zu versorgen. Weltweit
zurückgehende Verkäufe auf dem ohnehin von Überkapa-
zitäten gekennzeichneten Automarkt und massiv zurück-
gehende Aufträge für die deutsche Industrie seit Oktober
2008 bei zugleich nachgebenden Preisen ließen erste War-
nungen vor einer Deflation laut werden: „Fallende Preise
(etwa für Benzin und Lebensmittel) sind zwar hübsch für
den Verbraucher, aber von einem gewissen Punkt anGift für
die Volkswirtschaft. Wer würde sich für eine Investition
(sei’s in Kühlschrank, Haus oder Maschine) Geld leihen,
wenn er es in ‚teuren‘ Euro zurückzahlen muss? Wenn sein
Wert steigt, wird Geld gehortet, nicht ausgegeben. Mit den
Preisen fallen die Löhne – eine teuflische Abwärtsspirale.“
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Internationale Konjunkturprogramme und die Krise
derWeltwirtschaft 2009
Während die Bankenrettung anhielt – beispielsweise wurde
in der Bundesrepublik im Januar 2009 die Commerzbank
teilverstaatlicht, im Oktober folgte die Verstaatlichung der
Hypo Real Estate
(HRE) –, einigten sich um die Jahres-
wende 2008/09 Industrie- und Schwellenländer auf die Be-
reitstellung umfangreicher Konjunkturhilfen für ihre pro-
duzierenden Unternehmen: Mehr noch als die USA mit
1.200 Mrd. Euro stellte China hierfür 1.500 Mrd. Euro zur
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