Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 42

kurzfristig lindern halfen,
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als auf die Initiativen, die auf ei-
ne wirtschaftliche Erholung zielten. Hierzu zählte zunächst
die Abkehr von der restriktiven, Depression und Deflation
verstärkenden Geldpolitik der US-Notenbank. Durch Auf-
kauf von privaten Goldbeständen zu weit über demMarkt-
preis liegenden Preisen wurde nun die Geldmenge ausge-
weitet, was einer Abwertung des Dollar gleichkam und den
Export beflügeln sollte. Daneben versuchte die Roosevelt-
Administration, den Rückgang von Preisen und Löhnen
in der Industrie und der Landwirtschaft, damit die Deflati-
onsspirale, durch mehr oder weniger freiwillige Selbstver-
pflichtungen der Unternehmen bzw. Produktionsein-
schränkungen der Farmer zu unterbinden.
Mit Blick auf die gegenwärtige Krise ist erwäh-
nenswert, dass Roosevelt unmittelbar nach seinem Amts-
antritt das labile US-amerikanische Finanzsystem refor-
mierte: Neben der Einführung einer Bankenaufsicht, eines
Einlagensicherungsfonds und des (in den 1990er-Jahren
aufgehobenen)
Glass-Steagall Act
, der den Banken die Tren-
nung von Kredit- und Einlagengeschäft von den risikorei-
cheren Wertpapiergeschäften vorschrieb, wurde der Groß-
teil der notleidenden Banken mit Hilfe staatlicher Kredite
vor der Insolvenz gerettet, rund ein Viertel vorwiegend klei-
nerer Banken musste nach Bilanzprüfungen mit größeren
Instituten fusionieren oder blieb für immer geschlossen. Mit
Vorschriften zu mehr Transparenz und der Schaffung der
Börsenaufsicht
Securities and Exchange Commission
(SEC)
wurde nunmehr auch der Wertpapierhandel reguliert. Alle
diese Maßnahmen stärkten das Vertrauen der Sparer und
Anleger, die ihr Geld wieder zur Bank brachten oder in Ak-
tien anlegten, dieses damit wieder Unternehmen zur Verfü-
gung stellten und so verhinderten, dass der Kreditmangel
die Realwirtschaft weiter schrumpfen ließ.
Am augenfälligsten drückte sich der Bruch mit der
vorangegangenen Politik sowie traditionellen amerikani-
schen Vorstellungen sicherlich in den Arbeitsbeschaffungs-
programmen aus: Durch sie wurden insgesamt nicht nur
knapp drei Miollionen vorwiegend jüngere Männer mit
Baumaßnahmen an öffentlicher Infrastruktur (Straßen,
Schulen, Staudämme etc.) beschäftigt, gerade mit den er-
richteten Staudämmen konnten vielmehr bis dahin unter-
entwickelte Regionen mit Elektrizität versorgt werden.
Trotzdem sanken die Arbeitslosenzahlen nur langsam; Voll-
beschäftigung konnte erst wieder durch die 1941 verstärkt
einsetzende Rüstungsproduktion und den Eintritt der USA
54 Diese sind zuletzt ausführlich beschrieben worden von Pressler (wie Anm. 6), S. 81–109, finden sich aber auch in allen anderen Werken
55 Markus Baltzer: Rezension zu: Parker, Randall E.: Reflections on the Great Depression. Cheltenham 2002, in: H-Soz-u-Kult, 07.01.2004,
[Stand: 8. September 2013] (Hervorhebung durch die Verfasserin).
56 Vgl.
[Stand: 8. September 2013].
57 Pressler (wie Anm. 6), S. 240.
Krisen und Krisenängste. Die Erfahrung der „Großen Depression“ und die Krise der Weltwirtschaft seit 2007
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in den Zweiten Weltkrieg erzielt werden, wofür sich der
Staat in großemUmfang Geld lieh und sich damit hoch ver-
schuldete.
Krisenängste in der Krise
Die deutsche Angst vor Inflation und die Angst der
Amerikaner vor einer neuen „
Great Depression
Die Arbeitslosenquote ging in den USA also nur langsam
zurück, obwohl die Vereinigten Staaten schon ab 1933 wie-
der ein vergleichsweise hohes wirtschaftliches Wachstum
verbuchen konnten. Während die Wirtschafts- und Finanz-
politik unter Brüning im Deutschen Reich einhellig als kri-
senverschärfend beurteilt wird, fällt die Beurteilung des
New Deal
durch Historiker und Ökonomen gespalten aus.
Für das Verständnis gegenwärtiger US-Krisenpolitik ist in
jedem Fall aber bedeutsam, dass auch unter Roosevelt kaum
antizyklische Fiskalpolitik betrieben wurde. Die Ausgaben
für die Arbeitsbeschaffungsprogramme wurden nämlich
weitestgehend durch Erhöhung von Einkommens- und
Unternehmenssteuern sowie Ausgabenkürzungen in ande-
ren Bereichen aufgebracht, damit keine
zusätzliche
Kauf-
kraft geschaffen. Die Haushaltsdefizite blieben mit durch-
schnittlich drei Prozent des Bruttosozialprodukts pro Jahr
moderat, 1937 war der Haushalt sogar ausgeglichen. Erst
nach 1940 konnten so auch die Hoovervilles aus den Stadt-
bildern verschwinden. Im Vergleich zum Deutschen Reich
ließ die „herbeigesehnte Erholung […] in den Vereinigten
Staaten [demnach] deutlich länger auf sich warten, so dass
sich die Depression dort wesentlich stärker als in anderen
Staaten als das traumatische Ereignis der Wirtschaftsge-
schichte des 20. Jahrhunderts in das kollektive Gedächtnis
eingebrannt hat“.
55
Um eine Deflation wie in den 1930er-
Jahren, eine zweite „Große Kontraktion“, zu verhindern,
vor der Kenneth Rogoff bereits vor zwei Jahren warnte,
56
liegt der Leitzins in den USA seit Ende des Jahres 2008 bei
höchstens 0,25 Prozent, und die Notenbank kauft immer
wieder, gegenwärtig sogar massiv Staatsanleihen auf. „In
akademischen Kreisen und in der Obama-Administration
dominiert die Angst vor Deflation […] und die Notwen-
digkeit, Wachstum [und Arbeitsplätze – d. Verf.] zu gene-
rieren, wird stärker betont, als die Notwendigkeit zu spa-
ren.“
57
Dagegen war bereits die zeitgenössische Diskussi-
on um Brünings Sparpolitik im Deutschen Reich von der
Angst vor einer Inflation beherrscht. Seit der Hyperinflati-
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