Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 47

Die Rationalität der Etappen europäischer Integration 1939–2013
Einsichten und Perspektiven 3 | 13
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Die Unterschriften der zehn Gründerstaaten des Europarates
Abbildung: ullstein bild
Der am 5. Mai 1949 gegründete Europarat blieb weit hinter
den Erwartungen der europäischen Idealisten und Konsti-
tutionalisten zurück, die wie Coudenhove-Kalergi mit sei-
ner schon in der Zwischenkriegszeit aktiven „Paneuropa-
Union“ auf eine verfassunggebende Versammlung gehofft
hatten. Der in Straßburg angesiedelte „Conseil d’Europe“
hatte mit seiner Beratenden Versammlung nur konsultative,
keine Entscheidungsgewalt. Die Unterzeichnung der Euro-
päischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 wurde
für alle Mitglieder verpflichtend und wegweisend für weite-
re Vereinbarungen wie die „Europäische Sozialcharta“ von
1961 (1965 in Kraft getreten).
Die Montanunion als supranationales
Novum 1951/52
Die auf Ideen von Jean Monnet zurückgehende, am 9. Mai
1950 veröffentlichte und auf
sektoriale Integration
abzie-
lende Initiative von Frankreichs Außenminister Robert
Schuman, die Kohle- und StahlproduktionWesteuropas zu-
sammenzulegen, diente vornehmlich der Einbindung und
Kontrolle des westdeutschenWirtschaftspotenzials. Daraus
erwuchs die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
(EGKS), die unter partieller Souveränitätsabgabe der Mit-
gliedsstaaten Zölle undmengenmäßige Beschränkungen be-
seitigen und den Wettbewerb auf demKohle- und Stahlsek-
tor sichern sollte. Nach längeren Verhandlungen zwischen
Belgien, der Bundesrepublik, Frankreich, Italien, den Nie-
derlanden und Luxemburg wurde am 18. April 1951 der
Vertrag unterzeichnet, der am 23. Juli 1952 in Kraft trat. Das
war zwar psychologisch ein weiterer wichtiger Schritt, vor
allem mit Blick auf die Verständigung zwischen der Bun-
desrepublik und Frankreich, aber die überstaatliche Hohe
Behörde der Montanunion brachte nur wenig praktischen
integrationspolitischen Erfolg. Kohle und Stahl waren zu
wenig. Ihre Leistung lag in der organspezifischen Grundle-
gung und institutionellen Vorarbeit für die spätere EWG
und EU. Aus dem Montanparlament ging 1958 das Euro-
päische Parlament hervor. Die Hohe Behörde verschmolz
1967 mit der EWG- zur EG-Kommission. Die Relevanz der
EGKS nahm ab, was durch die Erschließung neuer Ener-
gieträger neben der Kohle und durch die Stahlkrise bedingt
war. Der Gerichtshof der EGKS wurde mit Sitz in Luxem-
burg der spätere EuGH der EU.
Das Scheitern einer Europaarmee, die Festschrei-
bung der US-Militärpräsenz in Europa und die
NATO-Mitgliedschaft der Bundesrepublik 1954/55
Auf sicherheitspolitischer Ebene wurde der am 17. März
1948 begründete Brüsseler oder Fünf-Mächte-Pakt (Frank-
reich, Großbritannien, Belgien, Niederlande, Luxemburg)
am 23. Oktober 1954 um Italien und die Bundesrepublik
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