Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 40

Ein „Hooverville“-Elendsviertel im Hafenviertel von Seattle, 1933
Foto: ullstein bild – Heritage Images
Steuern, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sowie
verschiedene Zolltarife erhöhte oder sogar neue Steuern
und Abgaben einführte. Gleichzeitig wurden öffentliche
Ausgaben sowie Löhne, Gehälter und Pensionen von
Staatsbediensteten kontinuierlich gekürzt, die Leistungen
der Arbeitslosenversicherung und der gesetzlichen Renten-
versicherung beschnitten. Davon abgesehen waren Länder
und Gemeinden infolge der Finanzverfassung gezwungen,
die Parallelpolitik des Reiches auf ihre Haushaltspolitik zu
übertragen.
Da die Lohn- und Gehaltssenkungen einen massi-
ven Ausfall kaufkräftiger Nachfrage bedeuteten, führte das
in der Konsumgüterindustrie zu weiteren Produktionsein-
schränkungenmit zusätzlichen Entlassungen. Über die Ein-
schränkung der Investitionen schlug diese Entwicklung
auch auf die Investitionsgüterindustrie durch. Abnehmen-
der Konsum und zunehmende Arbeitslosigkeit führten
schließlich trotz Erhöhung der Steuertarife zu rückläufigen
Einnahmen des Reiches, das gleichzeitig illiquide Banken
50 Vgl. Wixforth (wie Anm. 14), Abschnitt 5.
Krisen und Krisenängste. Die Erfahrung der „Großen Depression“ und die Krise der Weltwirtschaft seit 2007
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stützte. Infolge sinkender Einnahmen und gestiegener So-
zialausgaben gerieten neben der Arbeitslosenversicherung
auch viele Städte und Gemeinden in finanzielle Schwierig-
keiten, neben Sachsen, Hessen sowie kleineren Ländern
drohte im Sommer 1931 die Zahlungseinstellung Ham-
burgs, Ende desselben Jahres die Zahlungsunfähigkeit Preu-
ßens. Unter Brünings Kanzlerschaft hatte dennoch eine
Diskussion um Arbeitsbeschaffungsprogramme eingesetzt,
deren Umsetzung allerdings an der Frage der Finanzierung
scheiterte. Eine französische Kredithilfe wurde aus politi-
schen Gründen abgelehnt, und die Finanzierung von Ar-
beitsbeschaffungsmaßnahmen durch Kreditaufnahme bei
der Reichsbank, also durch den Ankauf von Staatsanleihen
durch die deutsche Zentralbank, scheiterte unter anderem
an der allgemein verbreiteten Inflationsfurcht. Überhaupt
scheint die Reichsbank sehr einseitig auf die Stabilität der
Währung geachtet zu haben, so dass den durch Kreditaus-
fälle notleidenden Banken auch von dieser Seite keine Kre-
dithilfen gewährt wurden.
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