Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 35

Krisen und Krisenängste. Die Erfahrung der „Großen Depression“ und die Krise der Weltwirtschaft seit 2007
Einsichten und Perspektiven 3 | 13
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34 Vgl. Schuldenabbau um jeden Preis: Europa läuft in die Spar-Falle; und: Schweizer Schuldenbremse birgt Risiken, beides in: Böcklerimpuls,
2/2012, S. 3 bzw. 7.
35
-
36 Vgl.
[Stand: 8. September 2013].
37 Haltet die Herde, in: Die Zeit, Nr. 20 vom 12. Mai 2010.
wärtsspirale gerate; und auch die in das deutsche Grundge-
setz implementierte „Schuldenbremse“ droht, wie die Er-
fahrungen der Schweiz mit diesem Instrument zeigen, lang-
fristig zu niedrige öffentliche Investitionen nach sich zu zie-
hen und damit künftiges Wachstum zu gefährden.
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Die Angriffe gegen den Euro
Die irische Regierung, die das Land zur Rettung seiner Ban-
ken hoch verschuldet hat (die Staatsverschuldung schnellte
von 25 Prozent des BIP vor der Krise auf gegenwärtig ca.
120 Prozent hoch)
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, schlug von Beginn an einen rigiden
Sparkurs mit Ausgabenkürzungen von mehr als 15 Prozent
ein.
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Demgegenüber wuchs das Misstrauen in Bezug auf
Griechenlands Zahlungsfähigkeit, was Anleger beflügelte,
mit Hilfe sog. „Leerverkäufe“ gegen Griechenland zu wet-
ten. Wenn Anleger beispielsweise die Anleihen des griechi-
schen Staates für überbewertet halten, werden sie vereinba-
ren, solche Anleihen, die sie noch gar nicht besitzen, zu
einem bestimmten Termin zu liefern. Dazu müssen die
Staatsanleihen also zu einem späteren Zeitpunkt erst einmal
erworben werden. Anleger gewinnen, wenn der Preis der
Anleihen zwischenzeitlich gefallen ist; Fehlspekulationen
mit Verlusten sind aber nicht ausgeschlossen. Ein anderes
Instrument, dessen sich Anleger bedienten, sind Ausfallver-
sicherungen auf Anleihen, die umso wertvoller werden, je
wahrscheinlicher die Insolvenz eines Staates wird.
Bedrohlich wurde jetzt die Gefahr, dass sich bald
für Staatsanleihen der hoch verschuldeten europäischen
Länder nicht mehr genügend Käufer finden würden oder
diese Länder sich nur noch zu sehr hohen Zinsen neue Kre-
dite hätten beschaffen können, was den deflationärenDruck
zunächst in Europa erhöht hätte. Deshalb beging die EZB
in dieser Situation einen „Tabubruch“: Sie begann, Staats-
anleihen der südeuropäischen Länder aufzukaufen, sie vor
der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren und zugleich die
Währungsunion zu verteidigen. Damit begab sie sich „prak-
tisch unter die Spekulanten, um sie mit eigenen Mitteln zu
schlagen. Wenn diese [zum Zweck der Spekulation nämlich
– d. Verf.] Papiere auf den Markt werfen, kauft die Zentral-
bank sie auf und verhindert damit eine Abwärtsspirale.“
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Zudem wurden nun mit Hilfe der Notenbanken der USA
und Kanadas, Japans, Großbritanniens und der Schweiz er-
neut die Märkte mit Liquidität geflutet.
Die Sparpolitik und die Krise der EU
Umdie überschuldeten Länder der Eurozone zu stützen, ei-
nigten sich die europäischen Regierungen Anfang Mai 2010
zudem auf Hilfen und Bürgschaften in Höhe von 500 Mrd.
Euro, hinzu kamen Hilfen in Höhe von 250 Mrd. Euro vom
IWF. Unter Aufsicht von IWF, EU und EZB musste Grie-
chenland nun aber zu sparen beginnen, schon bald folgten
Ausgabenkürzungen in Spanien, Portugal und Italien, die
sich ebenfalls in der Schuldenfalle befinden. Seit Anfang
2013 gehört zu den akut gefährdeten Staaten nunmehr auch
Zypern. Das Problem, das Europa seither regelmäßig in
Atem hält, ist die weiterhin drohende Zahlungsunfähigkeit
der überschuldeten Länder, deren Ökonomien in die De-
pression abstürzten, was Einnahmen sinken ließ und deren
Defizite trotz der Ausgabenkürzungen erhöhte. Zeitgleich
wechseln sich anhaltend Schlagzeilen ab über unter Druck
geratene französische und spanische Banken, über höhere
Zinsen, die inzwischen auch von Frankreich für dessen
Staatsanleihen aufgebracht werden müssen, aber auch über
die immense öffentliche Verschuldung in den USA, die hö-
her ist als jene Europas (2012 ca. 107 Prozent in Relation
Die Europäische Zentralbank (EZB)
Die am 1. April 1998 gegründete Europäische Zentralbank ist
die Zentralbank der an der EuropäischenWährungsunion teil-
nehmenden EU-Staaten und bildet zusammen mit den natio-
nalen Zentralbanken (wie etwa der Deutschen Bundesbank)
das Europäische System der Zentralbanken. Sie hat ihren Sitz
in Frankfurt am Main. Ihre Präsidenten waren bislang der
Niederländer Willem F. Duisenberg (1998 – 2003), der Fran-
zose Jean-ClaudeTrichet (2003 – 2011) sowie der Italiener
Mario Draghi (seit 2011). Nach demVertrag von Maastricht
hat sie vorrangig die Aufgabe, die Preisstabilität in der Euro-
zone zu gewährleisten und – nachrangig – dieWirtschaftspoli-
tik in der EU zu unterstützen. 2010 geriet die Geldpolitik der
EZB in die Kritik, da sie – gegen ihre strenge Verpflichtung,
das Inflationsrisiko so niedrig wie möglich zu halten –
Staatsanleihen mit schlechter Bonität aus hoch verschuldeten
EU-Ländern ankaufte, um die unter Druck stehenden Märkte
in diesen Ländern zu entlasten.
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