Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 25

Internet, Facebook, Twitter & Co.
Einsichten und Perspektiven 3 | 13
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Präsident Barack Obama vor Unterstützern am 24. Oktober
2012 in Denver, Colorado. Wähler übernehmen im digitalen
Wahlkampf zunehmend die Funktion, Wahlkampfbotschaften
zu kommunizieren.
Foto: ullstein bild, Reuters, Fotograf: Kevin Lamarque
Ausbreitung des Marketingsdenkens in der Politik mit sich
gebracht hat: Es geht nicht mehr darum, ein Produkt, eine
Ideologie, eine Partei oder einen Kandidaten an die Frau
und an denMann zu bringen und ihnen schmackhaft zu ma-
chen, sondern das Produkt wird unter Verkaufsaspekten ge-
staltet. Überzeugungen sind auf diese Weise beliebig ge-
worden.
Mit den digitalen Techniken sind aber auch neue
„Player“ im politischen Feld hinzugekommen, die in das
Wahlkampfgeschehen eingreifen und die Politik zu Reak-
tionen herausfordern. Es entstanden zahlreiche politische
Internetangebote, insbesondere Blogs, die über die Kampa-
gne berichten, den Wahlkampf diskutieren und kommen-
tieren, Aussagen hinterfragen und auf ihre Richtigkeit prü-
fen. Die Schnelligkeit der digitalen Techniken, die für die
Kampagnenorganisation einen großen Vorteil darstellt,
kann hier zum Problem werden. Ein Videomitschnitt vom
Ausrutscher beim Wahlkampfauftritt, ein nicht für die Öf-
fentlichkeit bestimmter Kommentar ins versehentlich noch
offene Mikrofon, das Foto vom privaten Wochenende – al-
les ist in Sekundenschnelle ins Netz gestellt und weltweit
verbreitet. Das etwa musste der ehemalige britische Pre-
mierminister Gordon Brown im Wahlkampf 2010 erleben,
der nicht gemerkt hatte, dass sein Mikrofon noch offen war,
als er eine Wählerin als bigott beschimpfte. Innerhalb kür-
zester Zeit fand sich das Ereignis auf Youtube, wo dann auch
zu sehen war, wie Brown abermals anreiste, um sich bei der
Frau zu entschuldigen. Obendrein erlauben Internet, Face-
book, Twitter & Co. den Bürgerinnen und Bürgern ebenso
schnelle Reaktionen auf politische Ereignisse; manch ein
Politiker sah sich schon einem Entrüstungssturm ausge-
setzt, der dann nur mit viel Aufwand wieder zu beruhigen
ist.
Die neuen Kampagneninstrumente bringen indes-
sen für die Politik einen erhöhten Mobilisierungsbedarf mit
sich, der sich zum einen daraus ergibt, dass das Internet zu
großen Teilen ein
Pull-
Medium darstellt: Die Nutzerinnen
und Nutzer müssen aktiv werden, die Inhalte kommen
nicht wie bei den klassischen Massenmedien, die
Push-
Me-
dien sind, auf sie zu, ohne dass sie viel Aktivität erfordern.
Sie werden also weniger leicht zufällig mit politischen An-
geboten konfrontiert, als das vor allem beim Fernsehen der
Fall ist. Obendrein erlauben die neuen Technologien eine
stärkere Selektion von Informationen, als das bei den Mas-
senmedien der Fall ist. Das führt dazu, dass sich die Wähle-
rinnen und Wähler verstärkt solchen Inhalten zuwenden,
die zu ihren bestehenden Einstellungen und Meinungen
passen. Die Herausforderung, die sich aus der (zufälligen)
Konfrontation mit anderen Positionen zum Beispiel in den
Fernsehnachrichten, Talkshows oder den Kandidatenduel-
len im Fernsehen ergibt, entfällt. Zum anderen haben viele
Nutzer der sozialen Netzwerke andere Motivationen als
den Austausch über politische Inhalte. Das erklärt den Ein-
satz eines Heers von freiwilligen Wahlkampfhelfern in den
USA, die solche Barrieren überwinden, um diese Nachteile
auszugleichen. Und so lautete dann auch eine Erkenntnis
aus dem Vergleich der US-Präsidentschaftswahlkämpfe
2012 und 2008: “
In 2012, in short, voters are playing an in-
creasingly largerolein helping to communicatecampaign
messages, while the role of the traditional news media as an
authority or validator has only lessened.
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Die USA – Vorreiter, aber kein Modell
Wahlkampfmanager von Parteien und politische Berater aus
aller Welt beobachten stets sehr genau, wie in den USA
Wahlkampf läuft. Nicht umsonst verfolgt uns mittlerweile
seit Jahrzehnten das Schlagwort der Amerikanisierung
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und verbunden damit oft die Erwartung, die raffinierte
Kampagnenführung, wie sie uns in den USA vorgeführt
wird, sei ein Vorbild und ließe sich so einfach übernehmen.
Das lässt indessen vergessen, dass die Kampagnenin-
strumente und die Art und Weise ihres Einsatzes in einem
engen Zusammenhang mit dem politischen und dem Wahl-
system der USA, aber auch anderen gesellschaftlichen Fak-
toren stehen. Die Kandidatenorientierung, Hand in Hand
21 Pew Research Center (wie Anm. 11), S. 4.
22 Vgl. Christina Holtz-Bacha: Political campaign communication: Conditional convergence of modern media elections, in: Frank Esser /
Barbara Pfetsch (Hg.): Comparing political communication. Theories, cases, and challenges, Cambridge 2004, S. 213–230.
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