Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 15

Ein Gesprächmit Arno S. Hamburger
Einsichten und Perspektiven 3 | 13
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1945: Mit dem Motorrad und in britischer Uniform auf dem Weg nach Nürnberg
Foto: privat
Landeszentrale:
Für Ihre Eltern, die Sie sechs Jahre lang
nicht gesehen haben, muss es ja grausam gewesen sein, Sie
wieder weggehen zu lassen.
Hamburger:
Na ja. Zu der Zeit hatte ich schon einen Job
und habe ein Visum für Deutschland bekommen. Außer-
dem besaß ich einen britischen Pass – ich war ja zuvor aus-
gebürgert worden. Und mit Hilfe des Passes bin ich dann
mit dem Schiff nach Marseille und von dort aus mit einem
amerikanischen Zug nach Deutschland gefahren. Ende Au-
gust bin ich schließlich entlassen worden und im September
1946 wieder in Nürnberg gewesen. Ich lebte zuerst im
GrandHotel und dann in einer beschlagnahmten Villa. Mei-
ne Eltern wohnten immer noch am Friedhof. Dann habe ich
am 1. Oktober 1946 angefangen, im Justizpalast zu arbeiten.
Landeszentrale:
Als Sie nach Palästina zurück sind zur
Entlassung, hatten Sie da Gelegenheit, noch einmal in den
Moschav
zu gehen?
Hamburger:
Ja, natürlich war ich dort. Das ist klar.
Landeszentrale:
Ihre Eltern haben die Jahre 1939–1945 in
Nürnberg überlebt, und Ihr Vater wurde als Zwangsarbei-
ter eingesetzt.
Hamburger:
Ab Mai 1939. Das rettete ihm das Leben. Es
hat ja keine deutschen Männer mehr gegeben. Darum ar-
beitete er zusammen mit russischen Kriegsgefangenen bei
einer Firma, die Gleise verlegt hat.
Landeszentrale:
Gab es da jemanden, der ihn beschützt
hat?
Hamburger:
Beschützt? Nein! Sie haben ja gesehen, was er
verdient hat. Wir haben die Lohnsteuer gleich weggezahlt.
Keine Fleischmarken, keine Waren, nichts.
Wenn Sie das Bild von 1939 mit dem von 1945 ver-
gleichen, dann sehen Sie auch, wie sich der Mann in sechs
Jahren verändert hat.
Landeszentrale:
Als Sie dann zurück in Nürnberg waren,
haben Sie da zu irgendeiner Gelegenheit Nazis angetroffen?
Hamburger:
Es hat keine gegeben. Es hat keine Nazis ge-
geben, keine. Auch aus meiner Generation war niemand
mehr da. Entweder sie waren in Kriegsgefangenschaft, oder
sie sind gefallen.
Ich habe ja auch keine sozialen Kontakte gehabt.
Das ist erst gekommen, als wir deutsche Jugendliche be-
treuten. Innerhalb der GYA war das, der
German Youth
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