Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 7

Ein Gesprächmit Arno S. Hamburger
Einsichten und Perspektiven 3 | 13
143
Im Frühjahr dieses Jahres sind Herr Arno Siegfried Ham-
burger und die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit
übereingekommen, seine Lebensgeschichte so zu publizie-
ren, dass sie vor allem jüngeren Lesern einen Zugang zur
Geschichte des 20. Jahrhunderts eröffnet:Im Spiegel dieser
Biografie können Jugendliche einen tiefen und lehrreichen
Einblick gewinnen – in die Brüche und Hoffnungen der
Weimarer Republik, in die Mechanismen des Antisemitis-
mus und des Holocaust, in die Vorgeschichte der israeli-
schen Staatsgründung, aber auch in die justizielle Aufarbei-
tung nach dem Krieg und die Neugestaltung der demokra-
tischen Ordnung in Deutschland.
Im Leben Arno S. Hamburgers, der von der Wei-
marer Republik bis zur Gegenwart das dann doch nicht
so kurze 20. Jahrhundert als Akteur und als Betroffener, als
Subjekt und als Objekt, unmittelbar begleitet, ertragen und
mit beeinflusst hat, wird die Zeitgeschichte wie in einem
Brennspiegel erfahrbar. In vier ausführlichen Interviews
zeigte sich Herr Hamburger als detailsicherer, streitbarer,
humorvoller und warmherziger Gesprächspartner, der uns
vertrauensvoll, mit Bedacht und mit Esprit in das von ihm
Erlebte Einblick gewährt hat.
Der hier vorliegende Vorabdruck der noch in der
Planung befindlichen Gesamtpublikation wurde Herrn
Hamburger Ende September vorgelegt; die Freigabe hierfür
hat seine Familie erteilt. Herr Hamburger ist am 26. Sep-
tember 2013 verstorben.
Das Interview beleuchtet eine äußerst dramatische
Phase in Arno S. Hamburgers Leben:Dargestellt werden
die Zeit nach seiner Ausbürgerung aus Deutschland, sein
Leben als Jugendlicher in Palästina und seine Rückkehr
nach Nürnberg.
Im Mai 1939 gelang es dem jungen Arno Hambur-
ger, sich für eine Ausreise ins britische Völkerbundmandat
Palästina zu qualifizieren – seine Form der
Alija
2
. Nach ei-
nem mehrtägigen Vorbereitungskurs in Hamburg-Blanke-
nese, den ihm seine Eltern ermöglichten, war er der einzige
von insgesamt 17 jüdischen Jugendlichen aus Nürnberg, der
das für die Emigration benötigte Zertifikat erhielt. Am
22. August 1939, weniger als zwei Wochen vor Kriegsbe-
1 Vor diesem Hintergrund stellt das Interview auch einen Beitrag zur Erinnerung an die Reichspogromnacht vor 75 Jahren dar; die Zerstö-
rung der Nürnberger und der Münchner Synagoge Monate vor dem 9. November 1938 weisen auf die weiteren Verbrechen voraus.
2 Der Begriff
Alija
stammt aus dem Alten Testament und bezeichnet die Rückkehr der Juden ins Gelobte Land. In der Moderne bezeichnet
der Begriff die Einwanderungswellen jüdischer Siedler nach Palästina und später in den dort gegründeten Staat Israel.
Luftaufnahme eines
Moschavs
(„
Nahalal
“,
Jezreel-Tal
,
Galiläa
) aus dem Jahre 1935
Foto: ullstein bild, Fotograf: Roger-Violett
1,2,3,4,5,6 8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,...72
Powered by FlippingBook