Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 20

den 1970er-Jahren das Fernsehen als vermeintlich einfluss-
reichstes Wahlkampfmedium entdeckt, als etwa ab Anfang
der 1980er-Jahre neue Technologien und, daraus folgend,
die gesetzliche Liberalisierung eine Vermehrung der Ange-
bote mit sich brachten. Vor allem in den Staaten Westeuro-
pas bedeutete das ein Ende des öffentlich-rechtlichen Mo-
nopols. Die
Public-Service
-Sender sahen sich einer bisher
nicht gekannten Konkurrenz ausgesetzt, die obendrein
durch ihre Orientierung amWerbemarkt andere Akzente in
Inhalt und Aufbereitung setzen. Damit setzte ein, was
Blumler und Kavanagh (1999) als „
thethird ageof political
communication
“ bezeichnet haben, ein Zeitalter, geprägt
von „
media abundance, ubiquity, reach, and celerity
3
: eine
Fülle von Kommunikationskanälen, allgegenwärtig, schnell
und mit großer Reichweite. Die bis dahin ungekannte Viel-
zahl insbesondere an Fernsehkanälen hat zu einer Frag-
mentierung des Publikums geführt, das nun nicht mehr so
einfach anzusprechen ist wie zu Zeiten weniger Program-
me, wo sich das Publikum konzentrierte. Die Fülle des An-
gebots hat es mit sich gebracht, dass die Zuschauerinnen
und Zuschauer der Politik einfacher ausweichen und sich
leichterer Kost zuwenden können. Die auf hohe Zuschau-
erquoten zielenden kommerziellen Sender tragen ihrerseits
dem vermeintlich vorrangigen Unterhaltungsinteresse des
Publikums Rechnung, nehmen politische Angebote zurück
und verpacken sie in einer Weise, die sie attraktiver machen
soll. Die Politik, die für die Ansprache der Wählerschaft auf
die Medien, vor allem das Fernsehen, angewiesen ist, sah
sich daher gezwungen, sich ihrerseits unterhaltender zu ver-
kaufen. Dieser Zug zur Entertainisierung der Politik brach-
te hybride Angebote hervor, die Politik leichter verdaulich
anbieten, und trieb die politischen Akteure in ein Umfeld,
in dem sie bisher fremd waren.
Diese Entwicklungen − die Unberechenbarkeit der
Wählerschaft und die Veränderungen der Medienland-
schaft − haben die Politik herausgefordert und Anpassungs-
leistungen notwendig gemacht, die sich als Professionalisie-
rung bezeichnen lassen. Dieser Begriff kamzunächst auf mit
der stärkeren Sichtbarkeit von Beratern und Verkaufsspe-
zialisten inWahlkämpfen, also einer Tendenz zumOutsour-
cing von Kampagnenaufgaben, obwohl sich Parteien und
Kandidaten nicht erst neuerdings solcher professioneller
Hilfe bedienen. Schnell wurde aber deutlich, dass profes-
sionelles Marketing von Politik, nicht nur zu Wahlkampf-
zeiten, einer Professionalisierung aller an der politischen
Kommunikation Beteiligten bedarf und darüber hinaus ei-
nen andauernden Prozess darstellt, nicht zuletzt weil die
Internet, Facebook, Twitter & Co.
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neuen Medientechnologien auch neue Anpassungsleistun-
gen erfordern.
Diese Professionalisierung − im Sinne einer fort-
dauernden Anpassung an die Herausforderungen durch
gesellschaftliche Veränderungen mit ihren Konsequenzen
für politisches Verhalten sowie die Entwicklung im Me-
diensektor − hat Folgen im politischen Kommunikations-
management mit sich gebracht. Einerseits ist die Rede von
der De-Ideologisierung der politischen Kommunikation.
Gemeint ist damit, dass „die Parteien statt eines scharfen
weltanschaulichen und programmatischen Profils positive
,Produkteigenschaften‘ und ‚universale Kompetenz‘ her-
ausstellen“.
4
Durchaus damit zusammenhängend, setzt sich
andererseits eine Marketingperspektive durch, die Ver-
kaufsaspekte in den Vordergrund und Überredung vor
Über- zeugung stellt. Experten aller Art, vom Eventmana-
gement über PR- und Werbeagenturen bis zur Meinungs-
forschung, übernehmen und unterstützen das aktive Kom-
munikationsmanagement, dessen Ziel es ist, die
Definitionsmacht in der Hand zu halten und dafür zu sor-
gen, dass die politischen Botschaften möglichst unverändert
von den Medien übernommen werden oder an ihnen vorbei
die Wählerschaft erreichen.
Diese Entwicklungen ließen sich zuerst in Wahl-
kämpfen beobachten, also zu Zeiten, in denen unmittelbar
für den Machterhalt oder die Übernahme von Macht ge-
kämpft wird. Wahlkämpfe sind daher Hochzeiten der poli-
tischen Kommunikation, die die Strategien für die Anspra-
che von Bürgerinnen und Bürgern in markanter Weise
hervortreten lassen. Das gilt längst nicht mehr nur für na-
tionale Wahlen, sondern auch für Wahlen und Abstimmun-
gen auf anderen Ebenen des politischen Systems. Sie dienen
zugleich als Vorbilder für politische Kampagnen außerhalb
von Wahlkämpfen oder auch für die alltägliche politische
Kommunikation.
Der Kampf um die Aufmerksamkeit
Ebenso wie die kommerzielle Werbung muss auch die poli-
tische Kommunikation in erster Linie darauf zielen, die
Aufmerksamkeit der Medien und der Wählerschaft zu ge-
winnen. Sie steht dabei in der Konkurrenz mannigfacher
und attraktiverer Angebote, gegen die sie sich durchsetzen
muss, und gleichzeitig vor dem Problem, dass viele Rezi-
pienten sich nicht so sehr für Politik interessieren und poli-
tische Angebote daher nicht aktiv suchen.
3 Jay G. Blumler / Dennis Kavanagh: The third age of political communication: influences and features, in: Political Communication 16,
1999, S. 209–230.
4 Winfried Schulz: Wahlkampf unter Vielkanalbedingungen. Kampagnenmanagement, Informationsnutzung und Wählerverhalten, in: Media
Perspektiven 8/1998, S. 378–391.
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