Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 3/13) - page 21

Internet, Facebook, Twitter & Co.
Einsichten und Perspektiven 3 | 13
157
Bundeskanzlerin Angela Mer-
kel beim Erinnerungsfoto
nach dem Ende der Sendung
„Wahlarena“ am 9. September
2013 im Ersten: Parteien, die
im Wahlkampf auf Personali-
sierung oder Privatisierung
setzen, gehen auch ein Risiko
ein: Welche Aspekte der Per-
son und ihrer Persönlichkeit
werden medial aufgegriffen,
was wird betont, was wird wie
bewertet?
Foto: ullstein bild, Fotograf: Sven
Simon
Der Kampf um Aufmerksamkeit für Programm und Kan-
didaten umfasst auch solche Strategien, die darauf gerichtet
sind, Aufmerksamkeit von bestimmten Themen abzulen-
ken. Parteien, Kandidatinnen und Kandidaten haben unter-
schiedliche Kompetenzen oder Erfolge aufzuweisen, und
sie haben „wunde Punkte“, die sie im Wahlkampf lieber
nicht diskutiert haben möchten. Sie setzen daher auf De-
Thematisierung oder Ablenkung. Eine bewährte Strategie,
die Aufmerksamkeit von Medien und deren Publikum zu
gewinnen und gleichzeitig von unbequemen und schwieri-
gen Themen abzulenken, ist Personalisierung. Gemeint ist
damit die Verknüpfung politischer Programme und Pro-
blemlösungen mit Personen. Die Politikerin, der Politiker
stehen für die Sache. Die Personalisierung politischer Bot-
schaften macht die abstrakte und daher eher schwer erklär-
bare Politik leichter verständlich und kommt auch damit
den Medien und der Wählerschaft entgegen.
5
Eine besondere Form der Personalisierung ist „Pri-
vatisierung“. Während Personalisierung die Fokussierung
auf Personen bezeichnet, die nicht notwendig „unpolitisch“
sein muss und wegen ihrer die Komplexität reduzierenden
Funktion auch nicht unbedingt negativ zu beurteilen ist, be-
zieht sich Privatisierung auf das Eindringen des Privaten in
die Politikvermittlung. In den USA ist es selbstverständlich,
dass sich Kandidaten auch in ihren privaten Rollen präsen-
tieren, dort gehört das Private ganz selbstverständlich mit
auf die politische Bühne, und mancher Kandidat musste ge-
rade wegen Enthüllungen über sein Privatleben alle Tricks
des politischen Marketing aufwenden, um die politische
Karriere zu retten, oder ist gar daran gescheitert. Auch an-
derswo gibt es die Einbeziehung des Privaten in die politi-
sche Selbstdarstellung, dieses ist dann aber eher von der Per-
son des Kandidaten abhängig. Diese Privatisierung ist eine
geeignete Ablenkungsstrategie, die auf persönliche Sympa-
thie setzt. So ganz unpolitisch ist sie indessen auch nicht:
Politikerinnen und Politiker, die ihre private Seite bemühen,
um sich der Wählerschaft anzupreisen, hoffen darauf, dass
ihre (positiven) persönlichen Eigenschaften auf die öffentli-
che Rolle übertragen werden und sie sich auch damit für das
von ihnen angestrebte Amt empfehlen.
6
Direkte und indirekte Ansprache
derWählerschaft
Bis zum Aufkommen der digitalen Medien war die Politik
zur Ansprache der Wählerschaft auf die Massenmedien an-
gewiesen, denn die meisten Bürgerinnen und Bürger kom-
men nur selten direkt mit der Politik in Kontakt. Etwa seit
den 1970er-Jahren galt ihr Interesse vorrangig dem Fernse-
hen, dessen audiovisuelle Qualität besondere Wirksamkeit
erhoffen ließ. Hier ging es vor allem um den Zugang zu den
redaktionellen Angeboten wie etwa Nachrichtensendun-
gen, weil die Politikdarbietung in ihnen neutraler und daher
glaubwürdiger erscheint. Damit ging auch die eifersüchtige
Beobachtung der ausgewogenen Berücksichtigung aller im
Wettbewerb stehenden politischen Akteure einher. Das
5 Vgl. Christina Holtz-Bacha / Eva-Maria Lessinger / Merle Hettesheimer: Personalisierung als Strategie der Wahlwerbung, in: Kurt Imhof /
Peter Schulz (Hg.): Die Veröffentlichung des Privaten und die Privatisierung des Öffentlichen, Opladen 1998, S. 240–250.
6 Vgl. Christina Holtz-Bacha: Das Private in der Politik: Ein neuer Medientrend?, Aus Politik und Zeitgeschichte (2001), B41–42, S. 20–26.
1...,11,12,13,14,15,16,17,18,19,20 22,23,24,25,26,27,28,29,30,31,...72
Powered by FlippingBook