Inklusion an Schulen in Bayern: Infomationen für Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen - page 29

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4.1.5 Praxisbeispiel: Informationsknoten und Netzbildung
Peter (20 Jahre) ist im Rahmen einer dualen Ausbildung zum Medientechnologen Druck Schüler der Berufs
schule (10. Jahrgangsstufe). Nach der Grundschule besuchte er die Hauptschule (jetzt Mittelschule) und legte
nach der 9. Jahrgangsstufe den Qualifizierenden Hauptschulabschluss ab. Über einen Zeitraum von drei Jahren
war er Ausbildung suchend im gewerblich-technischen Bereich, leistete mehrere Praktika und Aushilfstätigkeiten ab. Er
hatte verschiedene Bewerbungen an Betriebe und Schulen gerichtet, war jedoch nicht angenommen worden. Peter weist
eine spastische Hemiparese (unvollständige Lähmung der linken Körperseite) auf. Von ärztlicher Seite ist ihm Berufstaug
lichkeit attestiert worden. Im schulischen Bereich ist aber auffällig, dass er Schwierigkeiten hat, die Anforderungen zu
erfüllen. Eine Begleitung durch den MSD fand bisher nicht statt. Im Verlauf der ersten Monate an der Berufsschule berei
tet sich Peter sowohl auf den theoretischen als auch auf den fachpraktischen Unterricht lediglich lückenhaft vor, über
nimmt wenig Verantwortung und zeigt sich auch im Ausbildungsbetrieb desinteressiert. Darüber hinaus fällt es ihm
schwer, sich an die in der Schule geltenden Regeln zu halten (z.B. Handyverbot) und zeigt oppositionelles Verhalten.
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Der Schulleiter kommt gemeinsam mit Peter auf die Beratungsfachkraft zu und bittet diese um Unterstützung. Auch Peter
ist an einem Punkt, an dem er Hilfe sucht und annehmen möchte. Nach dem Erstgespräch definiert die Beratungsfachkraft
auf Bitten des Schülers für sich den Auftrag, als Knotenpunkt zwischen unterschiedlichen Institutionen und Fachkräften zu
fungieren, die unterstützend bei der Bewältigung von Peters Problemen aktiv werden können. Ziel ist, dass der von ihm
angestrebte Abschluss erreicht werden kann. Die Beratungsfachkraft sieht ihre Aufgabe darin, dass bei ihr alle wesentlichen
Informationen zusammenfließen, von ihr Kontakte geknüpft und zusammengeführt werden und sie somit zu einem Mittler
innerhalb des Systems der fachlich spezialisierten Personen und Institutionen wird.
Im vorliegenden Fall setzt die Beratungsfachkraft an folgenden Punkten an und stellt in Austausch mit Peter die praktisch
umsetzbaren Unterstützungsmöglichkeiten zusammen:
Lehrkräfte
: Die Beratungsfachkraft informiert alle in der Klasse unterrichtenden Lehrkräfte über Peters Situation. Sie
sollen dafür sensibilisiert werden, dass seine Problemlöse- und Transferfähigkeiten hinter dem oberflächlich dominanten
Eindruck des leistungsstarken Schülers deutlich zurück bleiben. Zudem wird um Verständnis für die besondere Situation
Peters geworben.
Eltern/Erziehungsberechtigte
: Auch wenn Peter bereits die Volljährigkeit erreicht hat, kann es, Peters Einwilligung
vorausgesetzt, sinnvoll sein, die Eltern einzubinden und Möglichkeiten häuslicher Unterstützung abzuklären.
Ausbildungsbetrieb
: Ein enger Kontakt mit dem Ausbildungsbetrieb ist von Anfang an wichtig.
Arztberichte
: Die Beratungsfachkraft sichtet mit dem Einverständnis Peters vorliegende Arztberichte. Damit werden
Doppeltestungen vermieden und ärztliche Einschätzungen in die Begleitung durch die unterschiedlichen Ansprechpartner
eingebunden.
Der
MSD für körperlich-motorische Entwicklung (KME)
kann bei Peter unterstützend tätig werden
– bei der Versorgung mit Hilfsmitteln,
– bei der Klärung diagnostischer Fragestellungen und
– bei der Erstellung eines Förderplans.
Er informiert über die Vorgehensweise bei der Umsetzung eines gegebenenfalls angezeigten Nachteilsausgleichs.
Darüber hinaus ist er Ansprechpartner, wenn in der Schule eine SchiLF vorbereitet werden soll.
Physio- bzw. Ergotherapie
: Eine Begleitung aus physio- oder ergotherapeutischer Sicht wird im Bedarfsfall von einem
Arzt angeordnet, was der volljährige Schüler selbst in die Wege leiten kann. Die Beratungsfachkraft kann den möglichen
Bedarf ansprechen und Kontakte anbahnen.
Orthopädiemechaniker und -techniker
: In manchen Fällen kann es angezeigt sein, einen Orthopädiemechaniker zu
Rate zu ziehen, um die Notwendigkeit von beispielsweise Orthesen oder technischen Hilfsmitteln (Rollstuhl etc.) zu
überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Kann der Ausbildungsweg so nicht erfolgreich realisiert werden, kann weiter an die Förderberufsschule und an den ifd
gedacht werden (siehe 2.2.3)
Regelmäßige Rückmeldungen an den Schulleiter sichern dessen Kenntnis über den jeweils erreichten Stand der Inter
ventionen und stärken dessen unterstützende Haltung. Eine starke Einbindung Peters zielt darauf ab, die Motivation, Hilfs
angebote anzunehmen, zu verbessern und die daraus entstehenden Möglichkeiten zu veranschaulichen.
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