Inklusion an Schulen in Bayern: Infomationen für Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen - page 19

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Die Komplexität der Fragestellungen im Bereich der Inklusion führt dazu, dass meist mehrere inner- und außerschulisch
Beteiligte betroffen sind. Im vorliegenden Beispiel wenden sich sowohl der Klassenleiter als auch die Mutter unabhängig
voneinander an die Beratungslehrkraft. Denkbar wäre auch, dass die Erziehungsberechtigten ihr Anliegen an die Klassen
leitung richten, die nach dem Gespräch dieses und ihr eigenes Anliegen an die Beratungslehrkraft weiterleitet, ohne dass im
ersten Moment klar wird, welche unterschiedlichen Bedürfnisse und Motivationen zugrunde liegen. Manchmal berühren und
aktivieren auch Beratungsfälle die Beratungsfachkräfte in besonderer Weise oder gewinnen eine Eigendynamik, da sie mit
deren eigenen Lebens- und Berufsweg enger zusammenhängen.
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Gerade die Beratungsfachkräfte müssen von dem Moment an, in dem sie als Experten angesprochen werden, der Frage
nachgehen, von wem sie welche Aufträge erhalten und welche Rollen sie dabei ausfüllen können.
Entsprechend bietet es sich an, vor Übernahme eines Beratungsauftrags
diesen im Rahmen der Beratungsgespräche exakt zu formulieren,
das Auftrags- und Interessengeflecht mit den daran geknüpften Bedürfnissen und Erwartungen (graphisch) zu skizzieren
und gegebenenfalls offen zu kommunizieren,
die Konstellationen sowie die sich möglicherweise wandelnden Bedürfnisse und Erwartungen während des Beratungs
prozesses im Auge zu behalten und
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die Zuständigkeiten sowie den Kooperationsbedarf zu beachten.
Impulse zur Auftragsklärung in einem Beratungsfall:
Handelt es sich um einen Auftrag, den ich in der vorliegenden Form bereits annehmen kann oder der noch präzisiert
werden muss?
Welche weiteren Aufträge an mich bestehen bei dem Fall bereits? Gibt es Überschneidungen oder Kollisionen
zwischen den Aufträgen, ergänzen sie sich, können sie zusammengeführt werden, schließen sie sich wechselseitig
aus? Auf welche Weise muss ich mich wem gegenüber abgrenzen und dies transparent machen?
Worin liegen eventuell eigene Beweggründe und Antreiber oder aber auch Hemmnisse? Welche Aufträge gebe ich
mir selbst?
Welche Möglichkeiten gibt es, verdeckte Aufträge durch einen Austausch mit anderen (z.B. im Rahmen von Super
vision) erkennbar zu machen?
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Welche weiteren Personen sind im Rahmen einer differenzierten Auftragsklärung hinzuzuziehen? Welche Personen
müssen innerhalb des schulischen und außerschulischen Systems berücksichtigt werden?
Insbesondere gilt es, sich vor selbst gegebenen oder verdeckten Aufträgen zu schützen. Es besteht zudem eine große
Gefahr darin, zwischen widersprüchlichen Auftragsstellungen oder konträren Auftraggebern zerrieben zu werden.
3.2.2 Informationelles Selbstbestimmungsrecht, Schweigepflicht und Schweigepflichtentbindung
Die Erarbeitung von Lösungen kann nur in einem konstruktiven Austausch gelingen. Daher sind die Aspekte der Freiwilligkeit
der Ratsuchenden, der Neutralität bzw. Allparteilichkeit, der Vertraulichkeit und der Verschwiegenheit der Berater (siehe
Kapitel 3.1) nicht immer einfach zu handhaben. Einerseits müssen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Rat
suchenden und der Datenschutz gewährleistet sein. Andererseits erfordert eine Zusammenarbeit zumWohl des Kindes oder
Jugendlichen, dass in Absprache mit den Erziehungsberechtigten oder volljährigen Schülern Informationen an die jeweiligen
Kooperationspartner zielgerichtet weitergegeben werden können.
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Erziehungsberechtigte und Schüler haben im Beratungsprozess oft kaum eine andere Möglichkeit, als sich zumindest teil
weise zu offenbaren. So kann es notwendig werden, die zuvor benannten Rahmenbedingungen von Beratung zu modifizie
ren. Dabei ist seitens des Beraters konsequent die Entscheidungsfreiheit der Ratsuchenden und die Einhaltung mit ihnen
getroffener Absprachen zu gewährleisten.
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