Aischylos als politischer Dramatiker und die Tragödie der Demokratie
Einsichten und Perspektiven 1 | 14
57
11 Vgl. Plutarch: Kimon, 8, 7.
12 Vgl. Isokrates: De Pace, 82.
13 Im Gegensatz zu den Lenäen, für die eine Repräsentationsfunktion nach außen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
da im Januar/Februar in der Ägäis keine Seefahrt möglich war, weshalb davon auszugehen ist, dass die Athener bei diesem Fest unter sich
waren. Diese Vermutung wird gestützt durch die Aussage des Dikaiopolis in Vv. 501-504 in den Acharnern des Aristophanes, was ebenfalls
ein Indiz dafür ist, dass die politische Funktion der Dramenwettbewerbe keine bloß propagandistische war.
14 Simon Goldhill: The Great Dionysia and Civic Ideology, in: JHS 107 (1987), S. 58–76, hier S. 61.
Das Dionysostheater bot mit etwa 17.000 Plätzen praktisch der gesamten Bürgerschaft Athens Platz – ein Indiz für die hohe Bedeu-
tung, die den Tragödienaufführungen zugeschrieben wurde.
Foto: ullstein bild – imagebroker.net / H.-D. Falkenstein
die zehn Strategen, also die einflussreichsten Mandatsträger
Athens, vor Beginn der Aufführungen gemeinsam im Thea-
ter vor den Augen der Bürgerschaft wie der ausländischen
Gesandten ein Opfer zu Ehren des Dionysos darbrachten.
11
Die Wiederaufnahme des Schifffahrtsbetriebs in der Ägäis
im März war freilich die Grundvoraussetzung für die An-
wesenheit ausländischer Gesandter. Dass aber ausländische
Gesandte in großer Zahl anwesend waren, wird durch die
Tatsache verbürgt, dass Isokrates in
De Pace
12
darauf hin-
weist, dass die Athener vor Beginn der Aufführungen die
Beiträge der Mitglieder des von Athen geführten attischen
Seebunds zur Bundeskasse auf dieOrchestra bringen ließen,
um sie dort allen Anwesenden zu präsentieren.
13
Diese Pro-
zedur dürfte spätestens ab 454, nach Verbringung der Bun-
deskasse von Delos nach Athen, zum festen Bestandteil der
Zeremonie geworden sein. Selbst wenn sie damit noch nicht
zu Aischylos Zeiten zu den „Vorspiel“-Elementen der Dra-
menWettbewerbe gehörte, ist ihr Sinn eindeutig: „[T]
he dis-
play was not just a piece of pomp and splendour, nor as Iso-
crates rhetorically supposes, to show how the Athenians va-
lued the property of the allies. Rather, it was a demonstration
before the city and its many international visitors of the
power of the polis of Athens, its role as force in the Greek
world. It was a public display of the success in military and
political terms of the city. It used the state festival to glorify
the state.“
14
Gleiches gilt für die anderen „Vorspiel“-Elemente,
die Ehrung einzelner, besonders verdienstvoller Bürger vor
dem versammelten Auditorium oder die Initiation der voll-
jährig gewordenen männlichen Kriegswaisen in die Bürger-
schaft: Die auf Kosten der Polis erzogenen und mit der Ho-
plitenrüstung, dem Zeichen des Vollbürgers, ausgestatteten
