Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 1/14) - page 48

ert und von Präsident Roosevelt im Weißen Haus empfan-
gen wird. Die Vorträge dienen der Verbreitung der Frie-
densidee, aber auch dem Erwerb ihres Lebensunterhalts.
Die mittlerweile 62-Jährige arbeitet Tag undNacht, schreibt
Novellen, Artikel und gibt Interviews. So findet sie ihr Aus-
kommen. Wieder auf einer Vortragsreise erhält sie schließ-
lich das lang erwartete Telegramm, in dem ihr mitgeteilt
wird, dass der Friedensnobelpreis 1905 an sie gehen wird –
und damit zum ersten Mal ein Nobelpreis an eine Frau. Die
Hoffnung, das Preisgeld würde für immer die Geldnöte be-
„Die Waffen nieder" – Bertha von Suttners Leben gegen den Krieg
Einsichten und Perspektiven 1 | 14
48
seitigen, werden aber bald enttäuscht. Suttner tritt einen
Großteil des Preisgeldes an die verarmte Verwandtschaft ab
– den geplanten Ruhestand muss sie aufschieben.
Vor dem ErstenWeltkrieg
Wenige Jahre vor dem ErstenWeltkrieg kann sich die Habs-
burger-Monarchie ein letztes Mal stabilisieren. Die Annexi-
on Bosniens und Herzegowinas anlässlich des Regierungs-
jubiläums von Kaiser Franz Joseph im Jahr 1908 markiert
Aus: Bertha von Suttner (1913), zit. nach: Der Kampf
um die Vermeidung des Weltkrieges. Randglossen aus
zwei Jahrzehnten zur den Zeitereignissen vor der Ka-
tastrophe (1892-1900 und 1907-1914), II. Band: Von
der zweiten Haager Konferenz bis zum Ausbruch des
Weltkrieges, hg. v. Dr. Alfred H. Fried, Zürich 1917, S.
523.
Unterdessen wird aber allenthalten mit dem fieberhaften
Eiger und unter größten Opfern in einer Weise gearbei-
tet und vorbereitet („bereit sein ist alles!“), nicht, als
wollte man den Brand verhüten, sondern als müsse man
ihn gewärtigen und so verheerend wie möglich gestalten.
Geld, Geld, Geld muß her! Und an allen Ecken und En-
den Schatzscheinemissionen, Steuererzwingungen, Zol-
lerhöhungen, und vor allem: Schulden, Schulden, Schul-
den! Der nationalökonomische Grundsatz, daß Reich-
tum nur durch Arbeit, durch Gütererzeugung geschaffen
werden kann, dass aber alles erpresste, aus einer Tasche
in die andere eskamotierte, und namentlich alles geborgte
Geld nicht reicher, sondern ärmer macht, dieser Grund-
satz wird ganz vergessen, und die Staaten schaffen sich
munter drauf los Millionen und Milliarden zu dem
Zwecke – einer staune –, Güter zerstören zu können.
Und dies, obwohl rings – eben als Folge dieser kriegeri-
schen Politik – die Kurse fallen, die Geschäfte stocken,
die Preise steigen, die Arbeitslosigkeit überhand
nimmt.Alles dies klingt verzweifelt, aber es lässt sich hof-
fen, dass der Exzess dieser Misslage eben zum Entschlusse
führen wird, ihr abzuhelfen. Denn es handelt sich dabei
nicht um einen unabwendbaren Verlauf von Naturge-
walten, sondern um eine willkürlich eingeschlagene
Richtung, die zu verlassen den meisten unmöglich er-
scheint, was jedoch auf Irrtum beruht. Denn der Ausweg
ist leicht einzuschlagen, er heißt: Verständigung.
Bertha von Suttner (1914), zit. nach: Der Kampf um
die Vermeidung des Weltkrieges. Randglossen aus
zwei Jahrzehnten zur den Zeitereignissen vor der Ka-
tastrophe (1892-1900 und 1907-1914), II. Band: Von
der zweiten Haager Konferenz bis zum Ausbruch des
Weltkrieges, hg. v. Dr. Alfred H. Fried, Zürich 1917,
S. 538-539.
Das einige Europa – man werfe mir nicht vor, dies sei ei-
ne fixe Idee – wäre die sicherste Rettung. Mehr als eine
fixe Idee: es hat eine politische Parole zu werden, wie
einst das „einige Deutschland“, wie „Italia una“; daran
werden die Wählermassen sich begeistern, die Führer sich
darauf stützen können. Wenn die Ent'Ente-Mächte (hier
muss ich eine Paranthese öffnen, um diese Orthographie
zu begründen. Das Wort klingt mir nämlich so in den
Ohren, seit meine Kammerjungfer es mir einmal so aus
der Zeitung vorgelesen. Warum auch nicht? Sie mochte
gedacht haben: wie es einen Doppeladler gibt, kann es ja
auch eine Doppelente geben).
Also, wenn die Ent'Entemächte den Aar-Aarmächten –
oder umgekehrt – den Vorschlag machen würden, jetzt
in Anbetracht des am Balkan drohenden Ausbruchs neu-
er Kämpfe mit ihren Weldbrandgefahren, einen einzigen,
friedensentschlossenen Bund zu bilden, so würde damit
nicht nur Sicherheit, sondern allerlei anderes Glück er-
reicht werden. Aber das Wort Glück will die arme, von
Unglück seit Jahrtausenden gepeitschte Menschheit nicht
hören – es dünkt ihr utopisch, beinahe lasterhaft. Für tu-
gendhaft gilt, Unglück zu ertragen. Der unstillbare
Drang nach Überwindung der Leiden hat seine Erfül-
lung nach dem Jenseits verschoben; dort will man nicht
nur glücklich, sondern selig werden, und nicht nur für ei-
ne Lebensdauer, sondern gleich für ewig.
1...,38,39,40,41,42,43,44,45,46,47 49,50,51,52,53,54,55,56,57,58,...76
Powered by FlippingBook