Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 1/14) - page 44

lichkeit einzumischen. Weiterhin erledigt sie die gesamte
Pressearbeit des Vereins und kann dabei erstaunliche Er-
folge erzielen. So erreicht sie durch geschickt geführte
Verhandlungen, dass die Neue Freie Presse – damals die
„vornehmste österreichische Tageszeitung“
16
– von nun an
die Aufrufe und Vereinsnachrichten der Friedensgesell-
schaft abdruckt. Auch schreibt Suttner bald Berichte für die
Zeitung und betätigt sich auf ihren Reisen als Korrespon-
dentin.
Im November 1891 reist Bertha von Suttner-Kin-
sky zu einem Friedenskongress nach Rom. Als erste Frau
ergreift sie im römischen Kapitol öffentlich das Wort.
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Während des Kongresses lernt sie auch die Veteranen der
Bewegung kennen undwird zur Vizepräsidentin des neu ge-
gründeten Zentralbüros der Friedensgesellschaften in Genf
ernannt. Diese prominente Position – für eine Frau in jener
Zeit außergewöhnlich – sichert ihre weltweite Prominenz.
Die Zeitschrift „DieWaffen nieder“
Von Rom nach Wien zurückgekehrt, nimmt sie die nächste
Aufgabe in Angriff. Überzeugt davon, dass die Beeinflus-
16 Hamann (wie Anm. 4), S. 155.
17 Ebd., S. 164.
18 Ebd., S. 168.
18 Beatrix Kempf: Bertha von Suttner. Das Lebensbild einer großen Frau. Schriftstellerin. Politikerin. Journalistin, Wien 1964, S. 42 f.
20 Suttner (wie Anm. 4), S. 262.
21 Hamann (wie Anm. 4), S. 169.
22 Kempf (wie Anm. 19), S. 129.
„Die Waffen nieder" – Bertha von Suttners Leben gegen den Krieg
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sung der öffentlichen Meinung der einzige Weg ist, die Frie-
densidee durchzusetzen, fasst sie die Gründung eines Peri-
odikums ins Auge. Doch der erste Versuch scheitert und die
geplanten Mittheilungen der Österreichischen Gesellschaft
der Friedensfreunde erscheinen nie.
18
Kurze Zeit später er-
gibt sich jedoch eine neue Gelegenheit. Sie erhält einen Brief
von Alfred Fried, einemWiener, der in Berlin wohnt. Er will
eine pazifistische Zeitschrift verlegen, und bietet ihr die
Herausgeberschaft an.
19
Bertha von Suttner sagt zu. In ih-
ren Memoiren finden sich überraschend wenige Bemerkun-
gen zur Gründung der Monatsschrift „Die Waffen nieder –
Monatsschrift zur Förderung der Friedens-Idee“, die acht
Jahre lang erscheint, bis sie von der „Friedens-Warte“ abge-
löst wird.
20
Der Suttner-Biographin Brigitte Hamann zufol-
ge gestalten sich die Anfänge der Zeitschrift schwierig. So
wird etwa die Auflage der ersten Nummer im Februar 1892
– 370 Stück – nicht gänzlich verkauft. Doch Suttner und
Fried lassen sich nicht beirren und können prominente Au-
torInnen gewinnen.
21
Suttner selbst verfasst in jeder Num-
mer Randglossen zur Zeitgeschichte, in denen sie
sich in Form einer „Polemik-Kritik-Warnung“
22
mit der
(Kriegs-) Politik der europäischen Großmächte auseinan-
Aus: Bertha von Suttner: Rüstung und Überrüstung.
Berlin 1909, S 25–26.
Hinter den militärischen Kreisen stehen zwei mächtige
Hilfskolonnen: die ganze Kriegsmetallurgie und die Pres-
se. Was die „Jingo“-Presse oder „nationalistische“ oder
„gelbe“ Presse in Verhetzung, in Arroganz, in Grobheit
und gefährlicher Aufreizung leistet, das ist bekannt; das ist
schon vielfach, auch von Ministerbänken herab, verklagt
worden, und davon will ich hier nicht reden. Aber auch
die sogenannte gemäßigte, liberale Presse begünstigt das
militaristische System auf eine mehr passive, aber darum
nicht unwirksamere Weise. Sie ist es, die jene politischen
Generals-Artikel veröffentlicht, sie berichtet von allen
Wehrforderungen ohne ein Wort der Einwendung, sie hält
das Publikum über die Einführung neuer Geschütze auf
dem Laufenden, über die „günstigen“ Ergebnisse der
Schießproben und alles dies – obwohl außerdem regelmä-
ßige Militärbeilagen erscheinen – in den Spalten des
Hauptblattes; Gegenartikel finden keine Aufnahme. Von
den Chancen des Zukunftskrieges wird wie von etwas Po-
sitivem gesprochen; der Inhalt von ausländischen Hetzar-
tikeln wird zum Gegenstand langer Leitartikel gemacht;
über politische Situationen, die eine Kriegsgefahr zu ber-
gen scheinen, wird das Gutachten „hoher Militärs“ einge-
holt; – kurz, diese Gattung Presse vermeidet es zwar, di-
rekt zum Kriege zu hetzen und direkt für Rüstungsver-
mehrungen einzutreten, sie behandelt aber das ganze
herrschende System des bewaffneten Friedens als etwas
Unverrückbares, Selbstverständliches. Es ist die Luft, die
man atmet, der Boden, auf dem man steht, und alles, was
dagegen gesprochen, geschrieben, getan wird, ist entweder
Träumerei, Utopie oder Intrige. Kommt es von Privaten,
wird es verächtlich totgeschwiegen; kommt es von offi-
zieller Seite, z.B. die englischen Vorschläge zum Rü-
stungseinhalt, so wird dagegen polemisiert und die ver-
meintlichen bösen Absichten, die daher stecken sollen,
werden klug durchschaut. – Das nennen sie Realpolitik.
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