Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 1/14) - page 50

„Die Waffen nieder" – Bertha von Suttners Leben gegen den Krieg
Einsichten und Perspektiven 1 | 14
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Karl Kraus, Aufnahme aus dem Jahr 1925
Foto: ullstein bild/Imagno
41 Ebd., S. 465 ff.
42 Suttner zit. nach Hamann (wie Anm. 4), S. 288.
43 Kraus zit. nach Hamann (wie Anm. 4), S. 394.
44 Bertha von Suttner (1914), zit. nach: Der Kampf um die Vermeidung des Weltkrieges. Randglossen aus zwei Jahrzehnten zu den Zeitereig-
nissen vor der Katastrophe (1892–1900 und 1907–1914), II. Band: Von der zweiten Haager Konferenz bis zum Ausbruch des Weltkrieges,
hg. v. Dr. Alfred H. Fried, Zürich 1917, S. 538.
45 Hamann (wie Anm. 4), S. 483 f.
46 Ebd., S. 498.
47 Suttner (wie Anm. 44), S. 553 f.
jedoch eine Trendwende.
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Der seit Jahrzehnten bestehende
Balkankonflikt entflammt – die Presse wird fortan be-
herrscht von nationalistischer Propaganda, so dass die Deu-
tungsmuster und Positionen der Frauen-, Friedens- und
ArbeiterInnenbewegung kaummehr Verbreitung finden. In
dieser Situation scheitert auch die zweite Haager Friedens-
konferenz 1907. Suttner, wieder als Korrespondentin und
Salonbetreiberin vor Ort, nennt sie „Konferenzen zur Kon-
solidierung des Krieges“.
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Bertha von Suttner wird mehr denn je verspottet.
Vor allem deutschnationale Zeitungen höhnen über die
Friedensbewegung, die „Friedensbertha“, „Judenbertha“
oder „Friedensfurie“. Auch der Antimilitarist Karl Kraus,
trägt zur Herabwürdigung ihrer Person bei: „Ehre sei Gott
in der Höhe, wenn er uns vor den starkgeistigen Frauen
schützt“.
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„Starkgeistige Frau“ – ein weiterer Spottname,
den Suttner zu ertragen hat. Diese zieht sich aber keines-
wegs zurück, sondern publiziert mehr denn je: Neben die
zahlreichen in international angesehenen Periodika veröf-
fentlichten Artikel treten verschiedene Schriften, die sich
mit dem Wettrüsten der Staaten („Rüstung und Über-
rüstung“, 1909) oder der Etablierung der Luftwaffe („Die
Barbarisierung der Luft“, 1912) beschäftigen. Suttner tritt
kontinuierlich für die Etablierung eines internationalen
Schiedsgerichts ein, das Kriege dauerhaft verhindern soll.
Daneben formuliert sie den Wunsch nach einem geeinten
Europa: Von der Einrichtung eines „einzigen, friedensent-
schlossenen Bund[es]“ in Europa erwartet sie sich „nicht
nur Sicherheit, sondern allerlei anderes Glück.“
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1912 überredet Alfred Fried die mittlerweile 69-
jährige Suttner zur Planung einer internationalen Friedens-
konferenz in Wien, die im September 1914 stattfinden soll.
Sie macht sich an die Organisation, aber es finden sich nur
wenige Persönlichkeiten, die ihre Teilnahme zusagen.
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Na-
tionalismus und Militarismus vertragen sich nicht mit der
Friedensidee. Selbst der Allgemeine Österreichische Frau-
enverein, dessen Friedensreferat von Suttner seit Jahren lei-
tet, distanziert sich von der Friedensaktivistin.
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Im März
1914 beschreibt Bertha von Suttner in ihrer Randglosse in
der Friedens-Warte die vorherrschende Stimmung: „Es ist
ein unheimliches Treiben, welches gegenwärtig die interna-
tionale Politik und Publizistik beherrscht. Nichts als
gegenseitige Verdächtigungen, Beschuldigungen und Ver-
hetzungen. Nun ja, das ist der richtige Gesang zu der Or-
chestermusik der auffahrenden Kanonen, der bombenwurf-
probenden Luftschiffe und namentlich der kriegsministe-
riellen Mehrforderungen. Zu dieser Höllenbegleitung
passen die Hasstiraden und die hämischen Chöre.“
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Nur
kurze Zeit später, am 21. Juni 1914, verstirbt Bertha von
Suttner. Sieben Tage später leitet das Attentat von Sarajewo
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