Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 71

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
ranten, die plötzlich aufeinander los rannten – und ich war genau in der Mitte. Zum Glück zog
mich jemand raus. Das war meine erste Demo-Erfahrung und die hat mich lange geprägt, ge-
rade die Sache mit dem Bullen.“ (w)
Neben dem Vorwurf des Machtmissbrauchs fühlen sich einige Befragte in ihrer Meinungsfreiheit
eingeschränkt. Außerdem würden Polizisten nicht zwischen friedlichen und nicht friedlichen De-
monstranten differenzieren.
„A: Also ich persönlich hab’ da schon immer versucht, mich da ein bisschen rauszuhalten, aber
von Freunden oder so schon, dass die friedlich demonstrieren, aber dann halt eingekesselt wer-
den und dann irgendwie mit zur Polizei gehen müssen und dann da ewig festsitzen; oder auch
von einer Freundin, dass die wirklich, also die hat nichts gemacht und wurde geschubst einfach
so, bisschen getreten und so. Ja, das find’ ich nicht in Ordnung.“ (w)
Dieses Zitat und auch das folgende zeigen einen Widerspruch auf. Zum einen werden Demonstratio-
nen von einem Teil der Befragten als recht friedlich erlebt, zum anderen schreiben sie der Polizei zu,
durch ihre Präsenz, ihr Auftreten (mit Uniform, Helm, etc.) und ihren Handlungen eine aggressive
Stimmung zu erzeugen, die in einer Bedrohung für die Befragten mündet.
„A: Also es ist auch echt oft so, dass die Polizei ziemlich aggressiv reagiert. Also die anderen, die
haben einfach Angst, hab’ ich das Gefühl, weil die rennen auf einen los, und dann ist es denen
scheißegal, ob du was gemacht hast oder nicht. Dann musst du einfach wegrennen. Wenn du
dann hinfällst, dann hast du keine Chance mehr, dann nehmen die dich einfach fest, und das ist
denen dann egal. Und dann, weiß nicht, also ich war jetzt letztes Jahr in auf einer großen De-
mo, zum Beispiel, und da mussten sie halt auch rennen, und da wurde halt ein Polizeiauto – das
war jetzt relativ offensichtlich – absichtlich dagestanden, um die zu reizen. Und dann wurde
halt reingeschlagen; da hat halt irgendwie daneben noch ein Steinhaufen gelegen – ich weiß
nicht, ob es Absicht war. Aber dann wurde halt reingeschlagen, und dann ist dann der Polizist
verletzt worden, der drin saß, und dann wurde halt einfach die ganze Straße eingekesselt. Und
ich hab’s halt grad noch geschafft rauszukommen, aber alle anderen – außer einer –, mit denen
ich da war, waren halt drinnen. Die wurden dann in Riesentrupps praktisch hundert Leute oder
so wurden dann in Bussen abtransportiert und alle festgenommen. Und die haben dann alle
auch oder fast alle noch irgendwie zumindest eine Anzeige bekommen. Aber ich glaube, die
wurde dann bald wieder fallengelassen. Aber es ist halt trotzdem, es muss halt auch irgendwie
nicht sein, dass dann gleich da alle festgenommen werden und eine Anzeige bekommen ir-
gendwie. Genau. Es läuft an und für sich schon eher friedlich ab.“ (w)
Ein weiteres biografisches Element bringt ein einzelner befragter Jugendlicher mit ein – er hat schon
seit seiner Kindheit ein negatives Bild von einem Polizisten – in Gestalt seines Vaters, der ihn geschla-
gen hat. Irgendwann hat er sich dann gegen ihn gewehrt.
„A: Dass mein Vater Bulle war, hat mich schon früh getrieben. Als ich alt und stark genug war,
habe ich gelernt, mich gegen ihn zu wehren. Ich habe dann trotzdem meine Musik gehört, habe
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