Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 66

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
end von Schmitt, Maes und Schmal (vgl. 1995) entwickelt (vgl. Schmitt (
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landau.de/schmittmanfred/forschung/sbi/).
Man will sich beteiligen und aktiv etwas gestalten.
Bei der Gruppe der befragten Jugendlichen und
jungen Erwachsenen ist Ungerechtigkeitsempfinden gepaart mit dem Willen, „etwas aktiv zu gestal-
ten“. Es wird der Wunsch entwickelt sich zu beteiligen und an den bestehenden gesellschaftlichen
und politischen Verhältnissen „etwas zu verändern“. Man möchte etwas „sinnvolles tun“ und mit
seinem Engagement und Protest zu einer gerechteren Welt beitragen. Man beginnt sich zu informie-
ren und zu engagieren und durch das Engagement verändert sich wiederum der Blick auf die Welt
und auf die bestehenden Verhältnisse.
„A: Ja, also bei mir ist das halt so, dass es so Schritt für Schritt immer mehr so kam, dass ich halt
das Gefühl hatte, dass es mich was angeht und mich dann auch persönlich, also die ganzen
Probleme in der Welt. Und dass ich das jetzt nicht einfach nur so betrachten kann und sagen: Es
ist schlimm, aber mich dann wieder meinen eigenen kleinen Problemen zuwende. Ja, und das
wird halt immer mehr, dass ich mir – und deswegen ist halt auch mein Ziel: schrittweise so vor-
zugehen, bis ich am Ende halt, ja, Sachen unterstütze, die ich unterstützen mag.“ (w)
Wie kommt es letztendlich zu dem Willen etwas aktiv zu gestalten und etwas verändern zu wollen?
Eine mögliche Erklärung liefert Terpe (vgl. 2011), die sich im Rahmen einer „Soziologie der Ungerech-
tigkeit“ mit der Wahrnehmung von Ungerechtigkeit und Reaktionen in Form von Protest beschäftigt.
Sie beleuchtet zunächst die Bedingungen, unter denen Menschen soziale Verhältnisse als ungerecht
wahrnehmen und konstatiert mit Bezug auf Montada (vgl. 1995), Moore (vgl. 1987) und Shklar (vgl.
1992), dass Menschen, bevor sie entscheiden können, ob sie etwas als gerecht oder ungerecht beur-
teilen, sich bewusst machen, wer oder was die Verantwortung für die Geschehnisse zu tragen hat.
Nur wenn die Betroffenen zur Einschätzung kommen, dass die Ursachen im Bereich menschlichen
Handelns zu verorten sind, wird ihnen die Möglichkeit eröffnet, diese als ungerecht zu beurteilen
(vgl. Terpe 2011, 76). Dem Ungerechtigkeitsempfinden inhärent sind der Autorin zufolge begleitende
Gefühle zwischen Ärger und Wut einerseits und Gefühle zwischen Ohnmacht und Hilflosigkeit ande-
rerseits (vgl. Terpe 2011, 73).
Die Möglichkeit die Verantwortung für die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Verhält-
nisse bzw. Missstände gezielt jemandem zuzuschreiben, hat Terpe (2011, 78) zufolge eine
„aktivie-
rende Wirkung“
für die Betreffenden. Mit der Zuschreibung von Verantwortung verändert sich zu-
gleich das Machtgefälle zwischen den Bestreffenden und den identifizierten
„Verantwortlichen“.
Terpe zufolge (vgl. 2009, 124ff.) kann dies das Vertrauen in die Wirkmächtigkeit des eigenen Han-
delns steigern, da Geschehnisse bzw. Verhältnisse veränderbar und beeinflussbarer erscheinen: „Die
Zuschreibung von Verantwortung an möglichst spezifische Akteure – unabhängig davon, ob sie nun
‚objektiv richtig‘ ist – stattet soziale Proteste also nicht nur mit einem identifizierbaren Adressaten
und einfachen Erklärungen aus. Vielmehr bietet sie auch die Chance, dass angesichts schwindender
Machtdifferenzen die demotivierenden Empfindungen der Ohnmacht und der Hilflosigkeit durch
aktivierende Gefühle der Empörung und des Ärgers ersetzt werden und so die Hoffnung einsetzt,
durch eigenes Zutun etwas an der Situation ändern zu können.“ (Terpe 2011, 78). Die Autorin (vgl.
2011, 78) verweist auf Schäfer und Witte (vgl. 2007, 222) und hält fest, dass vor diesem Hintergrund
sich bspw. auch die Strategie einer Bewegung wie ATTAC, die eigene Unzufriedenheit nicht nur in
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