Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 60

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
sind und aufwachsen. Einige mussten früh viel Verantwortung übernehmen – für sich selbst, weil sich
niemand um sie kümmerte, für die kranken Großeltern oder auch bspw. für die jüngeren Geschwis-
ter, um sie vor den Schlägen des Vaters zu schützen.
Ein Großteil der Eltern hat eine akademische Ausbildung. Der Vater eines Jugendlichen arbeitet im
handwerklichen Bereich, ein anderer ist beim Militär und ein dritter ist Polizist. Auch die Mütter ha-
ben in der Regel eine Ausbildung, der Großteil ein Studium beendet und sind berufstätig.
In den meisten Familien sind die Eltern am Tagesgeschehen interessiert. Der Konsum von Tageszei-
tungen und Fernsehnachrichten ist in den Familienalltag integriert. Es gibt Eltern, die sich selbst en-
gagieren – im kirchlichen Kontext, für den Naturschutz, in der Gewerkschaft oder sie gehen mit ihren
Kindern bspw. auf Demonstrationen. Bei gemeinsamen Mahlzeiten herrscht eine Diskussionskultur.
Eine Befragte erzählt, dass die Familie bei gemeinsamen Mahlzeiten über das aktuelle Tagesgesche-
hen spricht und diskutiert. Dort erhält sie Raum für die eigene Meinungsbildung und die Entwicklung
eines politischen Bewusstseins.
I: Kannst du dich erinnern, wie sich dein politisches Interesse entwickelt hat? Also gab’s da ir-
gendwie vielleicht jemand in deinem Umfeld, der dich da geprägt hat oder so?
A: Nein. Aber ich find’ meine Eltern, also mit meinen Eltern, wir diskutieren auch immer über
was halt grad los ist zur Zeit, beim Frühstück oder beim Mittagessen, keine Ahnung, und dann
unterhält man sich, und man hört auch immer verschiedene Meinungen, auch von Freunden
von meinen Eltern, also mit Erwachsenen. Mit meinen Freunden, ich weiß nicht, wer – es gibt
einen Teil von meinen Freunden, die diskutieren politische Themen und halt was grad in der Zei-
tung steht und was eben passiert, aber hauptsächlich, ja, kommt es eigentlich von meinen El-
tern.“ (w)
Als herausragende Werte werden den befragten Jugendlichen Solidarität und in der Konsequenz die
Forderung an die Jugendlichen „anderen zu helfen“ und die Haltung von der Gleichheit aller Men-
schen vermittelt. Die Erbringung von Leistung wird als hohes Gut bezeichnet. Soziales, politisches
oder gesellschaftliches Engagement wird gefördert.
Exkurs:
Das Bedürfnis nach Autonomie und Selbstbestimmung ist bei den Interviewten ausgeprägt.
In den Interviews sind Hinweise zu finden, dass die Befragten unterschiedliche Erfahrungen mit
Macht und Ohnmacht gemacht, Bevormundung erlebt und/ oder schon in der Familie erfahren ha-
ben, Autonomie und Selbstbestimmung als wertvolle Güter zu betrachten.
Ein Jugendlicher bspw., erfährt als Kind von seinem Großvater von der Zeit des Nationalsozialismus
und entwickelt u.a. dadurch eine innere Abwehrhaltung gegenüber Bevormundung und Hierarchien.
„A: Das ist jetzt meine Persönlichkeit: Ich hasse Bevormundung jedweder Art. Und deswegen
bin ich jemand, der sich schon immer dafür interessiert hat: Wer hockt über mir? Das ist in der
Schulhierarchie, das ist in der gesellschaftlichen Hierarchie, also so Eltern beispielsweise oder
generell ältere Menschen sozusagen, das ist aber dann – irgendwann hat sich’s dann auch auf
die Politik ausgeweitet.“ (m)
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