Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 52

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
sonders interessant und im nächsten Absatz dargestellt werden die Ergebnisse bezüglich der Antifa-
gruppen.
Ergebnisse: Jugendliche in Antifagruppen
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Zentrale Motive für den Einstieg in die „linke Szene“ sind:
eine latent linke Orientierung und das Bestreben, „gegen neonazistische Erscheinungen und
'rechte Tendenzen' in der Gesellschaft vorzugehen“ (ebd., 42),
politische Aufklärung von Jugendlichen,
die Jugendlichen sind auf der Suche nach Gelegenheiten, ihr politisches Interesse und
Engagement, das durch Schule, Elternhaus etc. nicht befriedigt wird, zu kanalisieren,
eine weitere Motivation besteht in dem Wunsch, Beziehungen mit Gleichaltrigen zu knüpfen,
die ähnliche Interessen vertreten.
Sie schaffen bewusst neue Gruppierungen und treten nicht in schon bestehende Jugendorganisatio-
nen oder Parteien ein. Der Weg in die linke Szene führt über das soziokulturelle Lebensumfeld. Dabei
spielen kulturelle Praxen, Erlebnisorientierung und alltagsästhetische Schemata eine Rolle. Für den
Einstieg in die Szene sind in der Regel Bekannte und Freunde ausschlaggebend. Matuschek et al.
(2011, 42) bezeichnen dementsprechend die Antifa-Jugend als „politisierte Peergroups“. Die Inter-
viewten kommen aus dem bürgerlichen Milieu, bei ihnen ist ein Habitus mit antiautoritären und
avantgardistischen Zügen vorhanden. Die Jugendlichen verfügen über ein hohes Maß an kulturellem
und sozialem Kapital. Die Gruppenaktivitäten der Antifa-Jugend zeichnen sich durch ein hohes Maß
an Intellektualität und rationaler Diskurskultur aus. Jugendliche, die nicht über entsprechendes kultu-
relles und soziales Kapital verfügen, wie bspw. Jugendliche aus bildungsfernen Schichten scheitern
daran häufig. So werden sie ohne Intention ausgeschlossen und damit erfolgt eine „Selbstabschlie-
ßung der Bildungsschicht“ (ebd.). Für eine Milieuverankerung ist für Jugendliche der Antifaszene die
Fixierung auf eine politisierte Peergroup mit einem ausgeprägten „Wir-Gefühl“ wichtig. Die Ausprä-
gung ihrer kollektiven Identität geht einher mit Distinktionskämpfen mit (politischen) Gegnern. Zu
ihren politischen Grund- und Wertorientierungen gehören eine grundsätzlich kritische Betrachtung
der Gesellschaft, die Ablehnung kapitalistischer Strukturen und eine konfrontative Einstellung gegen-
über Neonazis. Die Kritik steht als Merkmal der Gruppenzugehörigkeit im Mittelpunkt. Eigene Deu-
tungsmuster und Wissensbestände werden implizit als absolute Wahrheit gesetzt und sind nicht kri-
tisierbar. Diese Konstruktion einer Wissenshierarchie dient gleichzeitig der Selbstimmunisierung. Es
erfolgt eine Abschottung nach außen bei gleichzeitiger Stärkung des Gruppenzusammenhalts nach
innen. Die Fluktuation innerhalb der Antifaszene ist aufgrund habitueller Aversionen gegen hierarchi-
sche Strukturen und feste Organisationsformen hoch (vgl. Matuschek et. al. 2011, 44ff.).
4.3.3 Linke Fußballfans, Gewalt und Fanprojekte
In Fußballstadien repräsentiere sich unsere Gesellschaft, so ein Experte. Themen, die in die Fußball-
stadien getragen werden, seien ein Indikator für gesellschaftspolitische Themen bzw. Problematiken
32 Zu den Befragten gehören zwei unterschiedliche Gruppen: Abiturienten, die sich zu einem linken antifaschistischen Bündnis in einer in
einer ostdeutschen Kleinstadt zusammengeschlossen haben und eine Gruppe von Abiturienten, die in der lokalen Antifa-Szene in Berlin
aktiv sind (vgl. Matuschek et al. (2011, 42).
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