Schule & Wir - page 17

können nicht lange still sitzen. Das Merkmal der
Hyperaktivität fehlt der ADS, einer verbreiteten
Variante der Störung, die vor allem bei Mädchen
auftritt. Kinder mit ADS fallen zunächst oft
weniger auf. Sie werden häufig als „Träumer“
wahrgenommen.
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Stichwort Unaufmerksamkeit:
Die Kinder
sind leicht durch äußere Reize ablenkbar und
können die Aufmerksamkeit nicht lange aufrecht
halten. Auch neigen sie bei Tätigkeiten zu
Sorgfaltsfehlern.
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Stichwort Impulsivität:
Den Kindern fällt es
schwer, zu warten, bis sie an der Reihe sind. Sie
platzen mit ihrer Antwort heraus und unterbre-
chen andere oft beim Spielen oder Reden. Sie
können auch aggressiv werden und verlieren oft
die Beherrschung.
Die tiefere Ursache der Störung ist nach heutigem
Kenntnisstand eine vor allem genetisch bedingte
Fehlsteuerung im Gehirn der Betroffenen. Bei
ADHS stehen verschiedene Botenstoffe, vor allem
Dopamin, nicht in ausreichender Menge zur
Verfügung. Dadurch werden einströmende Reize
aus der Umwelt nicht richtig kanalisiert, weshalb
das Gehirn schlechter zwischen wichtigen und un-
wichtigen Informationen filtert. Konzentrations-,
Leistungs- und Steuerungsfähigkeit können in der
Folge stark eingeschränkt sein.
Ein Rund-um-die-Uhr-Problem
Die Liste der typischen Symptome der Erkran-
kung klingt zunächst harmlos. Denn fast alle
Kinder sind im Laufe bestimmter Entwicklungs-
phasen zappelig, unaufmerksam oder impulsiv.
Die wenigsten von ihnen aber leiden an ADHS.
Dafür müssen die Kinder die entsprechenden
Verhaltensformen wesentlich stärker und über
einen langen Zeitraum zeigen. Die international
gültigen Kriterien legen deshalb fest, dass für eine
Diagnose einer ADHS die Symptome bereits vor
dem 6. Lebensjahr mindestens über sechs Monate
hinweg in mindestens zwei Lebensbereichen wie
beispielsweise in der Schule und Zuhause auftre-
ten müssen. Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne von
der Universität München unterstreicht: „Für die
Betroffenen selbst, aber auch für die Eltern be-
deutet die Störung oft eine erhebliche Belastung.“
Die Kinder haben häufig Schwierigkeiten in der
Schule und werden auf Grund ihres Verhaltens,
unter dem sie selbst leiden, auch ausgegrenzt. Die
Eltern sind vielfach ratlos. Sie verzweifeln an der
schwierigen Steuerbarkeit ihrer Kinder und erleben
deren Verhalten als Folge eigenen Versagens. Hinzu
kommt, dass das Umfeld oft kein Verständnis für
die Schwierigkeiten der Eltern und Kinder hat.
Die Familien fühlen sich alleine gelassen. „Die
Eltern versuchen dann zunächst selbst, zuhause das
Kind zu strukturieren und zu fördern. Das gelingt
ihnen aber ohne professionelle Hilfe nur selten“, so
Schulte-Körne.
Öffentliche Debatte verunsichert Eltern
Auch die kontroverse öffentliche Debatte trägt
weiter zur Verunsicherung der Eltern bei. „In der
Fachwelt, und zwar nicht nur der medizinischen,
wird diese
Entwicklung
mit Sorge gese-
hen“, sagt Gerd
Schulte-Körne.
Er kritisiert,
dass in den
Medien immer
wieder der
Krankheitscharakter von ADHS in Frage gestellt
wird. Aus Sicht mancher Zweifler sind betroffene
Kinder nur schlecht erzogen oder aufgrund ande-
rer Faktoren wie Unterforderung oder familiärer
Belastung verhaltensauffällig. „Insbesondere der
Vorwurf, die Eltern hätten in der Erziehung ver-
sagt, ist fatal“, betont Schulte-Körne. „Die Eltern
haben ein schlechtes Gewissen und Angst, versagt
zu haben. In der Folge zögern sie sehr lange, pro-
fessionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Dabei
ist für eine Integration der Kinder mit ADHS eine
frühzeitige professionelle Unterstützung wichtig.
Fachleute: ADHS gut diagnostizierbar
Um der öffentlichen Debatte entgegenzuwirken, hat
das vom Bundesgesundheitsministerium unter-
stützte
zentrale adhs-netz
alle wissenschaftlich
gesicherten Fakten zusammengetragen. Im
zentra­
len adhs-netz
haben sich in der ADHS-Forschung
engagierte Fachleute zusammengeschlossen. Unter
der Leitung von Prof. Dr. Manfred Döpfner von der
Universität zu Köln stellen sie fest:
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„ADHS kann ab dem Grundschulalter in der
Regel zuverlässig diagnostiziert werden. Die
Behauptung, dass ADHS kein spezifisches
Störungsbild sei, ist nicht haltbar.“ Wie alle
psychischen Erkrankungen sei ADHS durch
ein Muster an Einzelsymptomen definiert, die
unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.
Das heißt: ADHS kann man nicht wie Grippe
aller jungen Menschen
sind von ADHS betroffen.
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