Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 94

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
Wut sein, die sich dann im Handeln entladen, aber auch Furcht bzw. Angst und der Reflex sich zu
verteidigen.
„I: Ist das nie passiert, dass welche die von euch selbst gesetzten Grenzen überschritten haben?
„A: Doch, natürlich. Wenn du Nazis gegenüber stehst oder so Rambo-Bullen, dann hat man das
nicht immer unter Kontrolle, was dann abgeht. Da reagiert auch schon mal einer über.“ (m)
Instrumentelle versus wertgebundene Haltung gegenüber Gewalt als Mittel des Engagements und
Protests.
Eine prinzipielle Akzeptanz gegenüber anderen und deren Mittelwahl, auch wenn diese die legalen
Grenzen überschreitet, ist vorhanden. Auf der individuellen Ebene ist eine sehr große Heterogenität
bezüglich der eigenen Grenzen der Mittelwahl auszumachen. Besteht bei den Befragten eine Akzep-
tanz gegenüber dem Einsatz von Gewalt, dann muss Gewalt sinnvoll und gezielt und in der Regel als
letztes Mittel eingesetzt werden. In diesem Kontext sind zwei unterschiedliche Haltungen auszu-
machen. Zum einen eine instrumentelle Haltung gegenüber Gewalt und zum anderen eine wertege-
bundene, reflektierte Haltung.
Eine
instrumentelle Haltung
gegenüber Gewalt zeigt sich in der Aussage von Befragten „der Zweck
heiligt die Mittel“. Um bestimmte Ziele zu erreichen ist Gewalt als Mittel von Engagement und Pro-
test legitim. Dabei sind die individuellen Grenzen und Formen jedoch unterschiedlich, wie in diesem
Abschnitt bereits gezeigt wurde.
Ein Beispiel für eine
wertorientierte Haltung
zu Gewalt (reflektierte Haltung) ist in der Aussage eines
Engagierten zu finden. Er verweist auf Gewalt als Teil der Gesellschaft. Davon grenzt er sich nicht
durch eigene Gewaltlosigkeit ab, sondern beschreibt Gewalt als Teil seines Handlungsrepertoires.
„I: Und wie ist dein Verhältnis zu Gewalt?
A: Flexibel … ganz entspannt. Ich glaube, diese Frage wird überschätzt. Wir leben in einer ge-
walttätigen Gesellschaft und es gibt Momente, wo man Gewalt anwenden muss.“ (m)
Dabei reflektiert er sein Gewalthandeln und beschreibt seine Grenzen. Er definiert für sich die Grenze
- Gewalt gegen Unbeteiligte ist nicht zulässig. Eine genaue Beschreibung was er darunter versteht,
liefert er nicht. Dagegen konstatiert er, dass es Menschen gibt, gegen die er Gewalt als legitimes Mit-
tel betrachtet, für ihn sind es „Faschisten“.
„I: Wo sind für dich Grenzen? Gibt es Sachen, wo du sagst, da mache ich nicht mit?
A: Gewalt gegen Unbeteiligte, irgendwelche Bürger. Kleine Läden zerstören, es sei denn, die Be-
sitzer sind Faschisten, egal ob deutsche oder türkische oder sonst was. Fremde Autos abfackeln,
Privatautos …“ (m)
Strategien der Abgrenzung.
Jugendliche verfügen über Strategien, sich gegenüber Gewalthandeln
von anderen abzugrenzen bzw. nicht in die Versuchung zu kommen selbst militant zu agieren. Es gibt
bspw. Jugendliche, die Demonstrationen meiden, von denen sie wissen, dass es dort zu Ausschrei-
tungen kommt.
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