Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 86

86
Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
Die Gruppen sind miteinander verwoben und differenzieren sich doch aufgrund ihrer inhaltlichen
Fokussierung aus. Über die Kommunikation zwischen den Gruppen manifestiert sich die Szene. Somit
bezeichnen die Autoren Szenen auch als „Netzwerke von Gruppen“ (Hitzler/Niederbacher 2010, 20).
In der vorliegenden Studie stehen bei den befragten Szenegängern Individualität, Autonomie und
Selbstbestimmung im Vordergrund, so dass sich auch nicht alle Befragten in festen Gruppen engagie-
ren. Wenn sie sich in Gruppen engagieren, handelt es sich um individualisierte Gruppen mit be-
stimmten Themen oder Schwerpunkten. Hierarchien, Organisation und Regeln werden eher abge-
lehnt. Abstimmungen erfolgen basisdemokratisch.
Ein verbindendes Element unterschiedlicher Szenegänger ist das Engagement „gegen Rechts“. Sonst
ist man über verschiedene weitere „Themen“ lose miteinander verbunden wie bspw. Tier- und Um-
weltschutz, Kapitalismuskritik, Antimilitarismus, Antiatomkraft und Antisexismus (siehe auch Kapitel
5.2).
Ein befragter Jugendlicher berichtet von seinem ehemaligen gesellschaftlichen bzw. politischen En-
gagement in verschiedenen autonomen Gruppen. Dies wurde ihm dann aber zu viel, so dass er sich
nur noch an einzelnen Aktionen beteiligt. Es nennt die unterschiedlichen Themen bzw. Schwerpunkte
und zeigt gleichzeitig auf, dass Engagement auch ohne Gruppenzughörigkeit möglich ist.
„A: Ich war fünf Jahre „fest“ in zwei autonomen Gruppen, eine, die sich mit Tierrechtsfragen be-
fasst hat, und eine AntiRa-Gruppe. Und dann hatten wir auch noch so eine Theorielesegruppe,
in der wir einmal pro Woche zentrale Passagen von Werken mit zentraler Bedeutung gelesen
und reflektiert haben. Das waren vor allem anarchistische Autoren, weniger Marx und so. Aber
das wurde mir dann zu viel.“ (m)
Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement und Protest finden auch ohne Szenen- oder Grup-
penzugehörigkeiten statt.
Engagement und Protest werden unterschiedlich gestaltet und gelebt. Das
Engagement in Gruppen ist dabei nur eine Möglichkeit. Man macht mit bei verschiedenen Aktionen
(z.B. Flyer verteilen), geht auf Demonstrationen oder engagiert sich vereinzelt bei Themen, die einen
beschäftigen und ansprechen.
„A: Nicht direkt in festen Gruppen. Ich geh‘ auf Demos, sobald ich höre, dass da wieder eine Ak-
tion am Start ist.“ (m)
Es gibt Jugendliche, denen fehlt bspw. einfach die Zeit, sich in einer festen Gruppe zu engagieren, bei
anderen führt ihr Bedürfnis nach Autonomie und Selbstbestimmung dazu, dass sie sich zwar einer
Szene zugehörig fühlen, sich aber in keinen Gruppen engagieren möchten. Das Engagement in einer
Gruppe würde sie in ihrer Individualität einschränken.
Es gibt Jugendliche, die sich nicht der Meinung anderer anpassen oder unterordnen wollen oder
können bzw. man findet sich und seine Meinung in Gruppen nicht wieder:
1...,76,77,78,79,80,81,82,83,84,85 87,88,89,90,91,92,93,94,95,96,...126
Powered by FlippingBook