Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 83

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
sucht sie sich aufgrund irgendwelcher Interessen selber aus und fühlt sich in ihr eine Zeit lang mehr
oder weniger ‚zu Hause‘. Eine Szene weist typischerweise lokale Einfärbungen und Besonderheiten
auf, ist jedoch nicht lokal begrenzt, sondern zumindest im Prinzip ein weltumspannendes, globales –
und ohne intensive Internet-Nutzung der daran Beteiligten zwischenzeitlich auch kaum noch über-
haupt vorstellbares - Gesellungsgebilde bzw. eine ‚globale‘ Mikrokultur.“
Die Empirie zeigt, dass auch Jugendliche, die sich gesellschaftlich bzw. politisch engagieren und pro-
testieren, das nicht alleine machen, sondern dies mit Unterstützung von Szenen bzw. Gruppen in
Szenen tun. Welche Motivation besteht bei den Befragten sich einer Szene bzw. einer Gruppe anzu-
schließen?
Wie gestalten die befragten Jugendlichen ihr gesellschaftliches bzw. politisches Engagement und
ihren Protest innerhalb von Szenen? Wie werden Zugehörigkeit(en) konstruiert? Auf diese Fragen
gibt dieses Kapitel Antworten.
Für gesellschaftliches bzw. politisches Engagement und Protest braucht man eine Gemeinschaft.
Den befragten Jugendlichen zufolge könne man als einzelner Mensch keine gesellschaftlichen Verän-
derungen bewirken, dies sei nur zusammen mit anderen möglich.
„A: Weil wir unter uns in einem Forum oder in Nachrichten auf Skype oder sonst wie, unterhal-
ten wir uns drüber, wie beschissen wir momentan regiert werden und was alles schief läuft.
Und dann kriegt man natürlich von vielen Leuten, wenn man das versucht anzusprechen in der
Öffentlichkeit oder in der Schule zum Beispiel, immer diese Keule: Ja, dann mach doch was an-
ders oder wander’ aus oder sonst so Zeug. Das ist natürlich immer so die Gratwanderung, die
man als jemand, der sich, also der darüber diskutieren möchte, machen muss, nicht irgendwie
einer der Meckerköpfe zu sein, die nie was ändern. Weil es natürlich, man kann drüber streiten,
wie realistisch es tatsächlich ist für mich als einzelnen Menschen, tatsächlich Veränderungen
herbeizuführen. Das Ganze funktioniert heutzutage nur noch im Kollektiv.“ (m)
In diesem Kontext sind Szenen für Jugendliche attraktiv, weil sie gegenüber anderen Gemeinschafts-
formen den Vorteil haben, dass von den Szenegängern keine formalen Mitgliedschaften verlangt
werden, sie haben, wie Hitzler und Niederbacher (2010, 16) dies beschreiben, „keine Türen“.
Sie (2010, 16) bezeichnen Szenen als
„thematisch fokussierte Netzwerke“
. Jede Szene hat ein be-
stimmtes „Thema“, wie etwa eine Musikrichtung, eine Sportart oder so wie in dieser Studie u.a. eine
politische Fokussierung. Die Aktivitäten und das Interesse der Szenegänger sind auf das verbindende
Thema gerichtet, jedoch ist damit nur eine thematische Rahmung gemeint. Darauf beziehen sich
dann auch geteilte Einstellungen und Handlungsweisen der Betreffenden. Die Grenzen sind aber
fließend. Trotz der Fokussierung auf eine bestimmte Thematik, existiert eine Überlappung mit ande-
ren thematischen Rahmungen (vgl. Hitzler/Niederbacher 2010; 16f.).
Ein befragter Jugendlicher findet in „der linken Szene“ die Resonanz, die er für sein Engagement
sucht. Er betont, dass Organisationen und die damit zusammenhängenden Strukturen ihn vorher
abgeschreckt haben sich zu engagieren. Erst mit dem Kontakt über einen Bekannten zu Leuten und
Läden der linken Szene und Gesprächen mit Szenegängern hat sich sein Interesse, sich gesellschaft-
lich bzw. politisch zu engagieren, entwickelt.
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