7
1. Wie lernen Kinder Rechnen und wie definieren sich Schwierigkeiten im Lernprozess?
bezeichnet zum Beispiel für die Relationszahl 3 einen festen Abschnitt auf dem Zahlenstrahl (
3 – 6
oder
2 – 5
oder
4 – 7
usw.). Auch der ordinale und der kardinale Zahlaspekt werden weiter vertieft. Hier geht es um die Aufteilung eines Ganzen
in Teile und umgekehrt.
Beispiel: Eine Pizza, die in eine bestimmte Anzahl von gleichgroßen Stücken geteilt wurde, kann wieder zur Gesamtmen-
ge oder in Teilmengen zusammengesetzt werden.
Es entsteht das Verständnis, dass Teilmengen Teile einer Gesamtmenge darstellen, dass Zahlen mengenmäßig ihre Vorgän-
gerzahlen einschließen, dass zum Beispiel die Menge „3“ in der Menge „8“ enthalten ist.
Stufe 5: Relationaler Zahlbegriff, Teilmengenverständnis
Langsam festigt sich das kognitive Schema von Teil-Ganzes-Beziehungen, also die Einsicht, dass Zahlen als Teilmengen in
anderen Zahlen enthalten sein können, dass sie in Teilmengen zerlegt werden können, ohne dass die Mächtigkeit verändert
wird. Hier kommen Strategien wie das Kommutativgesetz oder die effektive Zahlzerlegung ins Spiel. Die Subtraktion kann
als Unterschied zwischen dem Ganzen und den Teilmengen gesehen werden. Sind die Gesamtmenge und eine Teilmenge
bekannt, kann die zweite Teilmenge berechnet werden, da auch sie als Teilmenge in der Gesamtmenge enthalten ist.
Beispiel: 8 – ? = 5
‡
8 – 3 = 5
Nun gelingt auch die Unterscheidung von Mächtigkeiten vorgegebener Mengen im Sinne von
„größer als / kleiner als“
. Die
vollständige Verinnerlichung des kognitiven Schemas der Teil-Ganzes-Beziehung beansprucht einen längeren Zeitraum, der
bis ins zweite Schuljahr reichen kann.
Beispiel: Sven hat 5 Sticker mehr als sein Freund, der nur 4 besitzt. Wie viele Sticker hat Sven?
Zusammenfassung
Mathematische Kompetenzen werden sukzessive erworben. In der Erwerbsphase kommt es immer wieder zur Verwendung
von Strategien, die eigentlich bereits „überholt“ sind. Entwicklungsmodelle wie das von Fritz/Ricken/Gerlach (2007) erleich-
tern es, subjektive Lösungsstrategien von Kindern nachzuvollziehen und über sogenannte diagnostische Aufgabensätze
(siehe Kapitel 4.2, S. 20) passende Fördermöglichkeiten abzuleiten (siehe z. B. Ganser 2014).
1.2 Besondere Schwierigkeiten beim Rechnenlernen
Die Forschung zu auftretenden Schwierigkeiten im Rechnen ist noch relativ jung, wenngleich seit einigen Jahren verstärkte
Anstrengungen zu verzeichnen sind. Daran beteiligt sind die Kognitionspsychologie, Neuropsychologie, Entwicklungspsy-
chologie, Medizin und die Mathematikdidaktik.
Kinder unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Lernvoraussetzungen und ihres Arbeitstempos bei der Lösung mathematischer
Problemstellungen. Besondere Schwächen in diesem Bereich werden mit unterschiedlichen Begriffen umschrieben: Dyskal-
kulie, Arithmastenie, Rechenstörungen, Rechenschwäche, Akalkulie etc.
Die Problematik all dieser Bezeichnungen liegt darin, dass Betroffene damit häufig vorschnell etikettiert und als neurolo-
gisch oder anderweitig organisch krank benannt werden. Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz.
Für auftretende besondere Schwierigkeiten beim Rechnenlernen können vielschichtige Ursachen als Auslöser verantwort-
lich sein, die sich gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken oder abschwächen können:
•
fachliche Defizite, wie z. B. fehlende Einsicht in den Zusammenhang zwischen Zahlwort und Menge, verfestigtes zäh-
lendes Rechnen, mangelndes Stellenwert- und Operationsverständnis,
•
emotionale Defizite, wie z. B. zu geringes Zutrauen in mathematische Fähigkeiten und damit verbundene Versagens-
ängste,
•
mangelnde Förderung,
•
Probleme bei der Entwicklung des Gehirns,
•
mangelnde visuelle oder auditive Wahrnehmungsfähigkeit.




