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Kinder mit besonderen Schwierigkeiten beim Rechnenlernen

1. Wie lernen Kinder Rechnen und wie definieren sich Schwierigkeiten im Lernprozess?

Die meisten Kinder verfügen erfahrungsgemäß bereits deutlich vor der Einschulung über die in den ersten beiden Stufen

aufgeführten Kompetenzen. Für einen gelingenden Einstieg in die Grundschule ist es günstig, wenn möglichst alle Schul-

anfänger diese Grundkompetenzen der Stufen 1 und 2 erworben haben.

Stufe 1: Zahlwort- und Reihenbildung, Mengenvergleich

Auf dieser Stufe laufen kognitive Prozesse ab, welche die Erfassung von Zählprinzipien wie der Eins-zu-eins-Zuordnung

vorbereiten. Abzählhandlungen gelingen jedoch noch nicht. Zahlworte werden mit Beginn des Sprechens zunächst ohne

Mengenverständnis als Wortreihe verwendet (Sequenzwörter), kleine Mengen werden durch eine Eins-zu-eins-Zuordnung

miteinander verglichen, ohne dieses Prinzip kognitiv zu durchdringen. Objekte können nach ihrer Größe angeordnet wer-

den (Prinzip der Seriation). Mit der Zeit entsteht ein Verständnis, dass die Zahlworte in einer festgelegten Reihenfolge

angeordnet sind.

Stufe 2: Ordinaler Zahlenstrahl und zählendes Rechnen

Allmählich differenziert sich das Zahlenwissen. Das Zählen kann genutzt werden, um Objekte zu zählen, d. h., Sequenz-

wörter entwickeln sich zu Zählwörtern. Es entsteht auch die Einsicht, dass jede Zahl einen bestimmten Vorgänger bzw.

Nachfolger hat, der kleiner bzw. größer ist, wobei mit dem Zählen bei Zählhandlungen immer bei 1 begonnen wird. Ebenso

entwickeln sich die Fähigkeit der Eins-zu-eins-Zuordnung und auch der sog. mentale (innere) Zahlenstrahl. Zahlen werden

nun aufgrund ihrer Position in der Zahlwortreihe miteinander verglichen (ordinales Zahlverständnis). Dabei wird diejenige

Zahl als größer betrachtet, die später in der Reihe aufgesagt wird. Der Begriff der Mächtigkeit (kardinales Zahlverständnis)

wird noch nicht beherrscht. Da Kinder das Vermehren und Vermindern von Mengen verstehen, können sie durch zählen-

des Rechnen einfache sachbezogene arithmetische Aufgaben lösen. Gesamtmengen werden mit dem letzten Zahlwort

benannt.

Stufe 3: Kardinale Mengenvorstellung

Zahlen können nicht mehr nur nach ihrer Position auf dem Zahlenstrahl betrachtet werden (ordinal), sondern repräsentieren

nun auch die Anzahl der in ihnen enthaltenen Elemente (kardinal). Dabei gibt der Name einer Zahl zugleich die Anzahl der

in einer Menge enthaltenen Elemente an. Durch den Erwerb des kognitiven Konzepts des Enthaltenseins wird die Entwick-

lung des kardinalen Zahlverständnisses nach Fritz/Ricken/Gerlach (2007) begünstigt:

Beispiel: In der Anzahl 4 sind die Elemente 1, 2, 3 und 4 enthalten.

Fehlerquelle: Bei dieser Einsicht scheitern manche Kinder. Anstatt das letzte Wort der Zahlreihe als Angabe der Menge

aller Elemente wahrzunehmen, wird es ausschließlich auf das letzte Objekt bezogen.

Sobald diese Hürde überwunden ist, muss beim Rechnen nun nicht mehr bei 1 der Zahlenreihe begonnen werden (counting

all), sondern kann von der ersten Menge aus weitergezählt werden (counting on).

Beispiel: 4 + 3 = ? – Weiterzählen: 5; 6; 7

4 + 3 = 7

Fehlerquelle: Durch falsches Weiterzählen beginnen die Kinder beim Aufzählen nicht mit der nächsten Zahl, sondern mit

der Ausgangszahl: 4 + 3 =? – falsches Weiterzählen: 4; 5; 6

4 + 3 = 6.

Die Strategie des alles zählenden Rechnens (counting all) kann nun allmählich durch die qualitativ ausgereiftere Strategie

des Weiterzählens (counting on) abgelöst werden.

Stufe 4: Teil-Ganzes-Zerlegbarkeit

Auf dieser Stufe wird das Wissen über die Zahlwortreihe weiter differenziert: Es entsteht die Einsicht, dass die Mächtigkeit

der Menge beim Zählen von einer Zahl zur Nachfolgerzahl jeweils um 1 zunimmt und dass jedes Zahlwort beim Weiterzäh-

len einen Zählschritt darstellt, der selbst gezählt werden kann.

Beispiel: 4 + 3 = ? – Weiterzählen: 5 (1); 6 (2); 7 (3)

4 + 3 = 7

Die Einsicht, dass zum Beispiel drei Zählschritte unabhängig von einer Ausgangszahl addiert werden können

(

… hat zwei, drei, vier etc. Bonbons und bekommt noch drei dazu

) führt allmählich zum relationalen Zahlbegriff. Dieser