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5. Wie erstellen Lehrkräfte passgenaue Lernangebote für den Mathematikunterricht?
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Phase 2: Beschreiben der Materialhandlung
Das Kind erläutert die Materialhandlung zu
23 + 8
mit Sicht auf das Material. Es handelt jedoch nicht mehr selbst,
sondern diktiert einem Partner die Handlung und kontrolliert den Handlungsprozess durch Beobachten.
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Phase 3: Beschreiben der Materialhandlung in der Vorstellung
Zwischen Material und Kind wird ein Sichtschirm, z. B. ein gefalteter Fotokarton, gestellt. Für die Beschreibung der
Handlung ist es darauf angewiesen, sich den Prozess am Material vorzustellen.
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Phase 4: Arbeit auf der symbolischen Ebene
Üben und Automatisieren von Aufgaben des gleichen Typs (hier ZE +/– E mit Zehnerüberschreitung)
?
Marie hat sehr schnell verstanden, dass Minusrechnen am Rechenrahmen einfach geht. Sie kann
auch gut verbalisieren, was die Förderlehrkraft für die Aufgabe 52 – 7 schieben muss (Phase 2 des
obigen Vier-Phasen-Modells): „Wir brauchen 5 Zehner, das sind 50 und noch 2 Einer auf der nächsten
Reihe. Dann nimmst du die 2 Einer unten wieder weg und noch 5 auf der nächsten Reihe. Dann sind
es noch 45.“
Der nun folgende Schritt ist elementar: Marie wird die Sicht auf den Rechenrahmen genommen, alles
andere bleibt gleich.
Dabei fällt auf, dass Marie gedanklich immer wieder den Faden verliert. Sie beginnt wie oben, weiß
dann aber nach dem Wegschieben der 2 Einer auf der unteren Reihe nicht, wie viele sie noch hat.
Durch erneutes Verbalisieren des Schiebevorgangs für die 52 wird ihr bewusst gemacht, dass sie 50
geschoben hatte (und noch 2).
Auch fällt es Marie schwer zu wissen, wie viele Zehner nach dem Wegnehmen der 5 von der 50 noch
vorhanden sind.
Ein Rückschritt in Phase 2 (mit Blick auf das Material) und eine bewusste Lenkung der Wahrnehmung
auf den Schritt, dass ein Zehner „angegriffen“ wird, also die Anzahl der ganzen Zehner um 1 kleiner
wird, hilft ihr beim nächsten Versuch in Phase 3, sich den Rechenrahmen wirklich vorzustellen.
Es bedarf mehrerer Sitzungen, bis sich die Struktur des Rechenrahmens und der Umgang damit so in
Maries Gedanken eingeprägt hat, dass sie mental damit umgehen kann.
Für das Bereitstellen passgenauer Lernangebote ist es wichtig zu wissen, in welchen Phasen ein Kind bereits sicher arbeiten
kann und in welchen Phasen es noch überfordert ist. Besonders bedeutsam für den Aufbau innerer Bilder sind die Phasen 2
und 3. Sollte ein Kind, das bereits auf der symbolischen Ebene arbeitet, wieder Unterstützung benötigen, sollte immer auf
die vorausgegangene Phase zurückgegriffen werden und nicht automatisch auf die Phase 1.
5.1.3 Sprachkompetenz und Sprachförderung im Mathematikunterricht
Bedeutung der Sprache für mathematisches Lernen
Das Fach Mathematik zeichnet sich – wie alle Fächer – durch einen umfangreichen Fachwortschatz aus. Über Sprache
werden beim Kind kognitive Prozesse befördert, Wissen (re-)organisiert, erweitert und vertieft sowie Lernleistungen erfasst.
Um Verstehensprozesse über Materialhandlungen versprachlichen zu können, ist es wichtig, die Bildungssprache und die
Fachsprache im Mathematikunterricht zu beherrschen. Darauf verweist auch der LehrplanPLUS in seinem Fachprofil: „Der
Mathematikunterricht in der Grundschule leistet einen Beitrag zur sprachlichen Bildung, indem er thematische Satz- und
Wortspeicher entwickelt sowie konsequent die prozessbezogenen Kompetenzen des Kommunizierens und Argumentierens
aufgegriffen werden.“ (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2013)
Besonders für Kinder mit Lernschwierigkeiten stellt die Beherrschung der Fach- und Bildungssprache mit ihren abstrakten
Fachbegriffen und generalisierenden Ausdrucksweisen eine Herausforderung dar. Das verständliche Darstellen mathemati-
scher Sachverhalte muss mit ihnen intensiv geübt werden. Nachfolgende Übersicht zeigt die sprachlichen Anforderungen
des LehrplanPLUS im Fach Mathematik bis zum Ende der Jahrgangsstufe 4: