Table of Contents Table of Contents
Previous Page  21 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 21 / 80 Next Page
Page Background

19

4. Wie erheben Lehrkräfte den Lernstand und legen Schwerpunkte der pädagogischen Förderung fest?

?

Über welche Voraussetzungen verfügt das Kind? Welche grundlegenden Einsichten fehlen? Welche

Prozesse laufen beim Lösen von Aufgaben ab?

Die Lehrkraft beobachtet, dass Marie alle Aufgaben zählend löst. Sie hat klar verknüpft, dass Addie-

ren ein Weiterzählen, Subtrahieren ein Rückwärtszählen nach sich zieht.

Dieses Operationskonzept ist für Aufgaben im zweistelligen Bereich aber nicht tragfähig.

Es müsste nun festgestellt werden, ob Marie zweistellige Zahlen mit dem dekadischen Material (Zeh-

nerstangen/Einerwürfel) darstellen kann und Addieren auch mit einer Handlung des Dazulegens,

Subtrahieren mit einer Handlung des Wegnehmens verbinden kann.

Rechenfehler entstehen nicht zufällig. Fehllösungen der Schülerin bzw. des Schülers beruhen in der Regel auf individuellen

und für die Schülerinnen und Schüler schlüssig erscheinenden Regeln und Lösungsstrategien. Sie treten bei ähnlichen Auf-

gaben meistens in gleicher Form auf. Fehler bieten eine Möglichkeit zu erfahren, wie die Schülerinnen und Schüler denken,

welche Strategien sie verfolgen, welche Rechenwege sie sich angeeignet haben. Die Lehrkraft kann dann

mögliche Ursachen für die Fehlleistungen herausfinden,

die falschen Strategien der Schülerin bzw. des Schülers erkennen,

individuelle Hilfen für die Schülerin bzw. den Schüler suchen,

ihr methodisch-didaktisches Vorgehen überdenken.

Hilfen bei der Fehleranalyse:

Analyse schriftlich vorliegender Arbeiten (z. B.: Hausaufgaben, Probearbeiten, Lerntagebücher, Portfolioeinträge) zur

Herausarbeitung möglicher individueller Fehlerschwerpunkte

Zusammenstellen von pädagogisch-diagnostischen Aufgabensätzen zur vermuteten Schwierigkeit (Aufgaben mit glei-

cher mathematischer Struktur oder sukzessive aufsteigendem Schwierigkeitsgrad, siehe Kapitel 4.2, S. 20) zur differen-

zierteren Einsicht in den individuellen Leistungsstand (Stärken-Schwächen-Analyse)

Interviews mit der Schülerin bzw. dem Schüler, um die aus der Analyse der Schülerdokumente abgeleiteten Vermu-

tungen zu überprüfen: Gleiche Fehlermuster können auf verschiedene Weise zustande kommen, richtigen Lösungen

kann eine falsche Strategie zugrunde liegen. Die Schülerin bzw. der Schüler erklärt seinen Lösungsweg, rechnet eine

strukturgleiche Aufgabe laut vor (lautes Denken). Die Lehrkraft beobachtet die Schülerin bzw. den Schüler beim Lösen

der Aufgabe.

Erklärungen des Kindes mithilfe didaktischer Materialien (vgl. 5.1.1, S. 29) verdeutlichen, welche Verstehensprobleme

vorliegen.

Im Anschluss an diese individuelle Fehleranalyse erhalten die Schülerinnen und Schüler passgenaue Lernangebote, die ihren

individuellen Lernprozess positiv begleiten.

Beispiele für Schwierigkeiten im Lernprozess und Fehllösungen:

verfestigtes zählendes Rechnen

13 – 5 = 9

9 + 6 = 14

Hinweise auf zählendes Rechnen sind +1/–1 Fehler, da die Kin-

der die Finger falsch verwenden.

13 –  5 = 9

(

13

mitgezählt)

9 + 6 = 14

(

9

mitgezählt)

Probleme beim Stellenwertverständnis

50 + 3 = 80

60 –  1 = 50

49 + 1 = 59

50 + 3, 60 – 1, 49 + 1

(Es wird zum falschen Stellenwert

addiert bzw. vom falschen Stellenwert subtrahiert.)

45 = 54

45 = 54

(Zahlen werden als gleich groß angesehen, da beide

aus den Ziffern

4

und

5

gebildet sind, Stellenwert wird nicht

beachtet.)

79 > 80

79 > 80

(in der Zahl

79

steckt die

9, 9

>

8

, also

79

>

80

)