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Kinder mit besonderen Schwierigkeiten beim Rechnenlernen

3. Welche Vorgaben und Rechtsvorschriften sind zu beachten?

3.3 Möglichkeiten der Eingliederungshilfe durch die Kinder- und Jugendhilfe

(Harald Britze, Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt)

Nicht jede Teilleistungsstörung löst einen Anspruch auf eine Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII durch das Jugend-

amt aus. Zunächst sind Schule und Elternhaus verantwortlich dafür, zu üben und geeignete Förderangebote zur Verfü-

gung zu stellen. Wenn das nicht ausreichend ist, muss geprüft werden, ob ein Krankheitsbild dahinter steht, welches

unter der Kostenverantwortung der Krankenkassen zu behandeln wäre. Erst wenn auch dies nicht gegeben ist, kommt

die Kinder- und Jugendhilfe als Rehabilitationsträger in Betracht.

Eine Therapie bei Rechenstörung wird in der Kinder- und Jugendhilfe ausschließlich im Rahmen einer Eingliederungshilfe

durchgeführt, d. h., bei dem Kind liegt eine seelische Behinderung vor oder es ist von einer solchen bedroht. Hierfür müs-

sen kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

Das Abweichen von der seelischen Gesundheit (Feststellung durch medizinisches Gutachten)

und

eine Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben (Feststellung durch Jugendamt).

Ein Antrags- bzw. Prüfungsverfahren auf Gewährung einer Eingliederungshilfemaßnahme löst folgende Verfahrensschrit-

te im Jugendamt aus:

1. Klärung der sachlichen (§ 14 SGB IX) und örtlichen Zuständigkeit. Anspruchsberechtigt ist der junge Mensch selbst.

Bei Kindern besteht jedoch ein Antragserfordernis durch die Personensorgeberechtigten.

2. Einladung der Personensorgeberechtigten zu Gesprächen (allgemeine Klärung).

3. Kontaktaufnahme zum jungen Menschen (abhängig vom Alter und Entwicklungsstand).

4. Möglicherweise erfolgt ein Hausbesuch in der Familie zur

a. Abklärung der persönlichen, familiären und sozialräumlichen Ressourcen,

b. Erarbeitung der Zielperspektiven mit den Beteiligten,

c. Konkretisierung des Bedarfs an Eingliederungshilfe,

d. Information über rechtliche Möglichkeiten,

e. sozialpädagogischen Diagnose zur Abgrenzung von Hilfen zur Erziehung.

5. Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen

a. Anforderung eines kinder-/jugendpsychiatrischen bzw. /-psychotherapeutischen Gutachtens zur Abklärung des

 Abweichens von der seelischen Gesundheit,

b. sozialpädagogische Klärung der Teilhabebeeinträchtigung (Achse 5 und 6 gemäß ICD-10) durch das Jugendamt,

c. abschließende Feststellung einer vorliegenden oder drohenden seelischen Behinderung durch das Jugendamt.

6. Weitere Gespräche mit (beratungsrelevanten) Personen und/oder Institutionen. Eine schulische Stellungnahme (bisher

ergriffene schulische Maßnahmen, ggf. Stellungnahme des Schulpsychologen, des MSD, schulischer Förderplan …) ist

erforderlich. Eine Einwilligung der Erziehungsberechtigten zur Datenweitergabe ist ebenfalls erforderlich.

7. Durchführen einer Fallkonferenz (insbesondere Erörtern der Hilfemöglichkeiten und angemessenen Maßnahmen). Das

Jugendamt entscheidet über die Form der angemessenen Eingliederungshilfe in Abstimmung mit den Erziehungsbe-

rechtigten (Wunsch- und Wahlrecht).

8. Erstellen eines Leistungsbescheides. Eine Kostenübernahme ist frühestens ab Bewilligung des zuständigen Jugendam-

tes möglich.

9. Eintritt in das Hilfeplanverfahren zur Steuerung und Begleitung der Hilfe. Nach einem halben Jahr sollten Veränderun-

gen, Erfolge und die Eignung der Hilfe überprüft werden.

Die Entscheidung über Art und Ausgestaltung einer Hilfe nach § 35a SGB VIII liegt ausschließlich in der Verantwortung

des jeweiligen örtlich zuständigen Jugendamtes. Die Entscheidung über Beauftragung und Feststellung der Eignung von

Leistungserbringern erfolgt ebenfalls ausschließlich durch das Jugendamt, bezogen auf den jeweiligen Einzelfall in Ab-

stimmung mit den Erziehungsberechtigten. Die örtlichen Jugendämter kennen ihre Kooperationspartner und wissen im

Regelfall, wer die geeignete Hilfestellung erbringen kann.

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Erziehungsberechtigte können sich auch vorab im Jugendamt

oder bei einer Erziehungsberatungsstelle beraten lassen.

1 Von den leistungserbringenden Fachkräften sind, neben der beruflichen Grundqualifikation, Nachweise über ihre Eignung und Aus-,

Weiter- bzw. Fortbildungen in zwei Bereichen zu erbringen: Zum einen ist die Eignung für die Behandlung der Beeinträchtigung der

alterstypischen seelischen Gesundheit notwendig, zum anderen die Eignung für eine Behandlung eines deutlichen sozialen Integrations-

risikos.