Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 12

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
Abbildung 5: Das Desintegrationstheorem von Wilhelm Heitmeyer
Die Befunde der Studien zur „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ bestätigen durchaus einige
der angenommenen Zusammenhänge. Aber es bleibt doch eine Reihe von Fragen offen. Da ja die
gesellschaftlichen Individualisierungsprozesse und ihre psychosozialen Folgen für alle Menschen in
spätmodernen Gesellschaften zur unvermeidlichen Grunderfahrung werden, bleibt die Frage zu klä-
ren, was denn die besondere Verarbeitungsgestalt in Form von Gewalt von jenen unterscheidet, die
nicht gewaltaffin sind. Eine weitere Frage betrifft die Differenz von gewaltbereiten Personen zu je-
nem nicht geringen Bevölkerungsanteil, der sich im Verhältnis zu gesellschaftlichen Entwicklung zu-
nehmend als ohnmächtig erlebt und deshalb eher resigniert und demoralisiert reagiert. Und schließ-
lich bleibt die Frage unseres Projektes, wie Gewalt und Gewaltbereitschaft aus dem linksradikalen
Spektrum in einem solchen Modell eingeordnet werden könnte, ohne die klaren Differenzen zwi-
schen linksradikalen und rechtsextremistischen Haltungen zu verwischen.
2.2 Linksorientierte Gewalt – Ein Forschungsdefizit
In der Literatur findet man fast immer die Einschätzung, dass der Rechtsextremismus sehr gut er-
forscht sei, aber zum Thema Linksextremismus fast keine Forschung existieren würde. Das wird in
einer Publikation der Konrad-Adenauer-Stiftung (Neu 2009) darauf zurückgeführt, dass es in Deutsch-
land keinen „antitotalitären Grundkonsens“ gäbe. Die Konrad-Adenauer-Stiftung selbst betont, dass
sie „dem antitotalitären Grundkonsens verpflichtet“ sei. Für sie steht deshalb „jegliche Form des
Extremismus im Fokus der Auseinandersetzung. Dabei ist jedoch sowohl in der Öffentlichkeit als auch
in der Forschung eine gewisse Schieflage feststellbar. Linksextremismus wird im öffentlichen Diskurs
fast gar nicht wahrgenommen und die mediale Öffentlichkeit, aber auch die Forschung konzentriert
sich überwiegend auf den Rechtsextremismus“ (Neu 2009, 11). Die Überwindung dieses Defizits wird
darin gesehen, gemeinsame Einstellungsmuster jeglicher Art von
Extremismus zu identifizieren. Im
Sinne von Backes (1989; Backes/ Jesse 2006) sollen dann strukturelle Gemeinsamkeiten in den ext-
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 13,14,15,16,17,18,19,20,21,22,...126
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