12
Ein Länderporträt über Palästina
Einsichten und Perspektiven 4 | 16
oder der Fahrer eines Medienvertreters verhaftet werde, es
irgendeine Organisation als Beschränkung der Meinungs-
freiheit einstufe. Die Rahmenbedingungen im Westjord-
anland seien zudem nicht mit denen im von der Hamas
beherrschten Gaza zu vergleichen.
35
Der palästinensische Bruderstreit
Der Streit um Saba’anehs Karikatur wirft auch ein Schlag-
licht auf den palästinensischen Bruderkonflikt: Im West-
jordanland regiert die Fatah, in Gaza die Hamas. Letztere
hat aber in ganz Palästina Aufwind: Bei der Parlaments-
wahl im Jahr 2006 erreichten die Islamisten erstmals die
Mehrheit der Stimmen – die Hamas errang 76 der 120
Sitze im palästinensischen Parlament und stellte alleMinis-
ter
36
–, bei den Hochschulwahlen an der palästinensischen
35 Karikaturist Saba’aneh berichtet in der Tat über verbale Attacken in so-
zialen Netzwerken und Telefonterror von Anhängern der Hamas, die in
Gaza an der Macht ist. Er beschreibt aber auch Zensurmaßnahmen seiner
Zeitung, die der Fatah-dominierten Autonomiebehörde gehört: Er könne
alles zeichnen, was er wolle, sagt er. Was dann aber publiziert werde, sei
eine andere Frage. Er hoffe, dass seine Arbeit von der Debatte um seine
Karikatur nicht beeinflusst wird. Schon gar nicht im Sinne einer Selbst-
zensur. Sicher ist er sich da aber nicht.
36 Vgl. Yaron (wie Anm. 17), S. 206 f.
Birzeit-Universität im April 2016 dominierte die Hamas-
nahe Hochschulgruppe „Islamischer Block“ bereits zum
zweiten Mal.
37
Dabei handelt es sich nur auf den ersten
Blick um eine ideologische Auseinandersetzung um den
Stellenwert der Religion, den diese in den Augen der
Anhänger der beiden Parteien in der Politik einnehmen
sollte.
38
Der Sieg von 2006 sollte vor dem Hintergrund
einer tiefgreifenden Unzufriedenheit der Palästinenser
mit der Jahrzehnte langen Herrschaft der Fatah gesehen
werden: Sowohl die Erfolglosigkeit in der Auseinander-
setzung mit Israel, als auch die grassierende Korruption
39
wollten viele nicht mehr länger hinnehmen. Nicht wenige
37 Dies ist der letzte Stimmungstest, da die Kommunalwahlen in Palästi-
na verschoben wurden. Vgl. Marc Frings u. Bastian Schröder: Letzte
Festung Kommunalpolitik, in: Länderbericht (Konrad-Adenauer-Stiftung
Ramallah), Mai 2016,
http://www.kas.de/wf/doc/kas_45298-1522-1-30.pdf?160525110831 [Stand: 16.11.2016].
38 Auch der Konflikt zwischen
Hamas
und
Fatah
ist mehr machtpolitischer
als ideologischer Natur: Die
Fatah
ist weitaus religiöser als in der landläu-
figen Wahrnehmung, die
Hamas
ist im Kern ebenso nationalistisch orien-
tiert wie die
Fatah
.
39 Jüngste Zahlen veranschaulichen das Problem: 79 Prozent der Befragten
gaben in einer Umfrage an, dass in den Institutionen der PA Korruption
herrsche, fast die Hälfte sehen die Autonomiebehörde als Bürde für das
palästinensische Volk. Vgl. PSR (wie Anm. 33), S. 4.
Der Al-Manara-Platz mit den steinernen Löwen – ein Kreisverkehr im Zentrum Ramallahs – wird oft als Ort für Demonstrationen genutzt.