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6. Praxisbeispiel: Einschulung und erste Schulwochen
6.2 Differenzierte Erfassung der Lernausgangslage
Für eine differenzierte Erfassung der Lernausgangslage gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine notwendige weiterfüh-
rende Diagnostik wird entweder von der zuständigen Beratungslehrkraft, von der zuständigen Schulpsychologin bzw. vom
zuständigen Schulpsychologen oder von Mitarbeitern des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes oder der Inklusionslehr-
kraft des zuständigen Förderzentrums durchgeführt.
Ludwig wurde nicht zum Schulspiel eingeladen, sondern zu einer weiteren Einzelsitzung mit der Beratungslehrkraft ge-
beten. Diese führte mit ihm die
Checkliste zur Zählentwicklung
von Willimek (2012) durch.
Es handelt sich hierbei um ein informelles Verfahren zur Erfassung des individuellen Entwicklungsstandes eines Kindes.
Mit ihr können die verschiedenen Teilaspekte des Mengen- und Zahlenvorwissens überprüft werden, beispielsweise wie
weit das Kind zählt, ob es auch ab einer anderen Zahl als eins weiterzählen kann oder ob es rückwärts zählen kann. Zum
anderen enthält die Liste Fördervorschläge für die Bereiche, bei denen das Kind Unterstützung braucht.
Beobachtung
Ludwig kann bis 10 zählen und die einzelnen Zahlwörter auch deutlich unterscheiden. Als er Muggelsteine, die geordnet
in einer Reihe liegen, zählen soll, sagt er die Zahlen auf und tippt dabei auf die Steine. Sobald die Steine ungeordnet
daliegen, lässt er welche aus oder zählt sie doppelt ohne es zu bemerken. Auf die Frage, wie viele es denn jetzt sind,
beginnt er von vorne zu zählen.
Ludwig erkennt, dass die Anzahl von Muggelsteinen gleich bleibt, wenn die Zählrichtung geändert wird. Er überlegt sehr
lange, wenn die Anordnung der Steine verändert wird, und kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Es gelingt ihm
nicht, ab einer bestimmten Zahl vorwärts oder rückwärts zu zählen.
Mit den Fingern kann er eine Zahlenreihe aufbauen.
Mengenvergleich: Gleiche und unterschiedliche Mengen erkennt Ludwig, wenn die Muggelsteine in zwei Reihen mit
gleichem Abstand zwischen den einzelnen Steinen angeordnet sind. Sind die Abstände zwischen den Steinen in der einen
Reihe weiter, so ist dies für ihn die Reihe mit der größeren Anzahl.
Ludwig hat fünf Steine, die Lehrkraft vier. Auf die Frage, um wie viel er mehr hat, antwortet er „5“.
Ergebnis
Ludwig kann also vorwärts zählen, es fehlt ihm aber das Verständnis, damit eine Anzahl ermittelt zu haben. Ebenso
fehlt ihm das Bewusstsein für Vorgänger und Nachfolger und die dem Anzahlvergleich zugrunde liegende Eins-zu-eins-
Zuordnung. Die Begriffe „mehr“, „weniger“ und „gleich viel“ sind nicht gesichert.
6.3 Die Zeit bis zur Einschulung
Die Zeit von der Schuleinschreibung bis zum ersten Schultag ist eine sehr wertvolle, die möglichst genutzt werden sollte,
insbesondere, wenn bei der Schuleingangsuntersuchung Handlungsbedarf in einzelnen Bereichen festgestellt wurde.
6.3.1 Übungen zum Zählen und Mengenverständnis
Um Schulanfängern einen erfolgreichen Start in die Welt der Zahlen und Buchstaben zu ermöglichen, benötigen sie vielfälti-
ge Lernanreize. Obwohl nach derzeitigem Forschungsstand noch keine Einigkeit darüber herrscht, welche Teilkomponenten
genau zu einem Mengen- und Zahlenvorwissen gehören, lassen sich doch Kernelemente feststellen.
Die Forschergruppe um Kristin Krajewski untersuchte den Einfluss von vorschulischen Mengen-Zahlen-Kompetenzen auf
die Leistungen in Mathematik. Im Ergebnis konnten zwischen 47 und 67 % der Kinder identifiziert werden, die am Ende
der Jahrgangsstufen 1 und 2 zu den leistungsschwächsten Rechnern gehörten. Dabei wurde die Mathematikleistung insbe-
sondere durch das Mengen-Zahlen-Wissen vorhergesagt (Krajewski 2003 in Lambert 2015).